Am Ende sind einige Legosteine übrig geblieben, auch solche, die man gar nicht verbauen konnte: kleine Männlein, Bäume, zu kleine Steine oder zu große. Das sind die Steine, die nun unter anderem der Fröbel-Kindergarten erhält, für die dortigen Kinder, zum Spielen. All die anderen Legosteine aber sind fest verbaut, zu vier Rampen, die in Zukunft die Barrierefreiheit in verschiedenen Einrichtungen fördern sollen – zum Beispiel im Rathaus in Memmingen. Es sei ja „bittere Ironie“, sagt Oberbürgermeister Jan Rothenbacher, dass bislang ausgerechnet der Weg zu den an sich barrierefreien Toiletten im Rathaus von einer Schwelle versperrt wurde, die für Rollstuhlfahrer ohne Hilfe nicht zu überwindenden war.
20 Kilogramm Legosteine haben die Memminger für das Projekt gespendet seit einem Aufruf im vergangenen Frühjahr. Auch in Regensburg sowie in anderen Städten und Gemeinden deutschlandweit entstehen immer mehr Lego-Rampen, die auf einfache und günstigere Weise als üblich Barrierefreiheit herstellen können. Das mit dem Spendenaufruf, da wurden sie in Memmingen gewarnt, funktioniert eigentlich nicht so gut. Andere Kommunen berichteten von wenig Reaktionen. Da sind die Allgäuer offenbar freigiebiger.

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Und das findet nicht nur Verena Gotzes vom örtlichen Behindertenbeirat gut. Das Gremium, sagt die Vorsitzende, freue sich, dass es dieses Jahr am europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung nicht Anträge stellt, sondern eben diese Rampen in Betrieb nimmt. „Lego ist ein Hingucker“, sagt Gotzes, und da hat sie natürlich recht, bei all den rot, gelb, grün, blau oder auch pink glänzenden Steinen, die für ältere Menschen und Rollstuhlfahrer zu leicht überwindbaren Rampen addiert wurden.
Es ist ja aber nicht nur die Mobilität, die auf diese Weise gefördert wird. „Kinder lieben Lego, Kinder fragen, Kinder sind neugierig“, betont Gotzes. Und deshalb kommen durch solch bunte Rampen bereits die Kleinsten, aber auch ältere Menschen mit einem Thema in Berührung, das in ihrem Leben sonst oft keine Rolle spielt: mit Behinderung und Einschränkung. Die Rampen erzeugen also Aufmerksamkeit für ein Thema, das Oberbürgermeister Rothenbacher in seiner Stadt am liebsten zügig bis in den letzten Winkel durchsetzen würde: Barrierefreiheit.
Während des Studiums, erzählt der OB, habe er selbst zweieinhalb Jahre in der Pflege gearbeitet, er hat also ein Auge für so etwas. Gemeinhin, diese Erfahrung hat er allerdings auch gemacht, seien Schwellen für viele Menschen so gut wie unsichtbar, eben weil sie achtlos darüber steigen – und das Hindernis so gar nicht richtig wahrnehmen. Die Lego-Rampen, sagt auch Rothenbacher, sollen sensibilisieren – und irgendwann am besten in einer Vitrine landen. Dann nämlich, wenn man so weit ist, dass man sie gar nicht mehr benötigt.
Fixiert mit Silikonkleber auf rutschfestem Untergrund
Die größte der vier Rampen, die nun in Betrieb gehen, misst in der Höhe 14 Zentimeter und besteht aus 17 500 Steinen. Die Rampe fürs Rathaus mit ihren 2000 Steinen ist 5,4 Zentimeter hoch. Marcel Asli hat das Projekt als Praktikant beim Kooperationspartner Regens Wagner Offene Hilfen betreut. Er berichtet, dass 50 Menschen mit und ohne Behinderung, Kinder und Alte sich an vier Abenden getroffen haben, um die Steine zusammenzusetzen. Eigentlich seien drei Abende geplant gewesen. „Aber es war doch eine ziemliche Fitzelarbeit“, sagt Asli.
Im August und September des vergangenen Jahres haben sie erst einmal die betreffenden Schwellen vermessen und dann geplant. Sie haben auch Steine bestellt, berichtet Regina Sproll von Regens Wagner, mit Geld von der Aktion Mensch, die das Projekt finanziell unterstützt hat.
Aber die meisten Steine kamen durch Spenden und wurden noch 2024 zusammengesetzt. Die folgenden Monate bis zur Übergabe an die Nutzer waren einigen Testläufen gewidmet. Im Ergebnis sind die Rampen perfekt ausgemessen und stabil – auch wenn sie nicht zertifiziert sind. Sie bestehen aus Basic-Steinen, die mit Silikonkleber fixiert wurden und einen rutschfesten Untergrund aus Bau-Granulatplatten haben. Allgemein können Lego-Rampen für Stufen in einer Höhe von maximal 18 Zentimetern angepasst werden.
Im Rathaus kam die Rampe auf dem Weg zu den Toiletten gleich gut an. Und auch vor dem Rathaus in Memmingen herrschte sogleich reger Betrieb, beim Stand mit dem Namen „Claudia Soooofteis“. Zu dem mobilen Wagen führt eine Rampe hinauf, die unten allerdings eine nicht einfach zu überwindende Stufe hat. „Ältere Menschen, das haben wir ab und zu beobachtet, hatten da bislang schon Probleme“, sagt Kerstin Pester. Sie hat die bunte Rampe aus Legosteinen deshalb gleich am Fuß der Rampe zu ihrem Eiswagen platziert. „In Zukunft“, sagt sie, „sind wir auch für ältere Menschen deutlich leichter zu erreichen.“