Miesbacher Amigoaffäre:Zurück im Barock

Miesbacher Amigoaffäre: Der frühere Miesbacher Landrat Jakob Kreidl (links) und der einstige Sparkassenchef Georg Bromme (3.v.li.) stehen abermals wegen der Miesbacher Amigoaffäre vor Gericht.

Der frühere Miesbacher Landrat Jakob Kreidl (links) und der einstige Sparkassenchef Georg Bromme (3.v.li.) stehen abermals wegen der Miesbacher Amigoaffäre vor Gericht.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Das Münchner Landgericht rollt erneut die Miesbacher Amigoaffäre auf und sucht nach einer neuen Strafzumessung für Ex-Landrat Kreidl und den früheren Sparkassenchef Bromme. Es geht um dekorative Geschenke und grenzüberschreitende Jagdfreude.

Von Matthias Köpf, Miesbach

Es gibt in Bayern wohl nicht viele Orte, die ähnlich unbarock sind wie das Strafjustizzentrum in München. Schon der Trachtenjanker, der daheim im Landkreis Miesbach immer noch als verlässliche Dienstkleidung für alle Anlässe gelten darf, fällt in diesem Ambiente merklich aus dem Rahmen. Dabei soll es doch vor dem Landgericht München II am Donnerstag zum wiederholten Mal um ein "bayerisch-barockes, übliches, gewohnheitsmäßiges Handeln" gehen. So hat zumindest ein zeitweise aus Berlin hinzugezogener Verteidiger im vergangenen Jahr vor dem Bundesgerichtshof das beschrieben, was die Staatsanwaltschaft dem langjährigen Vorstandschef der Kreissparkasse Miesbach, Georg Bromme, und dem früheren CSU-Landrat Jakob Kreidl vorwirft. Das Landgericht hat das alles 2019 schon einmal als Untreue gewertet und Bewährungstrafen von eineinhalb Jahren gegen Bromme und von elf Monaten gegen Kreidl ausgesprochen. Weil der BGH dieses Urteil bei allem Amüsement über den vermeintlichen bayerischen Barock zwar weitestgehend bestätigt hat, muss das Landgericht nun noch jene wenigen Details der Miesbacher Amigoaffäre aufarbeiten, in denen die Revisionsanträge von Bromme und der Staatsanwaltschaft erfolgreich waren.

Wenn es nach ihren Verteidigern geht, so saßen mit Bromme und Kreidl - der eine im Trachtenjanker und der andere im Anzug - schon vor drei Jahren zwei Figuren aus einer viel ferneren Vergangenheit vor Gericht. Aus einer Zeit, in der Compliance in der Unternehmensführung noch kein Thema gewesen sei. Denn das damalige Geschäftsgebaren der Kreissparkasse, das Bromme als Vorstandschef und Kreidl als Vorsitzender des Verwaltungsrats zu verantworten haben, war zumindest gegenüber den eigenen Vorständen und den Lokalpolitikern im Verwaltungsrat durchaus großzügig. Ausgelöst hatte die Affäre eine fast 120 000 Euro teure und großenteils von der Bank bezahlte Feier zu Kreidls 60. Geburtstag im Jahr 2012. Als dies zwei Jahre später öffentlich wurde, war es um Kreidls Wiederwahl als Landrat geschehen, Staatsregierung und CSU-Granden wandten sich ab.

BGH hegt starke Zweifel an vermeintlichem Adlerschutzprojekt

Vor Gericht spielte diese Feier aber bald keine große Rolle mehr. Finanziell und juristisch am schwersten fielen einige Reisen ins Gewicht: Statt Sitzungen des Verwaltungsrats in Miesbach abzuhalten, lud Bromme die Mitglieder samt Partnern nach Wien, ins Stubaital oder in die Steiermark ein, wo man es sich in Fünf-Sterne-Hotels gut gehen ließ und auf stattliche Weinrechnungen kam. Eine "Bürgermeisterfahrt" ins Schweizer Interlaken schlug zunächst mit mehr als 80 000 Euro zu Buche, darunter fast 9000 Euro für den "James-Bond-Ausflug" auf das Schilthorn, wo Szenen von "Im Geheimdienst ihrer Majestät" spielen.

