Medizinische Betreuung:Kliniken sehen noch keinen Wendepunkt in der Pandemie

Coronavirus - Intensivstation

Eine Intensivpflegerin versorgt einen nicht-infektiösen Patienten im Koma. Am Freitag wurden in bayerischen Kliniken 1791 Covid-19-Patienten stationär behandelt. Mitte Januar waren es noch mehr als 4200 gewesen.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Zwar ist die Zahl der Covid-19-Patienten zurückgegangen, manche Landratsämter melden aber weiterhin, dass die Intensivbetten knapp werden. Hauptinfektionsquelle ist das private Umfeld.

Von Dietrich Mittler, Lisa Schnell und Christian Sebald

Auch wenn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die zweite Corona-Welle für "besiegt" erklärt hat, die Krankenhäuser im Freistaat wollen längst noch nicht von Entwarnung sprechen. Zum einen liegt dies daran, dass sie die von Söder zum Ausdruck gebrachte Sorge vor einer dritten Welle teilen. Zum anderen aber auch daran, dass durch die Zahl der Covid-19-Patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen, in den Kliniken immer noch in hohem Maße Kapazitäten gebunden sind.

"Der Druck auf die Covid-Intensivstationen ist weiterhin sehr hoch und nahm in den letzten Tagen sogar noch zu", sagt Bernhard Graf, der stellvertretende Ärztliche Direktor des Uniklinikums Regensburg. Auch die Verantwortlichen des Uniklinikums in Erlangen betonen, es sei "noch zu früh, von einem klaren Wendepunkt zu sprechen". Viel zu unklar sei augenblicklich, "in welcher Phase der Corona-Pandemie wir jetzt sind und in welche Richtung sich alles entwickelt", wie Heinrich Iro, der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Erlangen, betonte. Die Sorge vor der weitaus ansteckenderen britischen Virus-Mutante B.1.1.7 treibt alle Klinikchefs um. "Da mussten wir jüngst sehr unangenehme Erfahrungen machen", sagt Roland Engehausen, der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. Am Klinikum Bayreuth konnte der Ausbruch der britischen Corona-Variante in der zweiten Februarwoche zwar eingedämmt werden, doch mit Blick auf ganz Bayern ist die Gefahr längst nicht gebannt.

Seit Wochen sind die Grenzregionen besonders stark betroffen, was wohl auch am hohen Anteil der britischen Virusvariante liegt. Im Landkreis Regen lag der Anteil der Mutante zuletzt bei 72 Prozent, in Neustadt an der Waldnaab um die 60 Prozent. Auf die Belegung der Intensivbetten wirkt sich dies offenbar nicht überall gleich aus. Im Landkreis Freyung-Grafenau etwa hat es seit Beginn des Jahres nach Angaben des Landratsamts zu keiner Zeit ein Kapazitätsproblem gegeben. Von den 18 verfügbaren Intensivbetten waren maximal acht zeitgleich mit Covid-Patienten belegt.

Im Kreis Regen sind derzeit 82 Prozent der Intensivbetten belegt, eine kleine Verbesserung zu den Vormonaten Januar und Dezember, wo zusätzliche Intensivstationen aufgebaut werden mussten. "Sehr angespannt" ist die Lage dagegen derzeit im Kreis Schwandorf. "Die Betten für Covid-Patienten werden knapp", teilte das Landratsamt mit. Dabei habe sich das Durchschnittsalter der Personen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen, deutlich gesenkt. Vor einigen Wochen lag es noch bei über 80 Jahren, nun liegt es bei rund 65 Jahren. Dies hängt womöglich auch mit den Impfungen in Altenheimen zusammen. Die meisten Landkreise in Grenznähe geben an, dass die Infektionszahlen und Todesfälle in Heimen seit den Impfungen drastisch gesunken sind. Im Landkreis Regen etwa sind die Todesfälle in Altenheimen auf null zurückgegangen.

