Süddeutsche Zeitung

Miesbach:Großfamilie will Polizeiinspektion stürmen

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Über hundert schwer gerüstete Einsatzkräfte eilen nach Miesbach, um ihren Kollegen zu helfen. Zuvor war ein Mitglied der Familie festgenommen worden wegen des Verdachts auf Kindsmissbrauch.

Von Matthias Köpf, Miesbach

Mit einem Großeinsatz Dutzender, teils schwer gerüsteter Einsatzkräfte hat die Polizei am Dienstag ihre eigene Inspektion im oberbayerischen Miesbach schützen müssen. Die Dienststelle war von zahlreichen Mitgliedern einer Großfamilie regelrecht belagert worden.

Zuvor hatte ein 22-jähriger Mann aus dieser Familie die Nacht auf der Wache verbringen müssen, weil ihn die Beamten wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch vorläufig festgenommen hatten. Opfer dieser Tat soll laut Polizei ein Kind im Vorschulalter sein, das ebenfalls zu der Familie gehört.

Nach Angaben eines Polizeisprechers hatten am Montagabend unbeteiligte Zeugen von einem möglichen Missbrauch auf einer öffentlichen Toilette im nahen Hausham berichtet. In dem Ort habe die reisende Großfamilie, die nach Polizeiangaben aus Rumänien kommt und in Deutschland nicht über feste Wohnsitze verfügt, offenbar schon für eine längere Zeit Station gemacht.

Nachdem Polizeibeamte am Dienstagmorgen das Kind und seine Mutter in Hausham abgeholt hatten, um sie zu den Ereignissen vom Vortag zu befragen, kamen im Laufe des Vormittags rund 25 Familienmitglieder vor die Miesbacher Inspektion und verlangten laut Polizei immer aggressiver die Freilassung des 22-Jährigen. Unter anderem hätten sie Steine und Schuhe geworfen und versucht, mit Gewalt in das Gebäude einzudringen.

Zahlreiche Beamte aller umliegenden Inspektionen, der Kriminalpolizei, der Bundespolizei sowie Unterstützungskräfte aus München wurden nach Miesbach beordert. Die Beamten hätten sich gezwungen gesehen, sich selbst und die Inspektion mit Pfefferspray und Schlagstöcken zu verteidigen; ein Polizist sei von einem Faustschlag verletzt worden.

Volksfestplatz wird zur erweiterten Wache

Insgesamt 135 Polizisten drängten die Großfamilie demnach gegen Mittag auf den nahen Miesbacher Volksfestplatz. Dort seien die nun ihrerseits umzingelten Belagerer einzeln herausgegriffen worden, um ihre Personalien festzustellen und sie wegen des Schlagstockeinsatzes und des Pfeffersprays ärztlich untersuchen zu lassen. Dazu richtete die Polizei nach eigenen Angaben eine "Bearbeitungsstraße" ein, an der auch das Rote Kreuz eine Station übernahm. Die Umgebung der Inspektion und des Volksfestplatzes war für längere Zeit für den Verkehr gesperrt, bis zum Mittag kreiste ein Polizeihubschrauber über der Stadt.

Am Nachmittag zählte die Polizei nach eigenen Angaben zwei leicht verletzte Beamte und drei leicht verletzte Belagerer, bei einem von ihnen musste demnach eine Kopfplatzwunde genäht werden. Die Tür der Miesbacher Inspektion weise einen größeren Schaden auf, nachdem mehrere Menschen zugleich versucht hätten, sie mit Gewalt aus den Angeln zu reißen. Die Polizei hat nach eigener Darstellung bis zum späten Nachmittag unter den Familienmitgliedern vier Rädelsführer ausgemacht, derer sich nun die Staatsanwaltschaft annehmen werde.

Der Vorwurf lautet unter anderem auf Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gefährliche Körperverletzung. Den am Vortag vorläufig festgenommen 22-Jährigen führte die Polizei am Nachmittag dem Ermittlungsrichter vor, der Haftbefehl gegen ihn erließ.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2021
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