Minister Heubisch zum Organspende-Skandal:"Wir müssen die Vorfälle bis ins Detail aufklären"

Nach dem Organspende-Skandal fordern viele schärfere Kontrollen. Bayerns Wissenschaftsminister Heubisch über die Folgen für die Krankenhäuser, Vertrauen in die Ärzte und Bonuszahlungen für eine transplantierte Leber.

Martina Scherf

Als Folge des Organspende-Skandals tauchen immer mehr Ungereimtheiten auf. Von vielen Seiten werden strengere Kontrollen gefordert. Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP), in dessen Zuständigkeit die Universitätskliniken gehören, will für lückenlose Aufklärung der Manipulationen am Klinikum Regensburg sorgen und fordert auch von den anderen Transplantationszentren in Bayern Berichte über das bisherige Vorgehen.

Wolfgang Heubisch, 2011

Wolfgang Heubisch (FDP) ist seit Oktober 2008 bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst und damit auch für die Universitätskliniken zuständig. Er fordert lückenlose Aufklärung der Vorfälle in Regensburg.

(Foto: Robert Haas)

SZ: Nach den Vorfällen in Göttingen und Regensburg werden Rufe nach strengeren Kontrollen laut, etwa dem Sechs-Augen-Prinzip. Warum gab es die nicht schon früher?

Heubisch: Eine Änderung gab es 2007, als Eurotransplant den sogenannten Meld-Score bei Lebertransplantationen einführte. Seither gilt das Vier-Augen-Prinzip. Und seither gab es in Regensburg nach bisherigem Kenntnisstand keine neuen Fälle von Manipulationen. In München-Großhadern gilt bereits das Sechs-Augen-Prinzip. Aber auch dieses Verfahren hat in Göttingen nicht verhindert, dass der Arzt manipulieren konnte. Gegen so viel kriminelle Energie ist man manchmal machtlos.

Müsste es nicht auch externe Kontrolleure geben, wie etwa der Präsident der Bayerischen Ärztekammer meint?

Da gibt es jetzt eine Menge von Vorschlägen. Externe Kontrollen klingen gut, aber ob das unter dem Zeitdruck in vielen Fällen machbar ist? Wir dürfen auch nicht wieder zu viel Bürokratie einführen.

Was werden Sie tun?

Ich werde am Montag mit Vertretern aller bayerischen Transplantationszentren erörtern, was verbessert werden muss. Dabei werde ich mir alle Zahlen und die Verfahrensweisen berichten lassen, wie Transplantationen bisher gelaufen sind. Dann wird es voraussichtlich Ende des Monats eine weitere Sitzung mit Beteiligung meines Kollegen, Gesundheitsminister Marcel Huber, geben. Ich bin auch im Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Bahr. Gesetzliche Änderungen müssen auf Bundesebene entschieden werden.

Gibt es eine Konkurrenz unter den bayerischen Transplantationszentren, in München gibt es sogar drei?

Nein. Das Herzzentrum München transplantiert schon lange nicht mehr. Großhadern und Rechts der Isar arbeiten in einem Transplantationszentrum engstens zusammen und führen gemeinsame Listen.

Jetzt wurde bekannt, dass immer mehr Organe im Schnellverfahren vergeben werden. Jedes vierte gespendet Herz, jede dritte Leber wurden in diesem Jahr bundesweit auf diese Weise vergeben. Wie viele Fälle waren das in Bayern?

Ich habe noch keine Zahlen, aber das wird für Bayern ähnlich sein.

Liegt bei so hohen Zahlen nicht der Verdacht nahe, dass Kliniken Organe schlechter machen, als sie sind? Wenn andere Zentren die Organe ablehnen, können sie sie selbst verpflanzen.

Dafür gibt es momentan keine Anhaltspunkte. Man kann sich so viel kriminelle Energie kaum vorstellen - dass man Daten manipuliert und dadurch mit Menschenleben spielt.

Der beschuldigte Arzt in Göttingen erhielt 1500 Euro extra für jede transplantierte Leber. Gehört dieses Bonussystem, das es offenbar auch an anderen Kliniken gibt, nicht sofort abgestellt?

Ja. In Regensburg wurde mir berichtet, der beschuldigte Arzt sei gerade deshalb weggegangen, weil er in Göttingen einen Bonus bekam, den er in Regensburg nicht erhielt. Ob es solche Verträge an anderen Kliniken gibt, wird in dem Gespräch am Montag erörtert werden. Sollte es sie geben, werde ich dafür sorgen, dass das abgeschafft wird. Das ist mit der ärztlichen Ethik nicht zu vereinbaren.

Haben Staatsanwälte in Regensburg richtig gehandelt, als sie das Verfahren 2005 und 2006 gegen den jetzt erneut beschuldigten Arzt eingestellt haben - zumal die Zahl der Transplantationen in den Folgejahren deutlich zunahm?

Die Zahl allein begründet ja noch keinen Verdacht. Seit 2009 gibt es dort das Kinderzentrum, wo Kinderlebern transplantiert werden. Die Regensburger haben sich damit einen hervorragenden Ruf erworben. Da ist es nicht verwunderlich, wenn die Fallzahlen steigen. Eines ist klar: Wir müssen die Vorfälle in Regensburg bis ins Detail aufklären, mit bei allen Beteiligten: Klinik, Ministerien, Justiz, Ärztekammer.

Sie sind selbst Zahnarzt - sind Ärzte zu unkritisch miteinander umgegangen?

Wir dürfen die Ärzte wegen einiger schwarzer Schafe nicht unter Generalverdacht stellen. Wenn das Vertrauen leidet und die Spendenbereitschaft nachlässt, sind dadurch auch wieder Menschenleben gefährdet. Ich bin überzeugt, dass die absolute Mehrheit sich ethisch verhält.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: