Süddeutsche Zeitung

Finanznot:Allgäu Airport kämpft ums Überleben

  • Liquiditätsprobleme beim Allgäu Airport: Der Flughafen musste offenbar Ende 2014 einen Zwischenkredit aufnehmen.
  • Altlasten plagen den Flughafen, darunter verseuchtes Trinkwasser.
  • Politiker fordern einen "tragfähigen Wirtschaftsplan".

Von Stefan Mayr, Memmingen

Altlasten und Geldsorgen

Der Allgäu Airport hat offenbar massive Liquiditätsprobleme und musste deshalb Ende des Jahres 2014 einen Zwischenkredit in siebenstelliger Höhe aufnehmen. Dies bestätigen übereinstimmend gut informierte Personen aus Politik und Wirtschaft. Nach deren Angaben zahlten die zwei beteiligten Banken ihre Darlehen nur unter verschärften Bedingungen aus. So müsse der Privat-Flughafen im Jahr 2015 einen tragfähigen Wirtschaftsplan vorlegen, aus dem hervorgeht, wie der stetig wachsende Schuldenberg abzutragen ist.

Zusätzlich drücken den drittgrößten Flughafen Bayerns Altlasten, die aus der Vergangenheit als Bundeswehr-Fliegerhorst stammen. Der Süddeutschen Zeitung liegen Unterlagen vor, wonach das Grundwasser unter der Start- und Landebahn mit per- und polyfluorierten Tensiden (PFT) belastet ist. Eine Untersuchung des Wasserwirtschaftsamtes Kempten ergab, dass die vermutlich krebserregenden Stoffe langfristig die Trinkwasserversorgung der benachbarten Gemeinde Ungerhausen gefährden.

Grundwasser soll verseucht sein

Das Landratsamt Unterallgäu forderte deshalb die Kommune in einem Schreiben auf, ihr Trinkwasser regelmäßig auf PFT zu untersuchen. Zwar wurden im Trinkwasserbrunnen der Gemeinde noch keine Schadstoffe nachgewiesen. Aber die Behörde betont, "dass sich die Schadstofffahne in Richtung Wasserversorgungsanlage der Gemeinde Ungerhausen bewegt".

Ungerhausens Bürgermeister Hans Dauner schlägt Alarm: "Das wird früher oder später bei uns ankommen, da geht es um unsere Lebensgrundlage." Er befürchtet, dass die Gemeinde eine teure Filteranlage einbauen muss. Deshalb hat er Widerspruch gegen die Entwässerungs-Genehmigung des Flughafens eingelegt.

PFT wurden früher dem Löschschaum der Flughafen-Feuerwehr beigemengt. Bei den regelmäßigen Übungen gerieten die Substanzen jahrelang in das Erdreich. Der Flughafen Nürnberg hat ein ähnliches Problem, dort werden die belasteten Flächen derzeit aufwendig abgetragen. "PFT baut sich nicht ab und reichert sich im Körper an", sagt Ungerhausens Bürgermeister Dauner.

Der Unterallgäuer Landrat Hans Joachim Weirather (Freie Wähler) betont, dass in Memmingen keine Gefahr für die Bevölkerung bestehe: "Wir begleiten die Beseitigung der Altlasten auf dem Flughafen-Areal seit Jahren, wir haben alles Notwendige für die Sicherheit der Bevölkerung unternommen."

Dieter Buchberger von der Memminger "Bürgerinitiative gegen Fluglärm" widerspricht dem nicht. Allerdings sieht er angesichts der Altlasten und der allgemeinen Situation des Flughafens ein ganz anderes Problem: die drohende Insolvenz. "Der Airport muss für die Beseitigung der Altlasten aufkommen und erhebliche Rückstellungen bilden", sagt Buchberger. Diese Rückstellungen würden die Bilanz zusätzlich belasten. "Meiner Meinung nach brauchen die Gesellschafter dringend einen Investor oder müssen Insolvenz anmelden."

Buchberger ist Ingenieur und lehrt als Professor an der Fakultät für Produktionstechnik der Hochschule Ulm. Ihm zufolge ist die Genehmigung für die Entwässerung des Flughafen-Geländes abgelaufen. Er rechnet mit einem zusätzlichen Investitionsbedarf in Höhe von 13 bis 15 Millionen Euro. "Damit ist der Airport nach meiner Beurteilung endgültig überschuldet", sagt Buchberger, "die Geschäftsführung müsste sich dann fragen, ob sie sich der Insolvenzverschleppung schuldig macht."

Die Geschäftsführung möchte sich nicht äußern

Airport-Geschäftsführer Ralf Schmid wollte auf Anfrage weder die Zwischenkredite noch die Altlasten kommentieren. In der Vorwoche hatte er auf einer Pressekonferenz Spekulationen um Finanzprobleme noch zurückgewiesen: "Früher haben sich die Flughafengegner wegen des Lärms beschwert, jetzt wollen sie uns die Wirtschaftlichkeit absprechen." Schmid betont, der Flughafen mache jedes Jahr einen operativen Gewinn. Lediglich die Tilgung der Schulden treibe das Betriebsergebnis ins Minus.

Die Frage nach der Höhe der Verbindlichkeiten beantwortet Schmid stets ausweichend: "Im Vergleich zu Nürnberg stehen wir sehr gut da." Das mag in absoluten Zahlen stimmen, laut Jahresabschluss 2013 betrug der Schuldenstand in Nürnberg 120 Millionen Euro, der in Memmingen 14,9 Millionen. Allerdings stehen in Franken den Verbindlichkeiten auch ungleich mehr Eigenkapital und Anlagevermögen gegenüber.

Nach Buchbergers Einschätzung ist die Bilanz des Allgäu Airports längst in Schieflage geraten - das würde auch den kurzfristigen Zwischenkredit erklären. Über dieses Darlehen will auch kein Politiker offen sprechen. "Die Gesellschafter sind auf die Banken zugegangen und haben gesagt, wir brauchen zur Überbrückung Geld", berichtet ein CSU-Mann, der tiefen Einblick in den Überlebenskampf des Flughafens hat. Die Geldhäuser hätten zunächst wenig Lust verspürt, ein riskantes Darlehen zu geben.

Doch die Gesellschafter - darunter etliche namhafte Unternehmer der Region - spreizten sich mächtig ein, und überredeten die Banker. "Jetzt muss bis Mitte 2015 ein tragfähiger Wirtschaftsplan her, der den Weg in die Zukunft weist", sagt der CSU-Politiker. Ein Kollege bestätigt die Vorgänge, stellt die Situation aber positiver dar: "Es geht hier um ein Finanzierungsmodell, das dem Flughafen einen zeitlichen Spielraum gibt, um einen potenten Investor zu finden."

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SZ vom 02.01.2015/vewo
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