Missbrauch in Mittelfranken:Drei Söhne mit der eigenen Tochter

Mehr als 30 Jahre lang soll ein Mann seine Tochter missbraucht und mit ihr drei Söhne gezeugt haben. Wegen Vergewaltigung in 497 Fällen sitzt er nun in Untersuchungshaft. In dem fränkischen Dorf, in dem die Familie wohnte, will niemand etwas mitbekommen haben.

Katja Auer und Olaf Przybilla

Im Schützenverein war die Familie nie, und das ist ungewöhnlich in Willmersbach, diesem pittoresken kleinen Dorf im mittelfränkischen Aischgrund. 350 Einwohner, 1972 bei der Gebietsreform eingemeindet nach Gerhardshofen. Eine Kirche gibt es nicht, aber ein ehemaliges Schloss, auch eine Handvoll Bauernhöfe und ein recht aktives Vereinsleben.

Jedes Jahr im Juli findet die Kerwa statt, da habe man die Familie aus der Mitte des Dorfes schon gesehen, erzählen sie in der Gemeinde, aber sie hätten immer abseits gesessen. Im März, um die Faschingszeit, ist der 69-jährige Mann dann von der Polizei abgeholt worden. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft, weil er seine eigene Tochter mehr als 30 Jahre lang missbraucht und mit ihr drei Söhne gezeugt haben soll. Jetzt hat die Nürnberger Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Mann erhoben, wegen Vergewaltigung in insgesamt 497 Fällen. Das sind lediglich die Fälle, die weniger als 20 Jahre zurückliegen und noch nicht verjährt sind.

Es sei schon geredet worden im Dorf, erzählt eine Frau, dass die Kinder ihrem Großvater so ähnlich sähen, "wie aus dem Gesicht geschnitten", sagt sie. Warum denn die Ämter deswegen nie ermittelt hätten, fragt sich ein Dorfbewohner. Und einen Kindsvater habe es schließlich auch nie gegeben. Immer, wenn die Tochter wieder schwanger war, dann seien Gerüchte umgegangen, dass sie vergewaltigt worden sei von einem Unbekannten - oder dass sie sich im Urlaub möglicherweise ein Kind habe anhängen lassen. Genauer wollte es keiner wissen. Denn eigentlich wollte niemand etwas zu tun haben mit der Familie, die im Dorf ziemlich isoliert war, obwohl sie mitten in Willmersbach lebte.

Das schmale Haus mit dem ausgebauten Stall sieht gepflegt aus, grau eingefasst sind die Fenster, in der Einfahrt sieht man ein paar Gartenstühle. Wovon die eigentlich lebten, habe man nicht gewusst, erzählen sie im Dorf, der Vater war frühverrentet nach seiner Arbeit beim Straßenbauamt, die Tochter ohne Job.

Aggressiv seien Teile der Familie gewesen, gelegentlich musste die Polizei kommen. Am Dienstag kann man das gut beobachten, als am Nachmittag die Fernsehteams das Dorf entdecken: Vor dem Haus rückt die Verwandtschaft zusammen, ein Kameramann wird mit einem Krückstock geschlagen. Er hatte versucht, das Haus zu filmen.

Fünf Kinder haben der 69-Jährige und seine Frau, für die er vor vielen Jahren aus dem Bayerischen Wald nach Mittelfranken gezogen ist. Eins davon ist jene Tochter, mit der der 69-Jährige noch drei weitere Kinder gezeugt haben soll. Die Tochter ist heute 46 Jahre alt ist, als sie zwölf, höchstens 13 Jahre alt war, soll ihr eigener Vater sie unter Schlägen zum ersten Mal zum Sex gezwungen haben.

Drei Söhne, zwei sind tot

Damit begann offenbar ihr Martyrium, laut Staatsanwaltschaft soll der Vater sie mehrmals in der Woche missbraucht haben: Im elterlichen Schlafzimmer, im Kinderzimmer, und später, als die Tochter einen Führerschein hatte, auch auf dem Rücksitz ihres Wagens. Dafür musste sie mit dem Mann eigens in den Wald fahren, wo sie niemand sehen konnte.

Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth

Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen einen Mann aus Mittelfranken erhoben, der seine eigene Tochter 34 Jahre lang mehrmals in der Woche vergewaltigt und dabei im Laufe der Jahre drei Söhne gezeugt haben soll.

(Foto: dpa)

Ja, das habe man "schon bemerkt", erzählen mehrere Nachbarn, die sich gerade an der zentralen Dorfstraße zum Plausch treffen: Dass die Tochter mit ihrem Vater zum Teil mehrmals am Tag im Auto weggefahren sei. Wohin die wohl immer wollten, das habe man sich schon gefragt. Drei Söhne zeugte der Vater mit seiner Tochter, und nach Angaben der Staatsanwaltschaft waren alle Kinder behindert. Ein Sohn starb noch im Krankenhaus, ein zweiter mit etwa vier Jahren, ihn haben die Nachbarn fast nie zu Gesicht bekommen. Nur einer der Söhne lebt noch, er sei um die zwölf Jahre alt, schätzen sie im Dorf.

Bis zum März, bis der Vater in Untersuchungshaft kam, lebte die Frau in ihrem Elternhaus. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sei es ihr nicht gelungen, sich dem autoritären Vater zu entziehen, der seine Tochter kontrollierte, ihr keine Bekanntschaften erlaubte und sie selbst beim Einkaufen überwachte. Im Dorf wundern sie sich darüber. Diesen Eindruck will keiner von Vater und Tochter gehabt haben. Man habe die beiden miteinander gesehen, aber nie habe es den Anschein erweckt, als stünde die Tochter irgendwie unter Druck.

Inzwischen lebt die Frau nicht mehr im Dorf. Die Mutter des Opfers rückte ebenfalls kurz in den Fokus der Justiz. Sie habe wohl "einiges mitbekommen", sagte Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke, aber diese Taten lägen soweit zurück, dass sie inzwischen verjährt seien. Gegen sie wird deshalb nicht ermittelt. Aufgedeckt wurde der Missbrauch erst im März, nach 34 Jahren. Damals wurde die Tochter wegen versuchter Erpressung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Sie bekam eine Bewährungshelferin zur Seite, der sie sich anvertraute.

Der Vater gestand nach Angaben der Justiz das sexuelle Verhältnis zu seiner Tochter, er behauptet, sie sei damit einverstanden gewesen. Im Prozess wird demnächst geklärt werden müssen, ob im Dorf wirklich niemand etwas mitbekommen hat.

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