Zukunft der Landwirtschaft:Bauern attackieren BR-Journalistin

Landwirte demonstrieren in München gegen Agrarpolitik der Bundesregierung, 2019

In München haben im Oktober Tausende Landwirte gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung demonstriert.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Im Fernsehen spricht die Agrarexpertin Christine Schneider über die Proteste der Landwirte und wird daraufhin scharf kritisiert. Der Fall zeigt, wie aufgeheizt die Debatte ist.

Von Christian Sebald

Die Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft ist so aufgeheizt, dass auch Journalisten schnell zwischen die Fronten geraten und manche schon die Pressefreiheit in Frage stellen. Das erlebt dieser Tage die Agrarjournalistin des Bayerischen Rundfunks, Christine Schneider. Im Internet läuft eine Petition, in der die Abberufung der Expertin gefordert wird. Der Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV), Walter Heidl, hat sich schriftlich beim BR über Schneider beschwert. Und BBV-Generalsekretär Georg Wimmer erklärt in der Verbandszeitung, dass "vom BR (...) Stadt und Land gezielt gegeneinander ausgespielt" würden.

Grund der Attacken ist ein Interview, das Schneider am Abend des 22. Oktober der BR-Rundschau über die deutschlandweiten Bauernproteste am selben Tag gegeben hat. Schneider stellte darin einen Zusammenhang her zwischen den hohen Zahlungen der EU an die Bauern - deutschlandweit betragen sie fünf Milliarden Euro pro Jahr - und Forderungen nach einer umwelt- und tierfreundlichen Landwirtschaft. Außerdem sprach sie davon, dass der Bauernverband, der sich als wichtigste Organisation der Landwirte in Bayern und Deutschland sieht, von den Protesten überrascht worden sei und sich womöglich viele Landwirte von ihm nicht mehr richtig vertreten fühlten. Und schließlich sagte sie, dass die Biobauern aus ihrer Sicht nicht hinter den Protesten stünden, sondern die Forderungen nach einer nachhaltigen Landwirtschaft teilten. Als Beleg führte sie eine Kundgebung für eine umwelt- und tierfreundliche Landwirtschaft in Straßburg an, die ebenfalls am 22. Oktober stattfand, und nannte sie eine Gegendemo zu den Protesten in Deutschland.

Titel: Unser Land; Untertitel: Moderatorin Christine Schneider;

Agrarexpertin Christine Schneider verantwortet seit 21 Jahren die Sendung "Unser Land".

(Foto: Julia Müller/BR)

Schneiders Worte haben die Agrarszene wohl auch deshalb so hart getroffen, weil sie nicht irgendeine Journalistin ist. Schneider ist das Gesicht der Berichterstattung des BR über die Landwirtschaft. Sie ist Vize-Leiterin der BR-Redaktion "Landwirtschaft und Umwelt" und verantwortet seit 21 Jahren die Agrarsendung "Unser Land". Das Magazin ist für viele Bauern Pflicht, auch wenn es sich immer wieder kritisch mit der Landwirtschaft auseinandersetzt und alle möglichen Aspekte nachhaltigen Wirtschaftens thematisiert.

Offenbar noch am Abend des 22. Oktober wurde die Online-Petition mit der Forderung nach Schneiders Abberufung gestartet. Unter dem Titel "Absetzung von Christine Schneider im BR als Mitglied der Landwirtschaftsredaktion" heißt es: "Frau Schneider Sie sind anscheinend der Meinung dass Landwirtschaft nicht Nachhaltig(!) ist. (. . .) Bitte verlassen Sie den Posten wenn Sie nichts von Landwirtschaft verstehen." Bis Montagnachmittag haben dem Internetportal zufolge mehr als 5000 Unterstützer die Forderung unterzeichnet.

Der BBV distanziert sich von der Petition. "Das ist nicht unser Stil", sagt ein Sprecher. Aber seine Kritik ist nicht weniger scharf als die im Internet. Schneider habe "aus Landwirten reine Subventionsempfänger gemacht - für die logischerweise noch mehr Regeln und Verbote zu gelten hätten", schreibt Generalsekretär Wimmer in der Verbandszeitung. Auch sei die Demo für nachhaltige Landwirtschaft in Straßburg keine Gegenkundgebung zu den Bauernprotesten, sondern lange geplant gewesen. Wimmers Fazit: "Eine solche Art der Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nicht hinnehmbar."

Der BR weist die Internetpetition zurück. "Diese Forderung ist mit der Pressefreiheit nicht vereinbar", sagt BR-Informationsdirektor Thomas Hinrichs. Der BR berichte gemäß seines Auftrags unabhängig über alle Themen, die für die Menschen in Bayern relevant seien. Diesen Freitag plant der BR eine Sondersendung von "Unser Land". Unter der Moderation von Tilman Schöberl diskutieren die BR-Journalistin Schneider, Agrarministerin Michaela Kaniber, Bauernpräsident Heidl und weitere Experten eine Stunde über die Landwirtschaft in Bayern und die Stimmung unter den Bauern.

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