Miesbach:Affären-Landrat Kreidl abgewählt

Jakob Kreidl

Jakob Kreidl ist in Miesbach abgewählt worden.

(Foto: dpa)

In Miesbach stand ein Landrat zur Wahl, der gar nicht gewählt werden wollte. Auch ins Wahllokal wollte Jakob Kreidl nicht persönlich kommen - er wählte per Briefwahl. Nun wurde Kreidl abgewählt, doch damit ist die Wahl noch nicht entscheiden.

Von Heiner Effern

Ein Schritt zu schnell, ein kurzer Stolperer auf der Treppe, fast wäre Norbert Kerkel auf dem Weg nach oben gestürzt. Doch er fängt sich, und das Malheur auf den Stufen sollte der einzige Wackler des Kandidaten der Freien Wähler im Kreis Miesbach sein. Mit fast 38 Prozent zog der IT-Unternehmer deutlich als bester in die Stichwahl um den Landratsposten ein. Ihm folgt der Grüne Wolfgang Rzehak.

Er lag mit 20,88Prozent an zweiter Stelle, im erzkonservativen Oberland eine Sensation. Der bisherige Landrat Jakob Kreidl (CSU) wurde mit nur 16 Prozent der Stimmen nach mehreren Affären abgewählt. Er hatte schon vor der Wahl erklärt, sich komplett aus der Politik zurückzuziehen und auch bei einem Sieg die Wahl nicht anzunehmen.

Die Wähler stimmten für einen Neuanfang mit einem altbewährten Namen. Schon Kerkels Vater hatte den Landkreis geleitet, der Sohn war allerdings bisher nur in Waakirchen als Gemeinderat engagiert. Mit den ersten Ergebnissen der insgesamt 17 Gemeinden zeichnete sich bereits ab, dass Kerkel als Punktsieger aus dem ersten Wahlgang hervorgehen würde.

Er lag konstant bei deutlich über 30 Prozent und damit mehr als zehn Prozent vor dem nächsten Konkurrenten. "Ich bin freudig überrascht. Ich habe immer gesagt, das Rennen ist völlig offen", sagt Kerkel, als er strahlend in den kleinen Sitzungsraum des Landratsamtes kommt. Besonders der große Vorsprung sei nicht vorherzusehen gewesen. "Das hätte ich nicht gedacht."

Sein Herausforderer in der Stichwahl wird Wolfgang Rzehak sein. Der Grüne gilt als wertkonservativer Realo. "Ich freue mich unbandig", sagt er in einer ersten Reaktion, vor Aufregung auf den Fußspitzen balancierend. Rzehak hat sich als Kreisrat und Gemeinderat in Gmund einen Namen im Landkreis gemacht. Enttäuscht zeigt sich SPD-Kandidat Robert Huber. "Das ist wie Blech bei den Olympischen Spielen."

Auf dem Zettel zur Landratswahl stand Kreidl trotzdem

Der Miesbacher Affären-Landrat Jakob Kreidl (CSU) ist damit abgewählt. Der bisherige Landrat hatte sich von der Kreissparkasse 77 000 Euro für seine 118 000 Euro teure Geburtstagsfeier zahlen lassen. Des weiteren hatte er seine Doktorarbeit weitgehend abgeschrieben, war in die Verwandtschaftsaffäre verstrickt und hatte beim Bau seine Hauses gegen die Genehmigung verstoßen.

Auf Druck von CSU-Parteichef Horst Seehofer hatte Kreidl vor der Wahl erklärt, sich komplett aus der Politik zurückzuziehen. Auf dem Zettel zur Landratswahl stand er trotzdem, weil die Frist für eine Rücknahme der Kandidatur bereits abgelaufen war. "Das kommt nicht überraschend, das war absehbar", sagte der Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan (CSU), der von Kreidl kommissarisch den Kreisvorsitz übernommen hat.

