Süddeutsche Zeitung

Corona:Maskenpflicht in Bus und Bahn fällt in Bayern

Im öffentlichen Nahverkehr im Freistaat muss von Samstag an keine Mund-Nase-Bedeckung mehr getragen werden, das hat der Ministerrat beschlossen. Das gilt allerdings nicht für den Fernverkehr.

Von Andreas Glas

Während aus anderen Ländern noch nichts zu hören ist, sind die Bayern mal wieder die Ersten. Am späten Dienstagvormittag sickert die Entscheidung aus der Kabinettssitzung durch: Wer im Freistaat mit Bussen, Regionalzügen oder Straßenbahnen fährt, muss von diesem Samstag an keine Schutzmaske mehr tragen. Mittags wird dann bekannt, dass auch in Sachsen-Anhalt die Maskenpflicht fällt, sogar am Freitag schon, einen Tag früher als in Bayern. Aber da sind die Schlagzeilen im Netz bereits geschrieben. "Bayern prescht vor!", heißt es da, wie so oft in der Corona-Pandemie.

Das Ende der Maskenpflicht hatte sich abgezeichnet. Schon Mitte November hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gesagt, dass die Regel "bald nicht mehr angemessen" sei. Unklar war allerdings, ob die Maskenpflicht sofort fällt oder erst im neuen Jahr. Wegen der aktuell niedrigen Corona-Infektionszahlen hat sich die Staatsregierung nun also für ein schnelles Ende entschieden. Die bayerische Infektionsschutzverordnung wird über den 9. Dezember hinaus verlängert, die Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr aber gestrichen.

Von einem "Abwägungsprozess" spricht Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) nach der Sitzung des Kabinetts. Und davon, dass ihm die Entscheidung "nicht leichtgefallen" sei. Sowohl für als auch gegen die Maskenpflicht gebe es "immer wieder Argumente". Es ist ja so: Den niedrigen Corona-Zahlen steht eine Grippewelle gegenüber, dazu sind Kinderkliniken stark belastet, weil in diesem Jahr auch die Welle der Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) ungewöhnlich stark ausfällt. Und trotzdem, in der Abwägung ist für Holetschek "die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme nicht mehr gegeben". Ministerpräsident Söder schreibt derweil auf Twitter von "mehr Eigenverantwortung". Statt einer Pflicht gebe es künftig nur noch "eine Empfehlung" zum Tragen der Maske in Bussen und Bahnen.

Ruth Waldmann dagegen findet es "sehr fragwürdig", die Maskenpflicht ausgerechnet jetzt aufzuheben, da "die Kliniken SOS funken und von Menschen mit Atemwegserkrankungen überlaufen werden". Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion sieht "keine vernünftige Begründung" für den Schritt der Staatsregierung. "Rücksicht geht anders", lästert auf Twitter auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Laut Waldmann geht es "mehr um Symbole auf dem politischen Basar", und zwar zwischen der CSU und den Freien Wählern, die ihren Koalitionspartner doch recht lange gedrängelt hatten, die Maskenpflicht zu kippen. Nun werde eine Empfehlung "ausgesprochen von Leuten, die selber keine Maske tragen", sagt Waldmann - wohl in Anspielung auf Söder, der bei öffentlichen Auftritten seit geraumer Zeit auf einen Mund-Nasen-Schutz verzichtet. "Nicht glaubwürdig", findet die SPD-Politikerin.

Die FDP dagegen freut sich, dass die Maske in öffentlichen Nahverkehrsmitteln wegfällt - nach mehr als zweieinhalb Jahren. Zur Erinnerung: Die Staatsregierung hatte die Maskenpflicht im April 2020 verordnet. Die nun beschlossene Abschaffung sei "eine vernünftige Entscheidung", sagt Martin Hagen, Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag. Er findet, Bundesminister Lauterbach "sollte nun dem bayerischen Beispiel folgen und auch die bundesweite Maskenpflicht in Fernzügen beenden". Der Bahn-Fernverkehr ist nämlich Sache des Bundes, dort gilt die Maskenpflicht weiterhin, nach derzeitigem Stand bis April 2023.

Den "Sonderweg" begründet der Staatskanzleichef mit den niedrigen Corona-Inzidenzen

Andere Bundesländer sehen genau darin einen Grund, die Maskenpflicht auch im ÖPNV beizubehalten. Würde diese entfallen, sei es den Bürgerinnen und Bürgern "schwer zu vermitteln, warum sie in den Zügen des Fernverkehrs eine Maske tragen müssen", sagte am Dienstag eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums. Auch Baden-Württemberg will mindestens bis Ende des Jahres an der Maskenpflicht festhalten. Es wäre sinnvoll gewesen, sich bei diesem Thema mit Bayern abzustimmen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). "Wir sind da halt nicht zusammengekommen."

Dass der Freistaat seinen eigenen Weg geht, begründet Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) unter anderem damit, dass Bayern in der Länderrangliste der Corona-Inzidenzen am Dienstag "auf Platz 16" gelegen habe, dem letzten Platz, die bayerische Inzidenz (107,9) sei deutlich niedriger als der Bundesschnitt (204,2). Alles Quatsch, findet SPD-Politikerin Waldmann, "die Inzidenzen haben schon lange keine Aussagekraft mehr". Gesundheitsminister Holetschek betont derweil, dass es in 23 von 27 EU-Staaten bereits keine Maskenpflicht mehr gebe. Und er nennt Zahlen jenseits der Inzidenz, um das Abflauen der Pandemie zu illustrieren. Demnach machen Corona-Infizierte (sechs Prozent) nicht mehr den höchsten Anteil bei den Atemwegserkrankungen aus. Der Anteil der Influenza (36) und des RS-Virus (19) sei inzwischen höher. Eine Maskenpflicht zum Schutz vor dem Coronavirus sei deshalb nicht mehr verhältnismäßig, sagt Holetschek.

Vor allem mit Blick auf das RS-Virus und die Kinderkliniken räumt der Minister ein, dass "wir eine Situation haben, die sehr angespannt ist". Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) werde deshalb beraten, was man hierbei tun könne, etwa über die "Steuerung der Patientenströme" zwischen den Krankenhäusern. Außerdem kündigte Holetschek an, den bayerischen Kinderkliniken "kurzfristig" fünf Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, für Instrumente und um "Entlastung in dem Bereich zu bringen".

Während das Ende der bayerischen Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr nun also bevorsteht, wird sie in besonders sensiblen Bereichen grundsätzlich über den 9. Dezember hinaus gelten - das hat die Staatsregierung am Dienstag ebenfalls beschlossen, indem sie die aktuelle Infektionsschutzverordnung verlängert hat. Neben Arztpraxen gehören dazu Krankenhäuser und Pflegeheime, in denen es zusätzlich immer noch Testpflichten gibt.

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