Die beiden Geschäftspartner haben dramatische Zeiten hinter sich: Ein angeblicher Millionenbetrug beim Handel mit Corona-Schutzmasken, wie ihnen von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden ist? Da droht nicht nur eine lange Haftstrafe. Da droht der Verlust der bürgerlichen Existenz, zumal es sich bei einem der beiden um einen Kommunalpolitiker handelt. 2021 waren die beiden 34 und 36 Jahre alten Männer aus der Oberpfalz sogar für mehr als zwei Monate in Untersuchungshaft genommen worden, seit vergangenem September mussten sie sich am Landgericht Nürnberg-Fürth verantworten. Wie schwer sie das belastet hat, ist ihnen im Gerichtssaal unschwer anzusehen.
Am Freitag hat die Vorsitzende Richterin Barbara Reim ein Urteil gesprochen, es kommt in weiten Teilen einer Rehabilitierung gleich. Der 36-Jährige wird von allen Vorwürfen freigesprochen. Die Staatskasse muss ihn für zwei Monate Untersuchungshaft entschädigen. Sein Geschäftspartner – der Kommunalpolitiker Matthias Penkala aus Freystadt – habe sich zwar einer Urkundenfälschung schuldig gemacht und muss dafür eine Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen zahlen. Ansonsten aber, in den Hauptanklagepunkten, wird auch er freigesprochen.

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Der Oberstaatsanwalt hatte sein Plädoyer zuvor mit einer Art Stellungnahme in eigener Sache begonnen. Die Verteidigung hatte der Anklage gleich am ersten Verhandlungstag mit harschen Worten vorgeworfen, komplett übers Ziel hinauszuschießen – zu hören war im Gerichtssaal gleichsam eine Anklage gegen die Anklage. Unfaires Ermittler-Handeln? Mitnichten sei das der Fall, rechtfertigt sich der Ankläger, man habe nicht „blindwütig“ ermittelt.
Es gebe eben Sachverhalte, die ließen sich nicht „nach Aktenlage entscheiden“. Immerhin ging es bei den Vorwürfen um möglichen Millionenbetrug. Und ja, das Landgericht hatte die Anklage zunächst abgelehnt: kein erkennbarer Betrugsvorsatz. Die nächsthöhere Instanz aber, das Oberlandesgericht, hatte eine Anklage sehr wohl als gerechtfertigt angesehen. Nur: Einen Betrugsvorsatz in tragenden Punkten der Anklage sieht nach den 13 Verhandlungstagen auch er, der Ankläger, nun als „nicht nachweisbar“.
Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) habe „gekauft, was angeboten wurde“, analysiert der Staatsanwalt. Die Behörde sei nicht auf eine solche Situation – etwa auf die „Goldgräberstimmung“ unter Maskenanbietern – vorbereitet gewesen. Der Ankläger attestiert behördliches „Organisationsverschulden“. Was die Hauptvorwürfe betrifft, den vermeintlichen Millionenbetrug, plädiert der Ankläger jetzt selbst auf: Freispruch.
Den Verkauf einiger Margen von Masken an kleinere Anbieter – Apotheken etwa – hält der Ankläger allerdings weiter für strafwürdig. Die Angeklagten seien hingewiesen worden, diese „Schrottmasken“ nicht zu verkaufen. Und da habe es sich ja nicht um „Autofelgen“ gehandelt, sagt der Staatsanwalt. Eine Anspielung auf die Tätigkeit, der die Angeklagten vor der Pandemie nachgegangen waren und so ihre Beziehungen nach China aufbauten: Sie handelten mit Autoteilen.
Ein Apotheker würdigte den Einsatz des Angeklagten ausdrücklich
Da sei angeblich schon mit „krimineller Energie“ gehandelt worden. Bewährungsstrafen findet der Staatsanwalt angemessen, für den Kommunalpolitiker 19 Monate, für seinen Kollegen 18 Monate.
Der Verteidiger des 36-Jährigen findet Teile der Anklage dagegen geradezu „zynisch“. Der Zeuge und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger etwa habe bei seiner Einvernahme angegeben, beim Beschaffen von Masken habe man „Held“ oder „Depp“ sein können – je nach Qualität der aus Fernost gelieferten Produkte. Offenkundig habe die Staatsregierung dieses Risiko ausgelagert; habe eben andere, private Unternehmer, die Gefahr übernehmen lassen, notfalls auf der Anklagebank zu landen. Jede Maske sei besser gewesen als kein Schutz, hatte die damalige Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) über die Situation gesagt.
Von „Wildwest“ wiederum sprach Zeuge Aiwanger – mit Bezug auf die weltweiten Umstände beim Maskenbeschaffen. Ein „Amigogeschäft“ eines FW-Kommunalpolitikers mit dem FW-Wirtschaftsminister? Die Landtagsopposition hatte das zeitweilig so insinuiert. Nichts davon habe die Beweisaufnahme bestätigt.
Und die Sache mit den „Schrottmasken“ für Apotheken? Ein Apotheker im Zeugenstand hatte erklärt, die angeblich mangelhafte Qualität mitnichten erkannt zu haben. Warum hätten dies Händler können sollen, die bis dahin auf Autofelgen spezialisiert waren? Der Apotheker hatte den Einsatz der Angeklagten vor Gericht ausdrücklich gewürdigt.
Eine Urkundenfälschung – die im Wesentlichen als Anklage-Vorwurf übrig geblieben ist – hätte nie zur U-Haft führen können, sagt einer der Verteidiger des FW-Kommunalpolitikers Penkala. Der ist ehrenamtlicher dritter Bürgermeister in seinem Heimatort. Während der ersten Schwangerschaft seiner Frau war er in U-Haft genommen worden. „Unverhältnismäßig“, sagt sein Verteidiger. Aufs Schwerste sei Penkala anonym beleidigt worden, sein finanzieller Schaden sei immens, die gesellschaftliche Fallhöhe enorm. Sein Anwaltskollege greift zu drastischen Worten: Der Kommunalpolitiker sei jahrelang „wie eine Sau durchs Dorf getrieben“ worden.
Dass Haft für Penkala besonders schwer zu ertragen gewesen ist – gerade „als dritter Bürgermeister“ – sei nachvollziehbar, sagt die Richterin Reim. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.