Corona-Pandemie:Weshalb Bayern an der Maskenpflicht in Bus und Bahn festhalten will

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Die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr soll auch über den Sommer bleiben, wenn es nach Gesundheitsminister Klaus Holetschek geht. (Foto: imago images/MiS)

Gesundheitsminister Holetschek hält eine Abschaffung der Mundschutz-Regel im Sommer für überstürzt - und sieht sich mit dem Vorwurf der Doppelmoral konfrontiert.

Von Johann Osel, München

Die Pressekonferenz von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Sitzung des Kabinetts am Dienstag war schon etwas Besonderes. Aus Söders Sicht sicher wegen des vorgestellten Konzepts für erneuerbare Energien. Bezeichnend war allerdings, was es nicht gab bei diesem Termin: das Thema Corona.

Kein Wort kam Söder oder dem Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) zur Pandemielage über die Lippen, nichts dazu findet sich im Kabinettsbericht. Das dürfte das erste Mal seit mehr als zwei Jahren der Fall gewesen sein. Selbst in den vergangenen Monaten, als der Krieg in der Ukraine und dessen Folgen im Fokus standen, referierte Herrmann nach dem Kabinett stets die Zahlen - Infektionen, Klinikfälle, Impfquote. Man könnte sagen: Die neue Normalität, wie sie das gesellschaftliche Leben mittlerweile prägt, hat damit symbolträchtig auch in der Landespolitik Einzug gehalten.

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Die Lage hat sich jedenfalls beruhigt: In Bayern waren am Mittwoch 152 Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt. Eine rote Warnstufe sieht die ursprüngliche bayerische Klinik-Ampel beim Schwellenwert 600 vor. Doch einige Maßnahmen gelten nach wie vor, zum Beispiel die Maskenpflicht in der Bahn und im öffentlichen Nahverkehr - und diese löst nun doch wieder politische Debatten aus. Denn Bayern will auch über den Sommer an der Maskenpflicht in Bus und Bahn festhalten.

Eine Abschaffung käme "zu früh", warnt der Gesundheitsminister

Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte der Süddeutschen Zeitung: "Die Pandemie erscheint aktuell als weniger bedrohlich, die Abschaffung der Maskenpflicht in Bus und Bahn käme zum jetzigen Zeitpunkt aber zu früh." Er fordert den Bund deshalb auf, die Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr beizubehalten - "auch für den Sommer".

Zuvor hatte der Radiosender Antenne Bayern Holetschek damit zitiert. Der Minister sprach sich gegen einen Vorstoß von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) aus, die Maskenpflicht zu streichen. Eine Mehrheit in der Ampel mit SPD und Grünen hat Wissing dafür aber offenkundig nicht. Das Gesetz des Bundes läuft bis September, es gibt also kein Auslaufen im Sommer: Eine Änderung müsste aktiv erfolgen. Bundesländer wiederum könnten für ihren ÖPNV - nicht für den Fernverkehr im Land - rein theoretisch auch ausscheren.

"Entsprechende Debatten in Berlin wurden jetzt auch schon wieder eingefangen", sagte Holteschek. "Gerade in Bus und Bahn kommen Menschen oft zusammen, ohne dass sie Abstand halten können. Hier ist die Maske nicht nur dem Eigenschutz dienlich, sie hilft auch, andere mit einem erhöhten Risiko für eine schwere Erkrankung zu schützen."

Die bayerische Corona-Verordnung gilt vorerst bis zum 28. Mai, sie muss dann verlängert werden. Er wolle den Beratungen im Ministerrat nicht vorgreifen, sagt Holetschek. Eine Änderung wäre aber potenziell denkbar: "Über OP-Masken statt FFP2 könnte man jetzt in der warmen Jahreszeit sicherlich nachdenken, das ist zumindest grundsätzlich nicht auszuschließen. Allerdings dienen FFP2-Masken auch dem Eigenschutz."

Bei den Ampelparteien gibt es verschiedene Ansichten

Bei den Ampelparteien in Bayern zeigt sich dagegen ein gemischtes Bild, analog zu Berlin. FDP-Fraktionschef Martin Hagen findet, die Bürger könnten sich auch in Bus und Bahn "eigenverantwortlich mit Masken schützen, man sollte sie aber nicht länger dazu verpflichten". Schon die bisherigen Lockerungen hätten sich bewährt, die Corona-Zahlen gingen ja deutlich zurück. Bei der Plenarsitzung an diesem Donnerstag wollen die Liberalen dazu einen Dringlichkeitsantrag einbringen.

Ruth Waldmann, Gesundheitspolitikerin der SPD-Fraktion, sieht den "oft vollen" Nah- und Fernverkehr dagegen als "spezielle Situation, was die Übertragung angeht". Auch Christina Haubrich (Grüne) ist für die Beibehaltung der Maske, diese sei "nicht unzumutbar" - vulnerable Gruppen könnten etwa Veranstaltungen meiden, wo es eng wird; sie seien aber darauf angewiesen von A nach B zu kommen.

Nach der jüngsten Kabinettssitzung wurde zwar in der Pressekonferenz nicht über Corona berichtet, wegen des Schwerpunkts zur Energiepolitik. Intern soll die Pandemie zuvor dennoch ein Thema gewesen sein, heißt es in Regierungskreisen. Es gebe laufend Gespräche zu den Vorbereitungen, um für eine mögliche Welle im Herbst gewappnet zu sein.

Holetschek will unter anderem an der Kommunikation feilen und schon im späten Sommer eine "Informationsoffensive" dazu auflegen. "Die Pandemie hat uns gezeigt, dass es nicht reicht, rasch und richtig zu handeln. Auch die Kommunikation muss stimmen", sagte er am Montagabend bei der Jahrestagung der bayerischen Zeitungsverleger. Dies sei auch wichtig, "um gezielter Desinformation etwa aus den Reihen der ,Querdenker' zu begegnen".

Bayern dringt auf die Impfpflicht ab 60 Jahren

Zu den Vorbereitungen gehört auch, dass die Impfzentren in Bayern grundsätzlich hochfahrbereit bleiben. Zusammen mit Baden-Württemberg und Hessen dringt der Freistaat zudem auf einen Neuanlauf im Bundestag für eine Impfpflicht ab 60 Jahren. Ältere hätten ein höheres Risiko, schwer zu erkranken, so Holetschek - "die Bundesregierung darf sich hier nicht länger wegducken."

Ein anderes Detail der bayerischen Verordnung liefert derweil Gesprächsstoff: die allgemeine "Empfehlung" der Staatsregierung, in Innenräumen Masken zu tragen. In sozialen Netzwerken ärgern sich Menschen darüber, dass sie Fotos von Volksfesten oder Bürgerterminen sehen, auf denen Söder, aber teils auch Holetschek ohne Maske abgelichtet sind. Von "Doppelmoral" ist da häufig die Rede. Auch SPD-Politikerin Waldmann meint: "Was soll man von der Empfehlung und dem Aufruf zur Vorsicht halten, wenn die CSU solche Bilder in die Welt twittert?"

Holetschek sagte dazu: "Die Empfehlung zur Maske in Innenräumen wird bleiben, wir sind da aber im Bereich der Eigenverantwortung." Er selbst trage "sehr oft weiterhin die Maske, beim Hineingehen vor allem oder bei Veranstaltungen mit älteren Menschen. Am Platz zum Beispiel in Gaststätten habe ich sie nicht auf, das war dort auch vorher nicht vorgeschrieben". Es sei "die Frage, wie jeder sich hier situationsbezogen entscheiden will - auch mit Blick auf seinen Schutz vor schweren Verläufen durch Impfung und Booster".

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