Süddeutsche Zeitung

30 Jahre Mauerfall:Die Frankenpost legt sich mit dem Auswärtigen Amt an

  • Zum Besuch des US-Außenministers Mike Pompeo in Oberfranken lässt das Auswärtige Amt nur wenige Journalisten zu.
  • Auch die Lokalzeitung, die Frankenpost, bekommt nur nach Protest Zugang nach Mödlareuth - aber erst 13 Minuten, bevor Pompeo dort eintrifft.
  • Die Redaktion entscheidet sich daraufhin gegen eine Berichterstattung und veröffentlicht auf ihrer ersten Seite stattdessen eine Erklärung zum Thema Pressefreiheit.

Von Olaf Przybilla

Die Freitagsausgabe der Frankenpost hätte eine historische werden sollen. Und sie wurde dann wohl auch historisch - aber ganz anders, als der Chefredakteur der in Hof erscheinenden Zeitung das ursprünglich geplant hatte.

Der US-Außenminister Mike Pompeo hat am Donnerstag Mödlareuth besucht, jenes ehemals durch die Mauer geteilte Dorf, das als "Little Berlin" Geschichte geschrieben hat. Mödlareuth liegt keine 15 Kilometer weit von Hof entfernt, und selbst wenn der Ort mit seinen knapp 50 Einwohnern oft im Fokus der Aufmerksamkeit stand (etwa durch den ZDF-Mehrteiler "Tannbach") - der Besuch eines US-Ministers wäre für die Frankenpost selbstredend das gewesen, was man eine "große Lage" nennt: eine Sondersituation, in der man gerne auch etliche Seiten freiräumt.

Dazu aber kam's nicht. Stattdessen veröffentlichte die Frankenpost am Freitag auf ihrer ersten Seite ein großflächiges Foto, auf dem Streifenwagen und eine Straßensperre zu sehen sind. Optisch ins Foto integriert wird das Grundgesetz zitiert: "Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet." Und über dem Foto stand nur ein Wort - eines, das gerade im Zusammenhang mit Mödlareuth ungute Assoziationen auslöst: "Ausgegrenzt."

Darunter erklärt Chefredakteur Johann Pirthauer den Lesern, warum eine Berichterstattung über den hohen Besuch leider nicht möglich war. Zwei Tage vor Eintreffen des US-Ministers habe die Zeitung ein "Technischer Hinweis" des Auswärtigen Amtes erreicht, dem zu entnehmen gewesen sei, dass aus "Kapazitäts- und Sicherheitsgründen" zur Berichterstattung lediglich ausgewählte Medien zugelassen seien. Die Zeitung habe also mit Interesse zur Kenntnis nehmen müssen, schreibt Pirthauer, dass man nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes offenbar zu den "potenziellen Gefährdern" eines solchen Besuches gezählt werde. Dies stelle aus Sicht der Redaktion nicht nur einen Verstoß gegen das Grundgesetz dar. Man halte dies überdies - gerade angesichts des Anlasses - für "geradezu bizarr". Immerhin seien der US-Außenminister und sein deutscher Kollege Heiko Maas nach Mödlareuth gekommen, um dort an das Ende der DDR zu erinnern - die "auch an der systematischen Unterdrückung einer freien Meinungsäußerung zugrunde ging".

Weil aber die Frankenpost keine Berichterstattung ausschließlich anhand von Bildmaterial eines vom Auswärtigen Amt selektierten "Medienpools" (ZDF, RTL, zwei Agenturen sowie "freie Fotografen der Bundespressekonferenz") verantworten wollte, habe man gänzlich auf die Abbildung des historischen Besuchs verzichtet.

Das sei sicher sehr schade, gerade für eine regionale Zeitung, sagt Pirthauer im SZ-Gespräch. Und so habe man noch am Tag des Besuchs versucht, beim deutschen Außenminister Maas zu intervenieren. Exakt 13 Minuten vor dem Eintreffen Pompeos sei daraufhin vom Auswärtigen Amt auf telefonischem Weg mitgeteilt worden, dass nun doch ein Vertreter der lokalen Presse zugelassen werde. "13 Minuten vorher? Ihr könnt's uns gestohlen bleiben", habe man darauf reagiert, schildert Pirthauer.

Auf Anfrage ringt sich das Auswärtige Amt zu einer dürren Erklärung durch, die freilich nur das wiederholt, was es schon in den Tagen zuvor schriftlich wissen ließ - auch die SZ übrigens, die sich daraufhin ebenfalls gegen eine Berichterstattung entschieden hat. Man sei angesichts "sehr begrenzter Platzkapazität und hoher Sicherheitsauflagen um größtmögliche Transparenz bemüht" gewesen. Ziel des Auswärtigen Amtes sei es gewesen, sicherzustellen, "dass alle Medien gleichberechtigten Zugang zum Bildmaterial" hätten.

Dass Journalisten nicht einfach "Bildmaterial", sondern Ereignisse beschreiben und daraufhin also gar nicht erst nach Mödlareuth aufgebrochen sind, wo sie ohnehin nur bis zur Straßensperre gekommen wären - dafür zeigt Hofs Landrat Oliver Bär Verständnis. Er habe sich deswegen beim Auswärtigen Amt für eine "Erweiterung des Medienpools" eingesetzt, berichtet er. Offenbar mit dem Erfolg der besagten "13 Minuten zuvor Einladung". Die aber wollte Chefredakteur Pirthauer eben nicht annehmen.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2019/kast
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