Martin Zeil und die Energiewende:Der isolierte Minister

Eigentlich ist Martin Zeil Bayerns Energieminister, doch die Energiewende wird meistens ohne ihn organisiert. Ministerpräsident Horst Seehofer lässt das ehrgeizige Vorhaben von zwei Kabinettskollegen Zeils vorantreiben. Und die sind von der CSU.

Christian Sebald

Wenn Wirtschaftsminister Martin Zeil in den Kabinettssitzungen vorträgt, dann wissen sie dort bisweilen nicht, ob er gerade eine Kunstpause macht oder schon fertig ist, so aufreizend langsam spricht er bisweilen.

Sitzung des bayerischen Kabinetts

Bloßgestellt von den Ankündigungen Seehofers: Wirtschafts- und Energieminister Martin Zeil. In CSU-Kreisen gilt der FDP-Politiker als Zauderer, weshalb man ihm bei der Energiewende wenig zutraut.

(Foto: dapd)

Wie kein anderer Politiker kultiviert der 56-jährige FDP-Mann das Image, sich durch nichts und niemanden aus der Fassung bringen zu lassen. Auch jetzt klingt Zeil völlig entspannt. "Horst Seehofers neues Bayernwerk und sein Bayernplan sind sicher interessante Ideenskizzen", sagt er bedächtig. "Aber unser Ministerpräsident wird schon noch merken, dass sich ein Bayernwerk und Tausende kleine Biogasanlagen nicht einfach so aus dem Boden stampfen lassen."

So viel Gelassenheit ist sehr erstaunlich. Denn eigentlich kann sie sich Zeil nicht leisten. Zwar ist er als Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident nach wie vor einer der wichtigsten Politiker Bayerns - der Form nach.

Aber seit letzter Woche ist klar, dass Seehofer nicht auf Zeil zählt, wenn es um Bayerns wichtigstes Projekt der nächsten zehn Jahre geht: die Energiewende. Öffentlich und ohne Skrupel hat der Ministerpräsident deutlich gemacht, dass er Zeil wenig Einfluss dabei zugesteht.

Er plane grundlegende Korrekturen am bayerischen Weg zum Atomausstieg bis 2022, hatte Seehofer verkündet und von der Gründung eines Bayernwerks gesprochen. Und statt der vier bis fünf neuen Gaskraftwerke, von denen bisher immer die Rede war, will Seehofer nun ein Netzwerk aus Tausenden kleinen Biogasanlagen installieren, damit die Stromversorgung gesichert ist, wenn einmal die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst.

Der Punkt ist nur, dass Zeil nichts von Seehofers neuen Plänen wusste. Der Wirtschaftsminister, der kraft Amtes auch bayerischer Energieminister und damit erster Verantwortlicher für die Energiewende im Freistaat ist, war nicht in die entscheidenden Runden in der Staatskanzlei eingebunden. Zeil wurde von Seehofers energiepolitischen Vorstößen völlig kalt erwischt. Er erfuhr von ihnen aus der Zeitung, immerhin.

Dabei betont Zeil stets, dass bei der Energiewende in Bayern nichts ohne ihn laufe. Besonders in diesen Tagen, in denen sich zum ersten Mal jährt, dass er sein Konzept "Energie innovativ" präsentiert hat.

Das dicke Papier mit seinen Kapiteln zu Wasserkraft und Windenergie, Solarstrom und Leitungsnetzen soll Bayerns Masterplan für den Atomausstieg sein. Wer Zeil nach einer ersten Bilanz der Energiewende fragt, bekommt nur Erfolgsmeldungen zu hören. "Wir sind sehr gut unterwegs", sagt der Minister. "Schon 30 Prozent unseres Stroms stammen aus erneuerbaren Energien."

Auch die Energieagentur in Zeils Haus arbeitet aus dessen Sicht "hervorragend". Sie soll den Atomausstieg koordinieren. Man habe bereits zig Gespräche geführt, sagt Zeil, mit Energiekonzernen, mit Stadtwerken, Verbraucherverbänden, Politikern und auch mit Kommunen. Außerdem habe man etliche Arbeitsforen gegründet. "Und noch dieses Jahr legen wir einen Netzausbauplan vor", verspricht Zeil.

