Merkel und Söder in Ottobeuren:"Herzlich willkommen in Bayern, Frau Bundeskanzlerin"

Angela Merkel und Markus Söder 2018 in Ottobeuren

Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder im Kaisersaal der Benediktinerabtei Ottobeuren.

(Foto: dpa)

Markus Söder ist ein Mann des kalten Kalküls. Im Allgäu trifft der bayerische Ministerpräsident auf Kanzlerin Merkel. Er bemüht sich um Normalität - mit nicht zu viel Überschwang.

Von Wolfgang Wittl, Ottobeuren

Für Zufälle bleibt keine Zeit, wenn die Bundeskanzlerin zu Besuch kommt. Wenige Minuten sind für den Eintrag von Angela Merkel ins Goldene Buch der Marktgemeinde Ottobeuren vorgesehen. Dann zieht Merkel sich zum vertraulichen Gespräch zurück. Peinlich genau ist der Ablauf festgezurrt, jede Sekunde verplant. Nur einer hat offenbar grundsätzliche Zweifel am richtigen Timing. Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident, lässt am Sonntag auf sich warten.

Der Ehrgeiz der CSU, Merkel im bayerischen Landtagswahlkampf willkommen zu heißen, tendiert seit Monaten konstant gegen Null. Alles, was entfernt mit der Regierung in Berlin zu tun hat, wird in Söders Umfeld als Belastung empfunden. Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer liefern sich derzeit ein enges Duell am unteren Ende der internen Beliebtheitsskala. So gesehen ist es ein Ereignis, dass Merkel und Söder sich am Sonntag im Allgäu begegnen.

Theo Waigel, der CSU-Ehrenvorsitzende, hat zu einem europapolitischen Symposium geladen. Der Termin wurde verabredet, als Söder es noch für sinnvoll hielt, sich mit der Kanzlerin sehen zu lassen. Aber jetzt, nach der Posse um den Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen? Nach Merkels bitterer Niederlage bei der Wahl in der Unionsfraktion? Lässt er sich Zeit.

Erst kurz vor 13 Uhr trifft Söder in der Benediktinerabtei Ottobeuren ein, Minuten vor dem Auftritt. Der Ministerpräsident habe einen Termin im Stimmkreis gehabt, eine frühere Ankunft sei nie vorgesehen gewesen, heißt es. Gewiss war es unumgänglich, Nürnberger Bürger am Sonntagvormittag mit Gebäck zu versorgen. Merkels Stab hatte trotzdem andere Erwartungen. Söders Zwiespalt spiegelt sich unterhalb der Basilika. Mehrere Demonstrationen sind angemeldet, etwa gegen Rassismus und für ein buntes Ottobeuren. Eine Demo ist von der AfD gegen Merkel, eine andere gegen die AfD. Merkels Befürworter sind deutlich in der Überzahl. Der Ministerpräsident, ein Mann des kalten Kalküls, hat sicher präzise überlegt, wie ausgiebig er sich mit der Kanzlerin zeigen will.

Söders Auftritt zielt jedoch weniger auf das Wohlwollen Merkels, er ist eine Botschaft an den liberalen Flügel seiner Partei. Söder will die Angriffsfläche möglichst klein halten, sollte die Wahl wirklich so schlecht ausgehen, wie Umfragen es verheißen. Der Saal ist gut gefüllt mit CSU-Granden, die Streit mit Merkel für falsch halten: Manfred Weber ist da, der Chef der Konservativen im Europaparlament, Entwicklungsminister Gerd Müller, Ex-Parteichef Erwin Huber, die früheren Staatsminister Kurt Faltlhauser und Hans Maier - und allen voran natürlich Gastgeber Theo Waigel. Im Vergleich zu dem, was sich früher zwischen Helmut Kohl und Franz Josef Strauß abspielte, sei der Umgang zwischen den Schwesterparteien heute "geradezu liebevoll", scherzt Waigel.

Auch Söder bemüht sich um Normalität. "Ich sage ausdrücklich: Herzlich willkommen in Bayern, Frau Bundeskanzlerin." Söder rühmt die hervorragende wirtschaftliche Lage, warnt vor globalen Herausforderungen, fordert Stabilität. Anders als sonst verweist er dabei aber nicht auf die CSU: "Diese Stabilität geht nur mit Europa", sagt er: "Deutschland und Bayern alleine schaffen es nicht." Nur indirekt erlaubt Söder sich kritische Hinweise. Man müsse alle europäischen Partner mitnehmen; Migration brauche eine "richtige Balance zwischen Humanität und Ordnung".

Sie wolle "auf das nicht Geschaffte lieber nicht hinweisen heute", sagt Merkel zur Migrationspolitik. Denn das bereite ihr "große Kopfschmerzen". Ein Zeichen von Selbstkritik? Eine halbe Stunde spricht die Kanzlerin über Europas Rolle in der Welt, kraftvoll und klar. Auch sie weiß um die Etikette ("lieber Markus Söder"), auch sie beherrscht versteckte Spitzen. "Froh" sei sie, dass Söder die Einheit Europas betont habe. Und "richtig stolz", dass Weber sich für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten "angemeldet" habe. "Ich werde alles dafür tun, dass er Spitzenkandidat wird." Als sie Donald Trump rügt, er stelle "multilaterale Abkommen infrage", darf sich auch Söder angesprochen fühlen. Im Sommer hatte er das "Ende des geordneten Multilateralismus" erklärt. Aber auch diese Zeiten haben sich geändert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: