In manchen Hörsälen der Universität Regensburg könnte es kommende Woche eng werden: Dann beginnen dort 110 zusätzliche Medizinstudentinnen und -studenten. Sie haben sich für „Medizin Niederbayern“ eingeschrieben, einen neuen Studiengang, der die angehenden Ärzte für den praktischen Teil der Ausbildung an Kliniken in ganz Niederbayern schickt. Im besten Fall bleibt ein Teil dann auch langfristig in der Region, so die Hoffnung. Denn schon heute fehlen dort Ärzte. „Der MedizinCampus versteht sich auch als Einladung an die Studierenden, nach ihrem Abschluss als Ärztinnen oder Ärzte in Niederbayern zu praktizieren“, heißt es auf der Infoseite der Universität Regensburg. Im Auswahlverfahren allerdings dürfen Unis sich nicht auf Kandidaten aus der Region beschränken. Die Abinote blieb auch in Regensburg mit 55 Prozent das wichtigste Kriterium. Immerhin 30 Prozent zählte aber auch ein persönliches Interview. Eine Umfrage der SZ zeigt: Auch für Studierende von weiter her ist das Programm attraktiv.
„Vielleicht kann ich einen kleinen Unterschied machen“
Anna-Maria Gotowos, 20 Jahre, aus Hamburg: „Dass ich als Hamburgerin in Regensburg und den bayerischen Landkliniken studieren will? Wahnsinn, oder? Aber mich hat es nun mal nach Süden gezogen, Richtung Berge. Mir gefällt auch das Konzept gut, dass wir in den ländlichen Kliniken ausgebildet werden. Große, vollausgestattete Häuser habe ich in meiner Zeit als Rettungssanitäterin in Hamburg schon kennengelernt. Da ist immer alles parat. Patienten werden hin- und hergeflogen. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass oft nur die Symptome, nicht die Ursache von Krankheiten behandelt werden. Ich kann mir darum vorstellen, Richtung Landärztin zu gehen. Ich möchte meine Patienten längerfristig begleiten, möchte Kindern beibringen, Sport zu machen. Das klingt wahrscheinlich sehr idealistisch. Aber vielleicht kann ich einen kleinen Unterschied machen. Ich bin die Erste in der Familie, die Medizin studiert. Der Wunsch kommt von ganz tief, aus persönlichen Sachen, Krankheit in der Familie und so. Vor der bayerischen Provinz fürchte ich mich nicht. Regensburg hat mir auch gleich gefallen. Im Sommer saßen alle an der Donau.“
„Ich bin ein Landmensch“
Lisa Hacker, 19 Jahre, aus Schöllnach: „Von meinem NC und dem Mediziner-Test her hätte ich die freie Wahl gehabt. Ich habe mich aber bewusst für das Studium am Medizincampus Niederbayern entschieden, weil ich nach dem Studium an das Deggendorfer Krankenhaus gehen will. Dort habe ich schon ein Praktikum und mein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht. Mich zieht es nicht nach München oder in andere Städte. Ich bin ein Landmensch. Ich komme aus Schöllnach, einem 4000-Einwohner-Ort 30 Kilometer von Deggendorf entfernt. In der Freizeit gehe ich als Leistungssportlerin in die Berge. Im Riesenslalom habe ich 2015 Gold bei den Bundeswinterspielen geholt. Der Wunsch Ärztin zu werden, ist bei mir im Biologieunterricht entstanden – als wir in der neunten Klasse Schweineaugen sezierten. Das hat mich total fasziniert. Nun darf ich meinen Traum – das Medizinstudium an der Universität Regensburg – antreten. Ich habe sogar schon einen Job als studentische Hilfskraft in der Arbeitsgruppe von Frau Prof. Dr. Silke Härteis, die ich im Auswahlgespräch kennengelernt habe. Ich werde außerdem durch ein Stipendium vom Klinikum Deggendorf unterstützt. Dafür habe ich mich verpflichtet, nach dem Studium drei Jahre dort zu arbeiten. Mir gefällt die Idee. Ich kenne dort jetzt schon viele nette Kollegen. Und es ist ein eher kleines ländliches Krankenhaus. Dadurch ist alles heimischer dort.“
„Eine Ausbildung in ländlichen Krankenhäusern finde ich spannend“
