Medienbildung:Mehr Mut zu Unterricht mit und in sozialen Medien

Beim sechsten Lehrermedientag der bayerischen Zeitungen appellieren die Referenten an Pädagogen, die Stärken der Schule bewusst zu leben und Unterricht auch mal in soziale Netzwerke zu verlegen.

Von Anna Günther

Das System Schule ist nicht nur in Bayern ein hierarchischer Kosmos, große Freiheiten sind selten. Vor diesem Hintergrund war es schlüssig, dass die Referenten des sechsten bayerischen Lehrermedientages am Mittwoch als Mutmacher und Ideengeber wirkten. "Lehrer müssen die Angst ablegen, etwas nicht zu können", sagte etwa Bob Blume, Bildungsinfluencer und Gymnasiallehrer aus Baden-Württemberg. Pädagogen müssten sich davon lösen, dass bei der Digitalisierung alles sofort funktionieren muss. "Grundschülern gibt man auch kein Alphabet und erwartet, dass sie sofort schreiben können." Dirk von Gehlen, Journalist und Direktor des Think Tank am SZ Institut, appellierte an die Pädagogen, Dinge auszuprobieren, die als undenkbar gelten.

Der Appell für mehr Mut kam auf dieser per Livestream aus München ins Land gesendeten Veranstaltung der bayerischen Zeitungen in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit immer wieder. Klar, die 500 angemeldeten Lehrer dürften jene sein, die offen sind für Neues. Aber sie können ihre zaghafteren Kollegen mitnehmen und Vorbild sein.

"Was soziale Netzwerke von Schulen lernen können", lautete der Titel von Gehlens Vortrag. Die Antwort dürfte bei den Fortbildungsteilnehmern gut angekommen sein: eine Menge. Schulen seien bei Medienkompetenzvermittlung besser als ihr Ruf, sagte Gehlen. Das zeigten Studien, in denen sich die 14- bis 29-Jährigen als deutlich kompetenter einschätzen als ihre Großelterngeneration. "Das Engagement der Lehrer trägt also Früchte."

Entsprechend wichtig sei, was Lehrkräfte den Schülern vermitteln sollten, damit diese im digitalen Raum mithalten können: Strategien für Überforderung, Debattenkultur und einen gepflegten Umgang miteinander. Schüler müssen sich am nächsten Tag wieder begegnen, anders als in sozialen Netzwerken, in denen Standpunkte ungefiltert rausgehauen werden, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.

Wichtig sei der Umgang mit anderen Meinungen, sagte Gehlen, denn Debatten und Meinung hätten sich verändert. Meinung seien nicht mehr "Vorschläge" in einer Diskussion, an deren Ende man Kompromisse findet oder überzeugt, sondern Ausdruck der Persönlichkeit und Identität. Menschen verschanzen sich dahinter und Diskussion verfestige dieses Gegeneinander nur. Damit umzugehen und andere Sichtweisen gelten zu lassen, müssten Jugendliche in der Schule lernen.

Der Gymnasiallehrer Blume lieferte Beispiele, wie Lehrkräfte und Schüler in Social Media mitmischen und dabei Lehrpläne umsetzen können. Er ließ die Argumente einer lokalen Facebook-Gruppe erörtern, die sich über "Fridays for Future" aufregte. Danach schrieben die Schüler einen Blogbeitrag, der in die Facebook-Gruppe gestellt wurde und zu einer produktiven Diskussion geführt habe. Die Schüler wurden so zu Teilnehmern der öffentlichen Diskussion und spürten Selbstwirksamkeit, ein nicht zu unterschätzender Motivator. Oder seine Klasse ergänzte den Wikipedia-Eintrag zu Thomas Manns Buch "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull". "Dafür müssen sie den Artikel wirklich gut lesen, um Fehler oder Lücken zu finden", sagte Blume. Und das Buch gut gelesen haben.

Für derlei Projekte brauche Schule Raum: für Schüler, um ihre Expertise zu zeigen. Für Lehrer, um sich vom Lehrplan zu entfernen und Unterricht mit örtlichen Zeitungen oder sozialen Medien zu machen.

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