Mastbetrieb in Ballertshofen:So ein Saustall

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Die Bewohner leiden unter Übelkeit und schämen sich, Gäste zu sich nach Hause einzuladen: Es stinkt im beschaulichen Ballertshofen in der Oberpfalz. Wie die Geruchsbelästigung durch eine Schweinemast die Idylle in dem kleinen Dorf zerstört hat.

Wolfgang Wittl, Lauterhofen

Vielleicht sollte eine Geschichte, die so viel von Entfremdung erzählt, mit etwas Verbindendem beginnen. Also mit Menschen, die sich zwar überworfen haben, aber trotzdem noch alle gerne in Ballertshofen leben, diesem beschaulichen Weiler in der nördlichen Oberpfalz. Wo Einheimische voller Stolz berichten, wie sie in einem der 25 Häuser zur Welt gekommen sind. Oder dass sie ihre Heimat niemals verlassen würden, auch wenn es nicht viel Vorzeigenswertes gibt im hügeligen Hinterland zwischen Neumarkt und Nürnberg: keine Kirche, nicht mal ein Geschäft. Gerade für diese Ruhe schätzten sie ihr Ballertshofen, hier ließ es sich leben.

Mit der Ruhe in Ballertshofen ist es vorbei - wegen eines Mastbetriebes. (Symbolbild) (Foto: Marco Einfeldt)

Bis der furchtbare Gestank kam - und mit ihm der Zwist, der die Idylle zerstörte. Seitdem ist es auch mit der Ruhe vorbei.

Der Streit, so schildert es Johann Pirkl, begann 1996 mit dem Bau eines großen Stalls, als ein benachbarter Landwirt seinen Betrieb auf Schweinehaltung umstellte. Er habe geahnt, was das bedeute, sagt Pirkl, daher habe er den Bauern gebeten, er möge doch den Stall auf einem anderen Grundstück errichten lassen, abseits vom Dorf.

Der Landwirt blieb jedoch bei seinen Plänen. Pirkls Widerspruch bei der Regierung wurde zurückgewiesen, 1998 ging die Mast in Betrieb. Die Zahl der Tiere wuchs beständig an, mit 560 hat sie die erlaubte Kapazität erreicht, doch mit dem Wissen von heute, sagt der Landwirt, würde er wohl überhaupt keinen Stall mehr bauen.

Die Schweinezucht aufzugeben, das komme für ihn allerdings auch nicht in Frage. Er werde weitermachen, solange er kann, bekräftigt der Mann. Er ist 38.

Freundschaften zerfallen

Auf seine Nachbarn wirken solche Worte wie ein nicht enden wollender Anschlag auf ihre Lebensqualität. Wie andere der hundert Dorfbewohner hatten früher auch die Pirkls Schweine im Stall. Gegen ein bisschen Gestank sei nichts einzuwenden, schließlich wohne man auf dem Land. Doch was da eines Tages aus 110 Metern Entfernung vom Nachbarhof herüberwehte, raubte der Familie den Atem: "Unausstehliche Gestankfontänen", die je nach Tageszeit und Windrichtung variierten - und gegen die mittlerweile fast der halbe Ort aufbegehrt.

Kopfschmerzen, Übelkeit, der Verlust täglicher Gewohnheiten: Die Beschwerden sind zahlreich. Es heißt, man könne keine Wäsche mehr im Freien trocknen; in Zimmern schimmele es, da wegen des Gestanks nicht ausreichend gelüftet werde; und Kinder würden gehänselt, ob sie vielleicht im Schweinestall genächtigt hätten. "Man bekommt den Gestank überhaupt nicht mehr aus der Wohnung", schimpft Pirkl, 49. Freundschaften zerfielen, weil er sich schäme, Gäste einzuladen.

Ein Sohn der Pirkls ist bereits ausgezogen, der zweite wird im August gehen. Manchmal entzündet sich ein Streit nur, weil jemand vergessen hat, ein Fenster zu schließen. Die Nerven in Ballertshofen liegen blank.

Früher, als die Kinder den Bauern zum Traktorfahren besuchten und mit einer geschenkten Wurst zurückkehrten, war das Dorfleben noch in Ordnung. Von guter Nachbarschaft berichten Menschen, die heute einander nicht einmal mehr grüßen. Manch einer gibt zu, dass er beim Spaziergang die Route ändert, wenn er den Schweinezüchter entgegenkommen sieht.

Andere suchen bewusst den Blickkontakt mit ihm, um ihre Verachtung zu demonstrieren. Manchmal fühle er sich wie bei einer Hexenjagd, klagt der Landwirt. Isoliert, wie der Buhmann vom Bauernhof. Aber den Wünschen der Nachbarn nachgeben? Nein, das will er nicht.

Seit zehn Jahren stehen die Kontrahenten nun schon vor Gericht, bisher verliefen die Verhandlungen zugunsten des Landwirts. Der Argwohn im Dorf aber bleibt. Es halten sich Gerüchte, die Anlage würde von den vorgegebenen Plänen abweichen. Außerdem soll der Bauer stoßweise lüften, nur um Strom zu sparen.

Der Landwirt fühlt sich verleumdet, verweist auf mehrere Gutachten und Sachverständige, die seinem Stall den "höchsten Stand der Technik" bescheinigten. Dass bei einer Schweinezucht Gestank nicht zu vermeiden sei, liege in der Natur der Sache, aber die Prüfergebnisse sprächen für sich. Die Nachbarn hingegen beanstanden willkürliche Messpunkte, an denen die Geruchsproben genommen worden sein sollen.

Von den Behörden fühlen sich die protestierenden Ballertshofener im Stich gelassen. Dem Landratsamt Neumarkt werfen sie vor, das Wohl eines einzelnen über das der Gemeinschaft zu stellen. Ihre Skepsis ist nicht geringer geworden, seit ein internes Schreiben mit heiklem Inhalt aufgetaucht ist.

Das Amt erklärt darin wörtlich, einen Genehmigungsbescheid an den Landwirt nicht versandt zu haben, weil man "den Nachbarn den öffentlichen Rechtsweg nicht habe aufmachen" wollen. "Das war sicher ein Fehler", sagt der zuständige Abteilungsleiter Manfred Wiesenberg. Doch habe es sich in dem Fall lediglich um die Umwidmung einer Futterkammer gehandelt. Das Landratsamt sei bemüht, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.

Einen Vergleich strebt auch das Oberlandesgericht Nürnberg an. Die Abluftkamine sollen erhöht, die Kosten geteilt werden. Der Landwirt wäre dazu bereit. Alleine werde er den Betrag - angeblich 30.000 Euro - jedoch nicht übernehmen.

Die drei Klägerfamilien um Pirkl wiederum sehen nicht ein, weshalb sie sich an einer Nachbesserung beteiligen sollten, die sie nicht zu verantworten haben. Sie verspüren "nur noch Wut und Frust".

Für Manfred Wiesenberg, den Mann aus dem Landratsamt, war von Anfang an klar, dass die Sache mit dem Schweinestall Ärger erzeugen würde. Er habe dem Landwirt seinerzeit geraten, woanders zu bauen, doch der Mann habe sich fürs Spießrutenlaufen entschieden. Wer auch immer Recht bekommt - aus Wiesenbergs Sicht gibt es nur Verlierer. Prozess- und Gutachterkosten sind längst im mittleren fünfstelligen Bereich angekommen. "Mit diesem Geld", sagt der Beamte, "hätte man schon lange eine Einigung erzielt, die allen dienen würde."

© SZ vom 01.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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