Clemens Wendtner, der Chefarzt der München Klinik Schwabing, der bereits seit Bayerns erstem Corona-Fall in den Kampf gegen den Erreger Sars-CoV-2 eingebunden ist, drängt darauf, beim Impfen die "Geschwindigkeit extrem zu erhöhen". An die Bürgerinnen und Bayern appelliert er, diszipliniert zu bleiben. Zwar sei nachvollziehbar, wie sehr sich alle "ein normales Leben zurückwünschen. Aber: "Freiheit, Kultur, Erwerbsmäßigkeit, doch auch Gesundheit sind so wichtige Werte und Güter - und das Virus spielt diese gnadenlos gegeneinander aus", sagt er. Da müsse die Gesellschaft weiterhin zusammenstehen.

Die aktuellen Belegungszahlen der Intensivstationen in Bayerns Krankenhäusern mögen - verglichen zu jenen am Jahresanfang - durchaus manche Menschen zum Leichtsinn verführen. Wie das Gesundheitsministerium mitteilt, wurden am Freitagnachmittag 1791 Covid-19-Patienten stationär behandelt, davon 404 intensivmedizinisch. Das sind wesentlich weniger als Mitte Januar. Da meldeten die Kliniken noch mehr als 4200 Covid-19-Patienten, die stationär behandelt werden mussten - 757 davon in Intensivbetten. Mittlerweile melden auch Häuser, die durch Covid mehr als andere gefordert waren, eine gewisse Entspannung.

So etwa das Klinikum Passau: "Die Zahl der Corona-Patienten ist zum Glück auch bei uns rückläufig", heißt es dort. Und ja, es könnten wieder OP-Termine für planbare Eingriffe vereinbart werden. Auch aus dem Uniklinikum Augsburg, das durch hohe Infektionszahlen gefordert war und nun gegenüber Tschechien die Bereitschaft signalisiert hat, intensivpflichtige Covid-19-Patienten zu übernehmen, heißt es: "Im Moment sind die Zahlen weitestgehend stabil." Das sei gut so, denn es bestehe bezüglich anderer Erkrankungen "ein erheblicher Behandlungsstau".

Und dennoch, Bayern hat Corona noch lange nicht im Griff. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) meldete, Stand Freitag, 1844 Neuinfektionen gegenüber dem Vortag, die Zahl der Menschen, die an oder mit Corona gestorben sind, erhöhte sich um 33 und die Sieben-Tage-Inzidenz lag bei 71,43 Infektionen je 100 000 Menschen. Zwar haben sich damit alle drei Kennziffern im Vergleich zum Höhepunkt der Pandemie Anfang des Jahres mehr als halbiert. Aber seit Mitte Februar ist die Zahl der Neuinfektionen in Bayern wieder signifikant angestiegen - und so auch die Inzidenzzahl. Das LGL nennt zwei Hauptinfektionsquellen: das private Umfeld, vor allem innerhalb von Haushaltsgemeinschaften, und der Arbeits- oder der Ausbildungsplatz.

Das deckt sich mit den Erfahrungen vieler Gesundheitsämter im Freistaat. Das Gesundheitsamt im Kreis Miesbach etwa meldete schon Anfang vergangener Woche, dass die hauptsächlichen Infektionsorte in der Region aktuell Familien beziehungsweise Haushaltgemeinschaften sind. "Das größte Familien-Cluster umfasst derzeit acht Personen", hieß es von der Behörde. Auch bei der Arbeit komme es immer wieder zu größeren Infektionsclustern. Im Berchtesgadener Land ist die Situation ähnlich. Nach Angaben des dortigen Gesundheitsamts haben die steigenden Infektionszahlen in der Region ihren Ursprung ebenfalls hautsächlich im familiären Bereich und bei privaten Zusammenkünften.

Allerdings betont das LGL, dass es bei vielen Infektionen keinerlei Informationen zur Infektionsquelle oder dem Infektionsort gibt. "Der Grund ist ein ganz einfacher", sagte eine Sprecherin. "Die Betroffenen können sich nicht erinnern, wo die Infektion stattgefunden hat."

Zur SZ-Startseite
Coronavirus - Schnelltests von Lehrerinnen und Lehrern

SZ PlusLockerungsstrategien
:Testen, aber schnell

Weil die Impfkampagne nur langsam vorankommt, kauft der Freistaat Bayern bis Ende Juni 100 Millionen Testsets. Auch in Ingolstadt will SPD-Oberbürgermeister Christian Scharpf nicht mehr länger warten und schreitet mit der Stadt voran.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: