Messe Consumenta in Nürnberg:Einkaufstasche in Übergröße

Messe Consumenta in Nürnberg: Die Consumenta in den 60ern: Für die 10000. Besucherin (samt Familie) gab es eine Prämie. Laut Bildbeschreibung war das eine prall gefüllte Einkaufstasche, ein Kühlbehälter, ein großes Paket Waschmittel, ein Bügeleisen mit automatischer Schaltung und eine Kaffeemaschine.

Die Consumenta in den 60ern: Für die 10000. Besucherin (samt Familie) gab es eine Prämie. Laut Bildbeschreibung war das eine prall gefüllte Einkaufstasche, ein Kühlbehälter, ein großes Paket Waschmittel, ein Bügeleisen mit automatischer Schaltung und eine Kaffeemaschine.

(Foto: Gertrud Gerardi/OH)

Jeder braucht viel mehr, als er ahnt. Das zeigt die Consumenta in Nürnberg nun zum 60. Mal. Die Verbrauchermesse verdankt ihren Erfolg nach Wirtschaftswunder und Maueröffnung bis heute einer Hauptperson - und die hat sich sehr verändert.

Von Charlotte Theile

Ein zwei Meter langer Kochlöffel mit einem Loch, durch das ein älterer, bärtiger Herr mit einem Glas Wein in der Hand schaut. Eine junge Frau im kurzen Glitzerkleid, die "Miss Franken Classic"-Schärpe um die Schulter gelegt. Ein Mann und eine Frau mit federnden Hüpfschuhen, die immer wieder "eins, zwei, drei" rufen und auf drei in die Höhe springen.

Was auf den ersten Blick an einen Wanderzirkus oder das Nachmittagsprogramm eines Shopping-Senders erinnert, ist in Wirklichkeit eine Pressekonferenz. Die Menschen mit Kochlöffel und Känguru-Schuhen stellen von Samstag an auf der Verbrauchermesse Consumenta in Nürnberg aus, ein Event in Übergröße. Mehr als 1000 Aussteller, 90.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, etwa 160.000 Besucher. Was sie erwartet? Regionale Lebensmittel, Küchen, Sportgeräte, Brettspiele, Pferdeshows. Vor allem aber geht es ums Einkaufen - je mehr, desto besser.

Geschäftsführer Heiko Könicke, der der Messe vor mehr als 40 Jahren den Namen Consumenta gab, weiß, wie passend dieser ist. Dass er, der das Gymnasium nach einigen Jahren abbrach, das lateinische Verb "consumere" kannte und zum eingängigen Namen umformulierte, macht den 73-Jährigen so stolz, dass er es häufig wiederholt. Es war sein Vater, Helmuth Könicke, der die Verbrauchermesse 1952 eröffnete. Sie traf den Nerv der Zeit.

Nach Jahren der Armut und Entbehrung hatten viele Familien wieder etwas Geld übrig. Geld, das sie vor allem in eines investieren wollten: Haushaltsgeräte. "Kleine Helferlein für die Küche", wie Könicke sagt, Vielzweckmesser, Metallhobel, Eierschneider, Handrührgeräte. Im alten Nürnberger Messegelände tummelten sich sieben Jahre nach Kriegsende 25.000 Menschen, begeistert von den Möglichkeiten, die Hausarbeit einfacher zu machen, beflügelt von Konsum und Show.

Die Messe, die damals "Die Einkaufstasche" hieß und anfangs nur alle zwei Jahre stattfand, zeigte aber nicht nur Vorführungen besonders pfiffiger Staubsauger; auch Mode, Feinkost und Möbel wurden angeboten. Jedes Jahr kamen mehr Besucher und Aussteller zusammen. Schon 1967 reisten 100.000 Menschen an.

In diesem Jahr feiert die Messe, die seit 1970 unter dem Namen Consumenta firmiert, ihr 60. Jubiläum. Dass sie ihren Erfolg vor allem einer Person, der Hausfrau, verdankt, ist immer noch spürbar. "Es stehen jedes Jahr viele Besucherinnen beim Zauberstab", sagt Heiko Könicke mit einem Grinsen. Frauen seien es ja auch, die entscheiden, was gekauft wird, welche Möbel, welches Badezimmer. "Also, neu ist das nicht", murmelt einer in der Runde. Aber wirklich neu muss es bei der Consumenta nicht sein. Die Känguru-Schuhe, die heute als "Next big Thing" angepriesen werden, gibt es seit den Neunzigerjahren. Sie haben sich bisher nicht durchgesetzt.

Spezialisierung für den Erfolg

Einen Trend hat Könicke, der den Messeveranstalter Afag gemeinsam mit seinem Bruder Hermann führt, jedoch erkannt: Statt jedem alles zu bieten, setzt die Consumenta auf Spezialisierung. In den Messehallen finden Vorträge zum Thema Bauen und Energiesparen statt, an anderer Stelle werden regionale, fränkische Produkte oder Kunsthandwerk vorgestellt. Auch Themen wie Immobilienfinanzierung oder Gesundheit werden in einem eigenen Bereich behandelt. Zudem findet die Reitsport-Messe "Faszination Pferd" statt.

Zielgruppe Nummer eins ist aber, 1952 wie 2013: die Frau. Früher als Hausfrau, heute "in Beruf und Familie stark gefordert", mit "zu wenig Zeit für persönliche Interessen". Für sie wird in Halle 4A ein Sonderprogramm geboten, "ganz auf die Interessen von Frauen zugeschnitten", also: Diättipps, Fashionbrunch, Zumba, Erotik-Shows, Kosmetik, Workshops zum Armbänder-oder-Kragenketten-Basteln. Außerdem Bildungsangebote: Hauswirtschafterin, Maßschneiderin, Ernährungsberaterin.

Messe Consumenta in Nürnberg: Erfolgsfaktor Frau: 60 Jahre Consumenta in Nürnberg.

Erfolgsfaktor Frau: 60 Jahre Consumenta in Nürnberg.

Ein Casting zur neuen Miss Franken Classic, bei dem Stylisten zeigen, "wie man mit einem perfekten Make-up und den neuesten Hairstyling-Trends mehr aus seinem Typ machen kann". Eine Gesichtschirurgin informiert übers Falten-Weglasern, eine Zollbeamtin spricht zum Thema "Vorsicht beim Shopping im Ausland". Für "Männer, die ihre Frauen begleiten" gibt es in Halle 4A die Men's Corner: Whisky-Proben, Formel-1-Wagen mit Rennsimulator und eine echte technische Innovation, ja eine "Weltneuheit": einen Rasierer mit aktiver Kühltechnologie.

Publikumsrekorde wie 1989, als die Consumenta 270.000 Besucher, viele davon aus Thüringen und Sachsen, anzog, wird es so nicht mehr geben. "Das Internet" sei schuld, sagt Heiko Könicke und die Konkurrenz anderer Events in der Umgebung. Dass die Messe trotzdem "noch frisch" sei, zeigt sich für Könicke an anderen Trends, etwa im Zeitschriftenhandel. Der Erfolg des Magazins Landlust, deren Auflage inzwischen bei mehr als einer Million liegt, beweise ihm, dass die Consumenta auf dem richtigen Weg sei und auf relevante Zielgruppen setze.

"Menschen um die 60 sind für mich noch junge Leute. Die haben Kraft, Geld und Energie", sagt Heiko Könicke, "aber sie haben auch Anspruch." Dem gerecht zu werden, sei eins seiner Ziele, ein weiteres: je nach "Lifestyle" unterschiedliche Angebote zu machen, eine gute Show zu bieten und den Standort Nürnberg, der durch den Regional-Schwerpunkt im Fokus steht, zu stärken. "Die Leute waren heutzutage schon überall, jetzt besinnen sie sich wieder auf ihre Heimat", glaubt Könicke.

Umso wichtiger, ihnen dort Dinge bieten, an die sie sich erinnern: Zum 60. Jubiläum verteilt die Consumenta an jeden 10 000. Besucher (am ersten Messetag an jeden 5000.) ein Überraschungspaket, ganz im Stil der alten "Einkaufstasche": Damals erhielt jeder 1000. Besucher eine solche, gut gefüllte Tasche. Heutzutage sind die Überraschungspakete insgesamt 50.000 Euro wert und so groß, dass sie in keine Tragetasche passen. Konsumrausch. Wahnsinn. Einer der Werbeleute rät den Besuchern: "Am besten gleich mit dem Kleintransporter anreisen."

60. Consumenta, 26. Oktober bis 3. November 2013, Messe Nürnberg, täglich 9.30 bis 18 Uhr geöffnet, Erwachsene 11 Euro, Kinder bis zehn Jahr kostenlos, detaillierte Informationen im Internet unter www.consumenta.de.

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