Trümmer liegen weithin verstreut. Geborstene Dachziegel und Glassplitter sind in Gärten, auf Dächern von Nachbarhäusern und auf der Straße verteilt: Bei der heftigen Explosion am späten Freitagnachmittag in einem Wohnhaus in der schwäbischen Stadt Memmingen starb ein 17-Jähriger. Helfer konnte ihn nur noch tot aus dem stark beschädigten direkten Nachbarhaus bergen. Wie durch ein Wunder gab es bei dem Unglück keine weiteren Opfer.
Die Schadenssumme dürfte in die Millionen Euro gehen. Etliche Anwohner mussten überdies ihre Häuser verlassen. Experten suchen noch nach dem Auslöser für das Unglück. Spekuliert wird nun über einen Gasaustritt, der dafür verantwortlich gewesen sein könnte. Die genaue Ursache war am Sonntag noch nicht bekannt, offen blieb auch, wie viele Anwohner bereits in ihre Häuser zurückkehren konnten. Das Technische Hilfswerk hatte bis mittags etwa 20 Häuser überprüft und die Aufräumarbeiten waren in vollem Gange.
Mit der Suche danach seien nun unter anderem Experten des Landeskriminalamtes betraut, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West am Wochenende. An diesem Montag sollen die LKA-Experten damit beginnen. Das Haus und seine Nachbarhäuser hätten alle Gasanschluss, sagte der Polizeisprecher weiter. „Es liegt natürlich die Vermutung nahe, dass es sich um einen Gasdefekt handeln könnte.“ Er sprach von einer „sehr außergewöhnlichen Situation“.
Memmingens Oberbürgermeister Jan Rothenbacher sagte, ein Gasaustritt sei nicht ausgeschlossen. Allerdings sei die Rohrinfrastruktur sehr neu – und gerade erst durch die Stadtwerke überprüft worden. „Kein Rohr hier in der Ecke ist älter als 17 Jahre“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Wir sind als Stadtwerke verpflichtet, alle vier Jahre eine Untersuchung zu machen, ob Gas austritt.“ Die Überprüfung bis zum Hausanschluss habe just vor etwa zwei Wochen stattgefunden. Rothenbacher war am Freitag sofort zum Unglücksort geeilt. „Es steht kein Stein mehr auf dem anderen. Man kann sich das nicht vorstellen“, berichtete der Rathauschef. „Es ist ein unglaubliches Schadensbild.“ Er sei in größter Sorge um die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner gewesen. „Es ist ein 17-Jähriger gestorben. Das ist etwas unglaublich Tragisches. Wir sind mit tiefstem Beileid bei der Familie“, sagte er. Es sei zugleich ein großes Glück, dass nicht mehr Menschen schwerer verletzt wurden.
Zwei Rettungskräfte mussten im Zuge des Einsatzes laut Polizei mit Kreislaufbeschwerden behandelt werden, vermutlich wegen der Hitze, ihnen gehe es aber wieder gut. Die Polizei, die am Freitagabend nach Angaben eines Sprechers mit Dutzenden Steifen im Einsatz war, hatte dazu Unterstützung aus dem nahen Baden-Württemberg bekommen.
Ein Anwohner berichtete, er habe einen „Wahnsinnsknall“ gehört. Er sei sofort aus dem Haus gerannt, habe zuerst an eine Bombe oder einen Flugzeugabsturz gedacht – der Flughafen Memmingen ist nur wenige Kilometer entfernt. Er habe sogar noch Dachziegel fliegen sehen. Auch an seinem Haus gab es Schäden am Dach. Spekuliert wurde in der Nachbarschaft dem Vernehmen nach auch über eine Gasflasche an einem Wohnwagen. Andererseits lasse die Wucht der Explosion nicht auf eine einzelne Gasflasche schließen, hieß es vor Ort auch.
Dutzende Helfer von Technischem Hilfswerk, Feuerwehr, der Stadt Memmingen und Rotem Kreuz waren am Samstag weiter mit dem Aufräumen beschäftigt. Parkende Autos waren schwer beschädigt und mussten teils abgeschleppt werden. Anwohner wurden in Sicherheit gebracht – manche wissen nicht, ob und wann sie in ihre Häuser zurückkönnen.
Statiker müssen die Nachbarhäuser überprüfen
Rund 15 Menschen wurden dem Oberbürgermeister zufolge in der Nacht in städtischen Behelfswohnungen untergebracht, andere kamen bei Freunden und Verwandten unter. Nun müsse unter anderem mithilfe von Statikern überprüft werden, welche Häuser betretbar und bewohnbar seien. Es seien auch Notfalldächer organisiert worden, um beschädigte Dachstühle zu stabilisieren und abzudichten, „damit es nicht die nächsten Tage hineinregnet“, sagte Rothenbacher. „Dann werden wir schauen müssen, wie viele Menschen langfristig untergebracht werden müssen.“ Es sei nicht ausgeschlossen, dass Häuser abgerissen werden müssten.
Die Schadenshöhe ist noch nicht bezifferbar. „Wir haben ein Schadensausmaß, das sich nicht beziffern lässt, sich aber garantiert im siebenstelligen Bereich bewegen wird“, sagte ein Polizeisprecher. Dass niemand von Trümmern getroffen wurde, habe möglicherweise auch daran gelegen, dass zum Ferienstart manche schon auf dem Weg in den Urlaub waren. „Es hätte wesentlich mehr passieren können.“ Die Eltern des getöteten 17-Jährigen waren zum Unglückszeitpunkt nicht im Haus. Sie wurden von Helfern betreut.
Auch der 68 Jahre alte Bewohner des Hauses war nicht zu Hause. In den Trümmern wurde dem Vernehmen nach eine Waffe gefunden. Der Mann habe aber eine Erlaubnis zum Waffenbesitz gehabt, hieß es weiter.