Süddeutsche Zeitung

Merkel:"Es ist ein Grundbedürfnis, beim Bier schlecht über die Regierung zu reden"

  • Zum 500-jährigen Bestehen des bayerischen Reinheitsgebots ist Kanzlerin Angela Merkel zu Besuch nach Ingolstadt gekommen.
  • Erstaunlicherweise hielt Merkel dabei die süffigste Rede: Sie zitierte Otto von Bismarck und machte einige Scherze - das kam im Bierzelt gut an.
  • Ernst gemeint dagegen ist ihr Appell an die TTIP-Gegner.

Von Andreas Glas, Ingolstadt

Wenn früh am Tag Bier getrunken wird, kann das bekanntlich zwei Gründe haben: Frust oder Feierlaune. An diesem Freitagvormittag besteht kein Zweifel, die Laune ist bestens, auch bei der Hallertauer Hopfenkönigin, die auf dem roten Teppich steht, am Weißbier nippt und ihr Dirndl zurechtzupft für das Gruppenfoto mit Kanzlerin. Und weil die Kanzlerin auf sich warten lässt, stößt die Hopfenkönigin der Bierkönigin, die neben ihr steht, in die Rippen und meint, dass es doch lustig wäre, der Kanzlerin beim Gruppenfoto zwei Finger hinter den Kopf zu halten, so als hätte sie Hasenohren. Die Königinnen kichern, daneben der Brauerbundpräsident, bierernst, er wippt nervös von einem Fuß auf den anderen.

Hier in Ingolstadt hat Herzog Wilhelm IV. das Reinheitsgebot verfügt, hier findet der Festakt zum 500-jährigen Bestehen des angeblich ältesten Lebensmittelgesetzes der Welt statt. Ein halbes Jahrtausend haben sie auf diesen Tag gewartet und nun warten sie immer noch, weil die Kanzlerin Verspätung hat. Draußen vor dem Festzelt lauern die Kamerateams, aber es kommt nur Florian Pronold. Der Bayern-SPD-Chef schaut hoffnungsfroh in den Reporterpulk, keiner reagiert, er biegt ab ins Zelt. Um kurz vor elf kommt sie dann endlich, die Kanzlerin, fast eine halbe Stunde zu spät. Roter Teppich, Gruppenfoto, keine Hasenohren, schade eigentlich.

Die Kanzlerin gibt sich ironisch-entzückt über die "landestypische Musik"

Angela Merkel betritt das Festzelt, steuert auf die Bier-Bar zu, die sie am Eingang aufgebaut haben, biegt dann aber doch ab in Richtung Bühne, wo ein Tisch für sie reserviert ist, darauf steht ein kleiner Holzständer, an dem Brezen hängen. Mit ihr am Biertisch unter anderem: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösel und Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die Ministerpräsident Horst Seehofer vertritt, der in Berlin einen neuen Länderfinanzausgleich aushandeln will.

Am Rednerpult spricht zuerst Hans-Georg Eils, der Brauerbundpräsident. Er hat ausgerechnet, dass ein 500. Jubiläum "nicht alle Tage" vorkomme. Dann lobt der Ingolstädter OB die Stadt Ingolstadt als "Wiege der Qualitätssicherung", bevor Ilse Aigner referiert, dass es zwar ein Gegenteil des Worts "hungrig" gebe, "aber keinen Gegensatz zu durstig". Wie erstaunlich.

Noch erstaunlicher: Die süffigste Rede liefert kein bayerischer Politiker, sondern die uckermärkische Kanzlerin, die Otto von Bismarck mit folgendem Satz zitiert: "Es ist ein Grundbedürfnis, beim Bier schlecht über die Regierung zu reden." Daran habe sich bis heute nichts geändert, sagt Angela Merkel, "außer natürlich, wenn es um die bayerische Staatsregierung geht". Das Zelt lacht und applaudiert der Kanzlerin so warm, wie ihr lange kein Bierzeltpublikum mehr applaudiert hat, nicht in Bayern jedenfalls. Und das, obwohl Merkel ironisch schmunzelt, als sie sagt, es sei "wichtig und richtig, dass hier tagelange Jubiläen gefeiert werden", wegen des Bieres.

Ernst gemeint ist dagegen, als die Kanzlerin an die Gegner des Freihandelsabkommens TTIP appelliert, über die Chancen für deutsches Bier in einem freien Handel nachzudenken - gerade jetzt, da der Bierkonsum in Deutschland stagniere. Dann kehrt sie in den Bierzelt-Modus zurück, deutet auf das Georgische Kammerorchester Ingolstadt, das die Musik zur Feier macht, und gibt sich ironisch-entzückt, dass die Feier "mit landestypischer Musik verbunden" sei. Am Alkohol lag es übrigens nicht, dass Angela Merkel in Ingolstadt so zum Scherzen aufgelegt war. In ihrem Glas, das verriet Bundeslandwirtschaftsminister Schmid, sei nur alkoholfreies Bier gewesen.

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SZ vom 23.04.2016/ebri
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