Medien:Warum es zwei Versionen eines Söder-Interviews gibt

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"Ich bin kein nachtragender Mensch." Das hat Markus Söder gerade der Bunten in einem Interview verraten. (Foto: dpa)

Die zehn Jahre unter Seehofer waren sehr gute Jahre, sagt Bayerns designierter Ministerpräsident im Donaukurier. In der Passauer Neuen Presse klingt das etwas anders.

Von Sebastian Beck, München

Waren die zehn Jahre unter Ministerpräsident Horst Seehofer nun gute oder sehr gute Jahre für Bayern? Diese Frage ist auch nach dem großen Interview des Donaukuriers und der Passauer Neuen Presse mit Markus Söder am Dienstag nicht abschließend beantwortet. Denn von dem Gespräch mit Bayerns designiertem Ministerpräsidenten existieren zwei gedruckte Versionen - ein Kuriosum: In der PNP heißt es "gute Jahre", im Donaukurier "sehr gute Jahre".

Das ist freilich nicht der einzige Unterschied. Die beiden Texte weichen an vielen Stellen erheblich voneinander ab. Der Grund dafür ist schlicht: Die PNP druckte aus Versehen die unautorisierte Fassung ab. Chefredakteur Ernst Fuchs gibt sich zerknirscht: Die Angelegenheit sei "irgendwie peinlich", sagt er. "Das darf nicht mehr passieren."

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Dass Interviews mit Politikern autorisiert werden, zählt zumindest in Deutschland zum durchaus umstrittenen Standard, auch in der SZ. Die Praxis zieht regelmäßig Streit nach sich, wenn Politiker oder ihre Pressesprecher ganze Passagen umschreiben oder streichen wollen. Dann gibt es für die Redaktionen drei Möglichkeiten: Sie können die Änderungen akzeptieren, einen Kompromiss aushandeln oder den Text wegschmeißen, was gelegentlich auch vorkommt.

Nicht alle gehen so weit, wie einst der Sprecher von Bayerns SPD-Chefin Renate Schmidt, der sich ins Interview mit der SZ gleich eine neue Frage reinschreiben wollte. Auch im Bayernteil der SZ stand schon einmal ein nichtautorisiertes Interview mit Landwirtschaftsminister Josef Miller zu lesen, weil die Redaktion die Versionen verwechselt hatte.

Abgesehen von einem Wutanfall seines Sprechers zog der Text keinerlei Konsequenzen nach sich. Berüchtigt unter Journalisten waren die Interviews mit Edmund Stoiber, dessen Berater stets mit großem Eifer daran gingen, auch die letzten Reste von Authentizität aus den ohnehin schon dürren Texten zu radieren, meist mit der Begründung, die Journalisten hätten das Gespräch nicht sorgfältig zusammengefasst.

Insofern ist es durchaus normal, wenn eine Zeitung wie der Donaukurier ein autorisiertes Interview druckt. Weniger normal ist, dass man am selben Tag die Ausgangsversion in der Passauer Neue Presse lesen kann. Das liegt daran, dass beide Zeitungen inzwischen zu einem Unternehmen gehören und auch inhaltlich kooperieren, allerdings noch nicht ganz reibungslos.

Jedenfalls lässt sich anhand der beiden Versionen ablesen, wie der Textvorschlag verändert wurde. Frage: "Haben Sie schon Ideen für Ihr Kabinett?" Söders Antwort in der PNP: "So etwas macht man erst, wenn man gewählt ist. Das ist auch eine Respektsfrage vor Horst Seehofer. Ich werde das auch mit ihm abstimmen." Söders Antwort im Donaukurier: "So etwas macht man erst, wenn man gewählt ist. Ich habe mir darüber noch keine Gedanken gemacht." Der Respekt und die Abstimmung mit Seehofer sind beim Autorisieren irgendwie verloren gegangen.

Frage: "Aber beim Parteitag war schon eine Menge inszeniert?" Söders Antwort in der PNP: "Von uns beiden weniger, als man denkt." Im Donaukurier ist dieser Satz gestrichen, dafür steht in der Antwort unter anderem die Plattitüde: "Aber wir alle schauen nach vorne, dank der souveränen Entscheidung von Horst Seehofer." So zieht sich die Spur der Änderungen durchs gesamte Interview - wie gesagt: ein durchaus üblicher Vorgang, der hier unfreiwillig öffentlich protokolliert wurde. Die Tendenz ist aber klar, sie entspricht dem Vorgehen der Pressestellen bei fast allen Interviews: Ecken und Kanten werden abgeschliffen. Aus "zusammenraufen" wird dann eben "zusammenschließen".

Aus Söders Finanzministerium ist sinngemäß zu hören, dass man von der Passauer Version nicht ganz so begeistert ist, die Welt deswegen aber nicht untergehen wird.

Man könnte noch anfügen: Zumal Söder gerade ein Interview nach dem anderem gibt und der Bunten eben erst verraten hat: "Ich bin kein nachtragender Mensch." Ob der Satz nun tatsächlich genau so gefallen ist, lässt sich als Leser schwer sagen. Hauptsache, er wurde so autorisiert.

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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