Süddeutsche Zeitung

Millionenvermögen:Wittelsbacher Ausgleichsfonds bekommt mehr Freiheit

  • Die Wittelsbacher erhalten im Jahr etwa 13,7 Millionen Euro durch den sogenannten Wittelsbacher Ausgleichsfonds.
  • Dieser ist eine Stiftung öffentlichen Rechts, mit der die Adelsfamilie finanziert wird.
  • Nach einem Gerichtsurteil hat der Staat nun weniger Kontrollmöglichkeiten.

Von Kassian Stroh

Sechs Jahre lang dauerte der juristische Streit, nun streckt das Finanzministerium die Waffen. Und der Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF), jene Stiftung, die die frühere Herrscherfamilie Bayerns nach wie vor mit Millionenbeträgen finanziert, wird künftig deutlich weniger vom Staat kontrolliert als bislang.

In einem Grundsatzurteil hat das Verwaltungsgericht München dem Freistaat untersagt, eine neue Bilanzierungsvorschrift des Fonds zu blockieren (SZ vom 6. Februar 2016). Und das bayerische Finanzministerium hat nun entschieden, dagegen keine Berufung einzulegen. "Unter Abwägung aller Gesichtspunkte" habe man nicht genügend Aussicht auf Erfolg gesehen, sagt eine Ministeriumssprecherin und ergänzt: "Wir sind keine Streithanseln, wir schätzen den Rechtsfrieden."

Dabei ging es in dem Gerichtsverfahren um weit mehr als nur um ein Detail der Bilanzierungsrichtlinien. Dahinter stand auch die grundsätzliche Frage, wie weit die Kontrollrechte des Freistaats reichen. Und da kommen die Richter in ihrer schriftlichen Urteilsbegründung zu einem klaren Schluss: Finanz- und Kunstministerium, die den WAF kontrollieren, haben über ihn nur eine Rechts-, aber keine Fachaufsicht. Das heißt: Sie können eingreifen, sollte die Stiftung gegen Gesetze oder andere Vorschriften verstoßen. Sie können das aber nicht tun, wenn sie ein bestimmtes Geschäft als unzweckmäßig ablehnen, also zum Beispiel den Kauf eines Aktienpakets für zu riskant halten.

Somit ist bei künftigen Streitfällen der Einfluss des Freistaats auf die Stiftung deutlich eingeschränkt, zumal sie auch dank einer Sondergenehmigung von Prüfungen durch den Bayerischen Obersten Rechnungshof (ORH) befreit ist. Diese gilt seit bald 40 Jahren. Zwar könnte sie der ORH jederzeit widerrufen und in die Bücher des WAF blicken; dass er dies bald tun könnte, dafür gibt es aber keine Anzeichen. Beim Rechnungshof selbst heißt es dazu nur: "Wann der ORH prüft, entscheidet er selber", wie ein Sprecher sagt.

Dass der Wittelsbacher Ausgleichsfonds unter besonderer Beobachtung steht, hat auch einen besonderen Grund: Seine Erträge fließen den Wittelsbachern zu, in den vergangenen Jahren waren das im Schnitt 13,7 Millionen Euro pro Jahr. Der größte Einzelanteil geht an das Familienoberhaupt, derzeit Franz Herzog von Bayern, der Rest wird zwischen den verschiedenen Familienzweigen aufgeteilt.

In den Genuss der Zahlungen kommen laut WAF zwei bis drei Dutzend Personen. Er ist aber keine Familienstiftung, so wie sie reiche Industrielle zum Beispiel gerne gründen, sondern eine Stiftung öffentlichen Rechts, basierend auf einem eigenen Gesetz von 1923. Damals war er das Ergebnis eines Kompromisses: Nach der Revolution und der Absetzung des Königs 1918 stellte der Freistaat Bayern seine Zahlungen an die königliche Familie ein. Die forderte daraufhin eine Entschädigung, und nach langen Verhandlungen verzichtete der Staat schließlich auf eine Reihe von Immobilien.

Diese gingen (zusammen mit einer hohen Summe Bargeld) aber nicht ins Eigentum der Familie über, sondern kamen in eine Stiftung, den WAF. Die Familie kommt nur in den Genuss der Erträge des Vermögens; zugleich bestimmt ihr Oberhaupt die Mitglieder des Verwaltungsrates, der die Geschäfte der Stiftung überwacht. Zu dessen Sitzungen wiederum entsenden Finanz- und Kunstministerium je einen Staatskommissar, der ein Vetorecht hat.

Warum der Staat ein Interesse am Bestehen des Fonds hat

Wenn die Wittelsbacher irgendwann aussterben sollten, würde der WAF aufgelöst, sein gesamtes Vermögen fiele an den Staat. Auch deshalb hat er ein Interesse daran, dass das Vermögen erhalten bleibt. Das wurde Ende 2014 auf knapp 350 Millionen Euro taxiert, nicht mitgerechnet die unzähligen Kunstwerke, die einst den Wittelsbachern gehörten und die in den Fonds übertragen wurden, um sie der Öffentlichkeit zu erhalten und zugänglich zu machen.

Ende des vergangenen Jahrzehnts musste der WAF hohe Abschreibungen seiner Kapitalanlagen in den USA vornehmen. In der Folge beschloss der Verwaltungsrat 2010, dass solche außerplanmäßigen Abschreibungen künftig mit Rücklagen verrechnet werden können und nicht mehr den Betrag schmälern, den der WAF an die Familie ausschüttet.

Gegen dieses Ansinnen legte das damals noch von Georg Fahrenschon (CSU) geführte Finanzministerium sein Veto ein, auch weil es befürchtete, dass das "Anreize für eine deutlich riskantere Anlagepolitik schaffen" dürfte, wie es im Urteil heißt. Die gesetzlich vorgeschriebene Erhaltung des Fondsvermögens wäre gefährdet. Dieses Veto wurde vom Verwaltungsgericht München einkassiert, und nachdem das inzwischen von Markus Söder (CSU) geleitete Ministerium auf Rechtsmittel verzichtete, hat das Urteil nun Rechtskraft.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2016/axi
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