Gabi Obermeyer, 29, aus Bayreuth: „Ich habe mich bei vielen anderen Unis beworben, aber Regensburg war in meiner Prio-Liste weit oben. Ich bin glücklich damit: Die Stadt ist schön. Die Uni selbst nicht so sehr, aber man kann da gut Medizin studieren. Und es ist nicht unendlich weit weg von zu Hause. Gestern hatten wir unsere ersten Ersti-Seminare. Wir sind durch die Stadt gezogen, haben getrunken, viel gelacht. Alles gut gelaufen. Die Idee des Medizincampus, dass man die Ausbildung in ländlichen Krankenhäusern macht, fand ich spannend. Ich komme aus Bayreuth, habe aber viel Verwandtschaft in Straubing, vielleicht bietet sich also das Klinikum Straubing für mich an. Dass man sich für diesen Studiengang auch per Interview bewerben und im Bewerbungsgespräch Punkte sammeln konnte, hat mir außerdem eine Chance gegeben. Ich weiß nicht, ob es ohne Interview geklappt hätte. Ich habe ein gutes Abi, aber für Medizin hat es trotzdem zunächst nicht gereicht. Darum habe ich erst mal in Bayreuth eine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht und mehr als zwei Jahre in dem Beruf gearbeitet. Ich freue mich jetzt, dass ich noch mal studieren darf. Ich möchte das jetzt ausprobieren. Ich würde es bereuen, wenn ich es nicht tun würde.“
„Egal, wo ich einen Studienplatz bekomme: Ich ziehe dahin“
Janna Bertram, 19 Jahre, aus Ennepetal in NRW: „Ich bin in Regensburg gelandet, weil ich hier einen Platz bekommen habe. Man kann bei der Bewerbung ja Prioritäten angeben. Da hatte ich die Unis in NRW höher in der Liste eingestuft. Regensburg kam aber gleich danach. Die Uni ist mir bei meinem Freiwilligen Sozialen Jahr empfohlen worden. Ich habe in einem Krankenhaus in der Nähe von Dortmund gearbeitet. Die Ärzte dort sagten, Regensburg sei gut für Medizin. Der Anfang war natürlich ein wenig schwer: Der Abschied von meinen Eltern, die mit mir das Apartment eingerichtet haben. Aber ich wollte schon als kleines Kind Ärztin werden. Mir war klar: Egal, wo ich einen Studienplatz bekomme: Ich ziehe dahin. Und hier an der Uni sind alle freundlich und nett: Gestern haben wir schon eine kleine Einführung bekommen und danach eine Stadtrallye. Ob ich allerdings Landärztin werden will, weiß ich noch nicht. Ich komme aus einem eher kleinen Ort in NRW: Ennepetal liegt eine Stunde von Dortmund und hat etwa 30 000 Einwohner. Ich wollte jetzt unbedingt in eine etwas größere Stadt wie Regensburg. Das ist das Schöne an diesem Programm: Anders als bei der Landarztquote muss man sich nicht vertraglich verpflichten, aufs Land zu gehen, sondern ist da ein wenig flexibel.“
„Ich kann mir auch gut vorstellen, hier in der Region zu bleiben“
Annika Burkard, 20 Jahre, aus Kaufbeuren im Allgäu: „Das Studium am Medizincampus Niederbayern war meine Chance, weil hier zählt bei der Zulassung nicht nur das Abi und der Mediziner-Test, sondern auch ein persönliches Interview. Da habe ich gut abgeschnitten und so konnte ich hier anfangen. Sonst hätte ich vielleicht noch warten müssen. Wer Medizin studieren will, muss hartnäckig sein. Hier sind viele auch schon ältere Studenten, die bereits lange auf einen Platz gewartet haben. Mit meinem Schnitt von 1,8 hatte ich mich auch schon darauf eingestellt. Nach dem Abi habe ich erst mal eine Ausbildung zur Operationstechnischen Assistenz begonnen, um Punkte fürs Studium zu sammeln. Dann habe ich im Radio von dem neuen Studiengang gehört. Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob ich mich überhaupt bewerben darf. Denn es hieß, dass sich das Programm an Abiturienten aus Niederbayern richtet. Es steht aber allen offen. Ich bin jetzt sehr glücklich, dass ich hier studieren darf, nur zweieinhalb Stunden von meiner Heimat im Allgäu entfernt. Ich kann mir auch gut vorstellen, hier in der Region zu bleiben. Ich habe Großeltern in Franken, meine Eltern leben im Allgäu. In Bayern kann man doch alles schnell erreichen. Für ein Medizinstudium hätte es mich auch weiter weg verschlagen können.“