Süddeutsche Zeitung

Nach Fall Mollath:Neuer Umgang mit psychisch kranken Straftätern

Bayern zählt bundesweit zu den Schlusslichtern. Der Fall Mollath hat den Streit um den Umgang mit psychisch kranken Straftätern angefacht. Nun gibt es einen Gesetzentwurf mit Verbesserungen. Erstmals hätten Patienten dann das Recht auf Religionsausübung.

Von Dietrich Mittler

Wann dürfen psychisch kranke Straftäter mit Gurten ans Bett fixiert werden, um sich und andere nicht zu gefährden? Und welche Möglichkeiten haben die insgesamt 14 forensischen Einrichtungen im Freistaat überhaupt, um renitente Patienten zu disziplinieren? Für Fragen wie diese gibt es zwar Regelungen, doch die stehen juristisch gesehen auf zum Teil sehr unsicherem Grund. Das soll sich nun ändern. Was die meisten Bundesländer längst haben, will nun auch die bayerische Staatsregierung verwirklichen: ein eigenes Gesetz für die geschlossene Unterbringung von psychisch kranken Straftätern.

Am Donnerstag stellte das Sozialministerium im Landtag einen vorläufigen Entwurf zum sogenannten Maßregelvollzugsgesetz vor. Dieser Entwurf sieht im Vergleich zu den bisherigen Regelungen zum Teil überraschende Neuerungen vor. So soll im neuen Gesetzeswerk festgeschrieben werden, dass "künftig auch Kinder im Maßregelvollzug untergebracht werden können - wenn dies nicht dem Kindeswohl widerspricht", sagte Karl-Heinz Arians als Vertreter des Sozialministeriums. Ein Modellversuch läuft derzeit in der Einrichtung in Taufkirchen an der Vils.

Damit der Neuerungen nicht genug: Im Gegensatz zu den Justizvollzugsanstalten sollen sich in der Forensik auch Väter um ihre Kinder kümmern können. Dass dies sinnvoll ist, machte Arians mit einem Beispiel deutlich: "Wenn bei drogensüchtigen Patienten die Partnerin draußen auch abhängig ist, kann es Sinn machen, wenn das Kind beim Vater in der Einrichtung mitbetreut wird."

Dies aber ist nur eines von vielen Themengebieten, die das neue Gesetz regeln soll. Es gibt - sobald es vom Landtag verabschiedet ist - auch vor, in welchem Rahmen Zwangsmaßnahmen und Zwangsbehandlungen möglich sind oder wie die Therapiepläne für die Patienten künftig gestaltet werden. Neu ist auch, dass psychisch kranken Straftätern in Zukunft das Recht auf Religionsausübung zuerkannt wird. "Wir sehen allerdings vor, dass das Recht bei denjenigen aberkannt werden kann, die es missbrauchen", sagte Arians.

Wichtiger Bestandteil des neuen Gesetzes wird zudem das Prozedere sein, mit dem die Patienten, sofern von ihnen keine Gefahr mehr ausgeht, schließlich auf die Freiheit vorbereitet werden. Dabei gelte aber der Grundsatz: "Lockerungen müssen der Resozialisierung dienen", wie Arians betonte.

Späte Reaktion, schlechte Einbindung

Das Gesetz kommt spät, das musste auch das Sozialministerium einräumen. In dieser Woche erst hatte Josef Mederer, der Präsident des Bayerischen Bezirketags, gefordert, das Maßregelvollzugsgesetz müsse noch in diesem Jahr in Kraft treten. Es wird nun aber erst im Frühjahr kommenden Jahres alle Instanzen durchlaufen haben - und das, obwohl die Vorbereitungen dazu bereits 2010 begannen.

Was die Bezirke ebenfalls ärgert: Die Verbände bekommen den Entwurf voraussichtlich erst in der Sommerpause vorgelegt, um dann ihre Meinung dazu sagen zu können. "Ich weiß auch nicht, warum besonders wichtige Gesetze immer in den Weihnachtsferien und in der Sommerpause laufen", sagte Celia Wenk-Wolff als Vertreterin des Bezirketags.

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SZ vom 09.05.2014/infu
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