Süddeutsche Zeitung

Memmingen:Allgäu Airport schreibt erstmals schwarze Zahlen

  • Der Flughafen in Memmingen entwickelt sich rasant, im ersten Halbjahr 2018 lagen die Abfertigungszahlen mehr als 30 Prozent über denen des Vorjahrs.
  • Der Tourismus im Allgäu profitiert davon, denn 40 Prozent der Passagiere landen in Memmingen.
  • Nun sollen die Start- und Landebahn verbreitet, die Gepäckhalle erweitert und die Signal- und Lichtanlage erneuert werden.

Von Christian Rost, Memmingen

Mit München und Nürnberg kann es der Allgäu Airport, wie er offiziell heißt, freilich nicht aufnehmen. Der Abfertigungsbereich in einem zum Terminal umgebauten ehemaligen Wartungshangar der Luftwaffe sieht mit seinem Imbissstand und den budenartigen Filialen der Mietwagenfirmen vergleichsweise niedlich aus. Dafür kann der Flughafen Memmingen mit einer verkehrsgünstigen Lage mitten im Dreieck Stuttgart-München-Zürich punkten. Und dass von Memmingerberg ausschließlich Billigflieger starten, ist offenbar auch kein Nachteil. Der Regionalflughafen entwickelt sich zurzeit rasant in seiner Marktnische. Erstmals seit ihrem Bestehen schreibt die Betreibergesellschaft des Allgäu Airports schwarze Zahlen. Geschäftsführer Ralf Schmid erwartet, dass es weiter aufwärts geht - zumal der Flughafen ausgebaut wird. So sollen in diesem Jahr rund 1,4 Millionen Passagiere abgefertigt werden. Die Zahlen im ersten Halbjahr 2018 lagen mehr als 30 Prozent über denen des Vorjahres.

Alles ist kleiner, entschleunigter an diesem Flughafen, der seinen Zivilbetrieb im Jahr 2007 mit damals noch 172 000 Fluggästen aufnahm. Mitte der Dreißigerjahre hatten die Nationalsozialisten in Memmingerberg einen Militärflughafen gebaut, nach dem Zweiten Weltkrieg waren dort das Jagdbombergeschwader 34 "Allgäu" der Bundeswehr und eine Staffel der U.S. Air Force mit Atombomben stationiert. Nach dem Abzug der Militärs gründeten Unternehmer aus der Region die Allgäu Airport GmbH & Co. KG. Und dann startete tatsächlich vor ziemlich genau elf Jahren der erste Linienflug nach Berlin.

Derzeit sind 83 Gesellschafter am Memminger Flughafen beteiligt. 30 Millionen Euro haben sie eingebracht, um den Betrieb auch in turbulenten Zeiten aufrecht zu erhalten. Die ersten drei Jahre entwickelte sich das Geschäft gut, die Zahl der Passagiere kletterte auf mehr als 900 000. Den ersten Rückschlag brachte die Luftverkehrssteuer, und als dann noch die Ukrainekrise kam, hoben auf dem Allgäu Airport, der sich zunehmend auf Ziele in Osteuropa ausgerichtet hatte, immer weniger Flugzeuge ab. Erst 2015 stabilisierte sich die Lage, seither ist der kleine Verkehrsflughafen wieder auf Wachstumskurs.

Die Umgebung ist ländlich, Felder so weit das Auge reicht. Was bringt Unternehmer dazu, hier in einen Flughafen zu investieren, wo doch andernorts in der Provinz - wie in Hof - schon ähnliche Projekte gescheitert sind? Hoffen die Investoren im Allgäu tatsächlich darauf, dass am Ende die Rendite stimmt? "Die Gesellschafter haben in die Region investiert", sagt Ralf Schmid, "und sie haben nichts davon, jedenfalls keine Rendite." Obwohl der Allgäu Airport heuer erstmals ein "kleines positives sechsstelliges Ergebnis" erwirtschaftet, steht er noch längst nicht auf so soliden Füßen, dass er eine Dividende auszahlen könnte.

Die Gesellschafter profitieren aber indirekt vom Flugbetrieb: Es sind Gewerbeflächen rund um den Flughafen entstanden, auf denen teils auch die Gesellschafter ihre Betriebe angesiedelt haben. Besonders lohnt sich der Flugverkehr aber für den Tourismus im Allgäu. Die Zahl der Gäste hat im Zehn-Jahres-Vergleich um 50 Prozent zugenommen. Sechs Fluggesellschaften, zuvorderst Ryanair und Wizz, bieten von Memmingen aus Verbindungen zu 45 Zielen in Europa, Afrika und Asien an. Es geht nach Moskau, Kutaissi, Hurghada, Marrakesch, London und Stockholm - und besonders häufig gen Osten: Warschau, Lemberg, Kiew, Belgrad, Sofia, um nur einige Ziele zu nennen.

Die Low-Cost-Airlines konzentrieren sich auf Strecken, die nicht nur in einer Richtung gut gebucht sind. Um ihre Flugzeuge auszulasten, werben sie an ihren Stützpunkten im Ausland auch intensiv für das Ziel Memmingen. Das funktioniert offenbar. 40 Prozent der Passagiere am Allgäu Airport sind sogenannte Incoming Guests, also Leute, die in Memmingerberg landen. Das sind Geschäftsleute oder Arbeiter, vor allem aber sind es Urlauber, die es nach München, Neuschwanstein, ins Legoland und bald auch in den Center Park Allgäu zieht. Auch die österreichischen Touristiker wissen den Flughafen trefflich zu nutzen. "Gäste aus Moskau werden hier direkt von Tiroler Hoteliers abgeholt", berichtet Schmid. "Wir sind über die Region hinaus gewachsen."

Die Zahl der Passagiere wird auch in den nächsten Jahren kräftig steigen, da ist sich der Geschäftsführer sicher. Die Marke von zwei Millionen Passagieren sei nicht unrealistisch, sagt er. Seit der Ausbau des Flughafens beschlossen ist, Fördergelder des Freistaats in Millionenhöhe von der EU genehmigt wurden und Flughafengegner vergebens gegen das Vorhaben geklagt haben, kann diese Entwicklung kaum noch etwas stoppen.

Im September soll der Spatenstich erfolgen für die Verbreiterung der Start- und Landebahn von 30 auf 45 Meter. Zudem wird die Signal- und Lichtanlage, die Befeuerung, erneuert. Um die Kapazitäten auszuweiten, wird auch die Gepäckhalle erweitert. Rund 21 Millionen Euro soll der Ausbau nach der aktuellen Kalkulation kosten. 17 Millionen waren ursprünglich veranschlagt, doch die Baukosten seien mittlerweile exorbitant gestiegen, sagt Schmid. Der Freistaat soll das Projekt mit knapp 15 Millionen Euro bezuschussen, damit in Memmingerberg künftig auch große Maschinen wie die Boing 737 und der Airbus A320 bei schlechten Witterungsverhältnissen landen können. Bisher ist das nicht möglich, die Maschinen müssen bei Eis und Nebel nach Stuttgart oder München ausweichen. Mit dem Ausbau wird der Allgäu Airport zum vollwertigen Verkehrsflughafen. "Wir schütteln das militärische Korsett ab", sagt Schmid.

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SZ vom 07.08.2018/baso
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