Das Landgericht war schon in erster Instanz zu dem Urteil gelangt, dass derlei majestätische Reisen nicht vorrangig im Dienst der Sparkasse unternommen worden waren, sondern eher im privaten Interesse der Verwaltungsräte und Vorstände. Welche Instanz was wie beurteilt hat, bestimmte nun den ersten Tag der Neuauflage am Landgericht. Weil es für die Strafzumessung auch die rechtskräftigen Teile des ersten Urteils brauchen wird, wurde dieses samt schriftlicher Begründung und anderen Unterlagen über Stunden hinweg verlesen. Zur Debatte werden in der Folge vor allem Geschenke stehen, die Bromme Vorständen und Verwaltungsräten machte, darunter Schreibgeräte und allerlei Dekoratives mit Jagdmotiven. Solche gleichsam bankinternen Präsente können laut BGH nicht mit einer Werbewirkung nach außen gerechtfertigt werden, wie es die erste Instanz getan hatte. "Das war im Haus so üblich, schlicht und einfach, und es war Teil der Geschäftspolitik", erklärte hingegen Bromme am Donnerstag zur damaligen Freigiebigkeit, die sich aber vor allem auf Kunden und auf den Landkreis bezogen habe. So sei das Büro des Landrats in früheren Jahrzehnten stets von der Sparkasse ausgestattet worden, selbst tragbares Telefon und Computer habe man zur Verfügung gestellt.

Das erklärte auch Kreidl, der nach eigenen Worten "eine seit Jahrzehnten gepflegte Praxis übernommen" und nie auch nur den geringsten Hinweis auf Unregelmäßigkeiten erhalten haben will. Er habe leider selbst nicht erkannt, dass sich die Maßstäbe inzwischen geändert hatten. Es sei aber nichts von all dem im Verborgenen geschehen, sondern "alles in der Buchhaltung festgehalten worden bis ins letzte, kleinste Detail", sagte Kreidl. Persönliche Geschenke habe er nie erwartet oder gar eingefordert, aber auch nicht zurückgewiesen, um Bromme nicht zu brüskieren.

Gegenstände zur einigermaßen repräsentativen Ausstattung seines Büros habe er von Bromme eher beiläufig auf den Schreibtisch gestellt bekommen und nie als sein Eigentum betrachtet, bekräftigte Kreidl. Entsprechend habe er sich auch nie etwas mit nach Hause genommen, auch nicht 2014, als "ich dann ja auf Druck von oben relativ schnell und kurzfristig ausscheiden musste". Gefunden habe er im Keller nur noch einen Koffer von der Sparkasse für seine Dienstreisen. Der sei zwar recht verstaubt, aber sonst "wirklich wie neu", sagte Kreidl und bot an, den Koffer ins Gericht mitzubringen. "Wir wollen ihn nicht, aber vielleicht die Kreissparkasse", sagte die Vorsitzende Richterin nur.

Was das Gericht dagegen noch braucht, ist Klarheit über Geldspenden Brommes an seine Jagdfreunde in Tirol, denn auch die will der BGH bestraft sehen. Die Tiroler Jäger haben mit dem Geld offenbar Jugendarbeit betrieben und Abzeichen angeschafft. Der BGH bezweifelte entsprechend, dass es auch nur indirekt in ein Adlerschutzprojekt im Landkreis Miesbach geflossen sei und dass die Tiroler überhaupt Adler im Auge behielten. Laut Brommes Aussage am Donnerstag stand dahinter allerdings eine Art Geschäft: Spenden gegen Sichtungsmeldungen für das Steinadlerprojekt. Die Enten plus Rotwein hingegen, mit denen die Sparkasse nach einigen von Kreidl veranstalteten Landräte-Treffen aufwarten ließ, lassen sich laut BGH durchaus mit den Interessen des Landkreises rechtfertigen. Das Gericht muss aus all dem nun eine neue Strafe bilden. Ein Urteil soll im Mai fallen.

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