Gnadenlos brennt die Sonne auf die alten Rottaler Bauernhöfe im Freilichtmuseum Massing hernieder. Wer bei dieser Hitze nicht am Badesee liegt, dem ist nicht mehr zu helfen. Und doch hat sich im Innenhof des Schusteröderanwesens eine stattliche Traube von Menschen versammelt, jung und alt bunt gemischt. Sie pfeifen aufs Schwimmbad und begeben sich lieber auf einen schweißtreibenden Fußmarsch zu den Bauerngärten, die sich an die Mauern der historischen Höfe schmiegen. Welch ein romantisches Bild, ein Eindruck, der aber gewaltig trügen kann.
Die Heilpraktikerin und Gartenexpertin Christa Knäulein führt die Besucher an diesem heißen Nachmittag durchs Museumsgelände, um ihnen die Geheimnisse der alten Bauerngärten zu erklären. Vieles vom einstigen Wissen über Kräuter, Beeren und Blumen ist verloren gegangen. Und weil das grundsätzlich ein Jammer und ein Nachteil für den Menschen ist, werden solche Führungen wohl immer wichtiger.
Der Weg führt zunächst hinüber zum nahe gelegenen Kochhof, einem Vierseitanwesen, auf dessen Sauweide sich Ferkel suhlen. Auf dem Misthaufen im Hof scharren Hühner, das Ziel ist aber das Bauerngartl vor dem Tor. Die Szenerie wirkt wie die pure Idylle, und doch fühlte sich dieser Ort vermutlich ernüchternd an, müsste man heute hier sein Leben fristen. Alles strotzt vor Arbeit, Kargheit, Unfreiheit. Der Garten war eines der wenigen Refugien, in denen zumindest die Frauen ein bisserl Muße fanden. Christa Knäulein schildert ganz unaufgeregt, aber umso eindringlicher, warum häufig ein Rosenbogen den Eingang solcher Bauerngärten zierte. "Das war symbolhaft zu verstehen", sagt sie, "wenn die Frauen durch den Bogen hindurchgingen, waren sie in einer Welt, in der sie den harten Alltag hinter sich ließen." Der Garten war für sie auch ein Ort der Erholung. Nicht jeder Bauer sah dies mit Wohlwollen. Bei einer wissenschaftlichen Recherche des Freilichtmuseums Massing erzählte eine alte Bäuerin, ihr Mann werfe ihr immer vor, sie verbringe zu viel Zeit im Garten und vernachlässige deshalb ihre Arbeit im Haus. Die einstige Fron und die Geschlechterhierarchie auf den Höfen schimmert hier deutlich durch.
Am Kochhof aber ist schon von der Ferne üppiger Blumen- und Kräuterduft zu riechen, all das Gute und Lebenskräftige, das in so einem Garten schlummert. Christa Knäulein könnte gewiss stundenlang über den Segen und die Schönheit eines Bauerngartens referieren. Dabei sieht jeder Garten anders aus, manche Besitzer legen größeren Wert auf Blumen und Ziergewächse, andere mehr auf Nutzpflanzen, um Obst, Gemüse und Kräuter zu ernten. Beeindruckend ist die Vielfalt in den Bauerngärten in Massing. Margeriten, Ringelblumen, Tagetes, Rosen, Lavendel, Sonnenhut, Gladiolen, Phlox, Dahlien, Kapuzinerkresse, Schöllkraut, Lupinen... Welch ein Paradies für Bienen und Schmetterlinge, gerade in einer Zeit, in der die Lebensräume solche Tiere schrumpfen wie die Gletscher im Klimawandel. Wer die Pflanzen bunt und geschickt mische, so erklärt Christa Knäulein, der bekämpfe zugleich die Ausbreitung von Schädlingen.
Dieses Mischen aber ist eine Wissenschaft für sich. "Tomaten und Basilikum passen gut zusammen", sagt Knäulein, nicht so gut vertrügen sich Tomaten und Petersilie, wobei die Petersilie es bevorzugt, das Beet zu wechseln, während die Tomate gerne an ihrem angestammten Platz verharrt. Dass das Maggikraut mit dem kommerziellen Würzmittel Maggi nichts zu tun hat, ist aufschlussreich, aber bei Weitem nicht so wichtig wie das Wissen um die Heilkraft der Nutzpflanzen. Die Königskerze soll gegen Husten und Hämorrhoiden helfen, das Schöllkraut gegen Warzen, Pflanzen mit gelber Farbe wirken oft günstig bei Leber- und Gallenproblemen.
Typisch: In einem Bauerngarten finden sich oft Lupinen, ...
... Johannisbeeren, ...
... Pfingstrosen und ...
... Salbei.
Bei manchen Massinger Bauerngärten sind die Wege befestigt, bei anderen liegen zwischen den Beeten Holzbretter. "Das hat einen Vorteil", sagt Christa Knäulein: "Man kann sie umdrehen und die Schnecken abklauben." Grundsätzlich sollten an den Holzzäunen entlang höhere Pflanzen wachsen, weil sie einen Windschutz bieten und ein günstiges Kleinklima erzeugen, in dem Pflanzen wie die wegen der Heilsalbe bekannten Ringelblume gedeihen können. Oder auch das wegen seines intensiven Geruchs bekannte Seifenkraut, aus dessen Wurzeln eine Seifenlauge gewonnen wird, mit der man kostbare Wollstoffe reinigt.
Der Hollerstrauch war früher aus einem Bauernhof nicht wegzudenken. "Er war heilig", sagt Christa Knäulein, die Leute verbeugten sich beim Vorbeigehen, und man durfte ihn nicht umhauen. Die Anwendungsmöglichkeiten sind von biblischem Umfang, Knäuleins Empfehlung lautet: "Hollerkompott mit Zwetschgen, ein Hochgenuss." Obwohl er großen Nutzen verspricht, ist der Bauerngarten rar geworden. Im Aufwind ist stattdessen der krasse Gegenentwurf dazu, der mit pflegeleichtem Einheitsgesträuch und banalem Rasen versehene Siedlungsgarten, von Gabionen gesäumt. "Der is für gar nix gut", klagt ein Teilnehmer, "es sei denn dort wachsen Magerpflanzen für Wildbienen", sagt ein anderer. Das ist aber bei Gabionenzäunen nur selten zu sehen. "Es derf ja koa Graserl mehr wachsen."