Ob die politsche Karriere von Kreidl damit beendet sei? "Davon gehe ich aus, es gibt keine Perspektive mehr für ihn", sagt Radwan. Im Übrigen sei die Strategie der CSU, Kreidl zum Rückzug zu zwingen, aufgegangen. "Wir haben im Kreis wohl einen Bürgermeister mehr als vor der Wahl", sagt Radwan.

Die kuriose Situation, dass mit Kreidl ein Landrat zur Wahl steht, der nicht gewählt werden will, sorgte auch für eine ungewöhnliche Situation im Miesbacher Landratsamt: Nicht ein Politiker war am Wahlabend im Haus angekündigt. "Die Verwaltung ist auf sich allein gestellt", sagt ein Sprecher am späten Nachmittag. Kreidl sei im Krankenstand und werde sich auch am Abend nicht äußern.

Er erschien auch nicht persönlich zur Stimmabgabe im Wahllokal in seinem Heimatort Fischbachau, sondern wählte offenbar per Briefwahl. Vize-Landrat Arnfried Färber (Freie Wähler), der auch in der Kritik steht, weil er seine 55 000 Euro teure Geburtstagsfeier von der Kreissparkasse bezahlen ließ, habe sich nicht angemeldet, hieß es. Der zweite Vize-Landrat Georg von Preysing (CSU), Bürgermeister von Gmund, wäre gerne gekommen, sei aber verhindert. Er selbst stand nicht zur Wahl, aber er fungierte als Wahlleiter in Gmund.

Da eine zentrale Wahlparty im Landratsamt nicht zustande kam, wollten die neben Kreidl aussichtsreichsten drei Kandidaten in ihren Heimatorten auf das Ergebnis warten. Der Freie Wähler Kerkel war mit seinen Anhängern im Gasthaus Kramerberg Schaftlach. Die SPD zitterte mit ihrem Kandidaten Huber im Gasthof zur Post in Wiessee. Die Grünen trafen sich im Hopf Weißbierstüberl in Miesbach, um Rzehak die Daumen zu drücken.

Gegen 19.30 Uhr kommt dann Hektik auf. Alle Kandidaten werden ins Landratsamt beordert. Ursprünglich war dort keine offizielle Veranstaltung angesetzt, doch der Andrang der Medien bewog die Verwaltung, nun doch einen zentralen Termin anzusetzen.

Im Sitzungssaal herrscht Grabesruhe, die zwei Kandidaten Robert Huber (SPD) und Martin Eberhard (FDP) nehmen schweigend zur Kenntnis, dass sie wohl eher keine Rolle spielen werden. Als Kreidl immer mehr zurückfällt, sagt Eberhard: "Die Wähler haben doch einen Arsch in der Hose gehabt."

Die beiden Favoriten für die Stichwahl geben gerade Statements vor den Kameras ab. Dann folgt im Rechenzentrum ein improvisierter Fototermin: Die vier erschienenen Kandidaten lachten in die Kameras. Im Haus, das Kreidl sechs Jahre als Landrat lenkte, ist dieser selbst schon nicht mehr dabei.

Die Auszählung der Stimmen zieht sich unerwartet lange hin. Nur sehr zäh treffen die Ergebnisse ein, um 20.45 fehlten noch Holzkirchen und Kerkels Heimatgemeinde Waakirchen. Da die Bewerber in ihren jeweiligen Heimatgemeinden jeweils besonders viele Stimmen erzielten, konnte sich Kerkel jedoch schon zu diesem Zeitpunkt als sicherer Favorit fühlen. Die Wähler ließen sich trotz oder vielleicht wegen der Affären im Landkreis nicht vom Gang zur Wahlurne abhalten. Die Beteiligung lag bei mehr als 58 Prozent. In vierzehn Tagen wird nun ein neuer Landrat in Miesbach gewählt.

Davon unabhängig steht noch die Aufarbeitung der Affären von Kreidl an. Die Regierung von Oberbayern untersucht, in welcher Form ihn die Bank unterstützte und ob gegen geltendes Recht verstoßen worden war. Auch die Staatsanwaltschaft interessiert sich für die Vorgänge im Landkreis Miesbach.

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