Probleme sieht der Minister allenfalls im Bund, weil Merkels Mannschaft nicht mit dem Ausbau der Leitungsnetze und einem Förderprogramm für Gaskraftwerke vorankommt. Zeils Energiewelt ist also völlig in Ordnung.

Ein Mann der Atomkraft

Tatsächlich treiben die Energiewende in Bayern aber längst zwei andere Minister voran: Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Umweltminister Marcel Huber. Nicht nur, dass die beiden früh in Seehofers neue Pläne eingeweiht waren. Sie sind es auch, die bereits entscheidende Eckpfeiler für den Atomausstieg eingerammt haben.

Zum Beispiel die neuen Regularien für den Bau von Windrädern und die Karte mit den Regionen, in denen solche Anlagen in Bayern überhaupt sinnvoll sind. Damit soll der Bau der 1000 bis 1500 Windräder forciert werden, ohne die der Atomausstieg nicht funktionieren wird. Erarbeitet wurden Regularien und Karte im Haus von Umweltminister Huber.

Huber hat auch das "Forum ökologische Wasserkraft" einberufen. In ihm verhandeln Energiekonzerne, Umweltverbände und Wasserwirtschaftsexperten über die umstrittene Frage, aus welchen Wasserkraftwerken zusätzliche zwei Milliarden Kilowattstunden Strom für die Energiewende kommen sollen.

Oder das Thema Energieberater: Gebetsmühlengleich haben vor allem die ländlichen Gemeinden wieder und wieder erklärt, dass sie Hilfe brauchen für den Umstieg auf Strom aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasser. Zeil ließ sie stets abblitzen: Beratung sei nicht Aufgabe des Staates.

Jetzt hat Agrarminister Brunner 50 Experten angestellt und verteilt sie flächendeckend übers Land, damit sie den Dörfern zur Seite stehen. "Das sind doch wesentliche Punkte für die Energiewende, Zeil hätte sie sofort anpacken müssen", sagt ein Kabinettsmitglied. "Dass Huber und Brunner sich darum kümmern müssen, zeigt doch, dass Zeil ein Bremser der Energiewende ist."

Natürlich würde Zeil nie sagen, dass er die Energiewende nicht will. Aber er hat auch nie ein Hehl daraus gemacht, dass er ein Mann der Atomkraft ist, und dass ihm das alles viel zu schnell geht. Als im Frühjahr 2010 die Debatte um die Laufzeitenverlängerung so richtig losging, plädierte Zeil sogleich dafür, die Meiler wenigstens 15 Jahre länger am Netz zu lassen als im damals gültigen rot-grünen Ausstiegsszenario. Noch lieber, so Zeil damals, würde er "ganz auf ein Datum verzichten".

Nach Fukushima hatte Zeil wenig Verständnis für die abrupte Aufkündigung der Laufzeitenverlängerung. Sie dürfte ihm grundsätzlich gegen den Strich gegangen sein. Vergeblich warnte der Minister Seehofer und den damaligen Umweltminister Markus Söder vor dem schnellen Atomausstieg. Doch er musste ohnmächtig mit ansehen, wie der Ministerpräsident vorwärtsstürmte.

Noch Wochen nachdem die Energiewende besiegelt war, zweifelte Zeil ein ums andere Mal an, dass sie bis 2022 zu schaffen sei - wenn überhaupt. Dieses hartnäckige Zaudern ist wohl der Grund, warum Seehofer den FDP-Politiker inzwischen höchstens noch ein wenig mitspielen lässt. "Die ihm wirklich wichtigen Dinge überträgt Seehofer schon längst anderen", sagt einer aus dem Kabinett.

Martin Zeil übt sich dennoch in Gelassenheit - zumindest nach außen. Er sitzt in seinem abgedunkelten Ministerbüro und vermittelt den Eindruck, dass er völlig mit sich im Reinen ist. Selbst Seehofers neueste energiepolitische Vorstöße haben ihn anscheinend nur kurz irritiert. "Wir brauchen keinen neuen Bayernplan", sagt Zeil in aller Ruhe und nach einer Pause: "Denn wir haben ja schon einen: mein Konzept ,Energie innovativ'."

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