Marsch von Asylsuchenden:Polizei kesselt Flüchtlinge ein

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Auf ihrem Weg nach München werden Asylsuchende von der Polizei eingekesselt. (Foto: dpa)

Kaum an der Stadtgrenze von München angelangt, wartet schon ein Großaufgebot der Polizei: Der Protestmarsch von Asylsuchenden ist am Montagabend jäh gestoppt worden. Die Flüchtlinge wurden eingekesselt - es kam zu unschönen Szenen.

Von Helmut Zeller

Plötzlich griff die Polizei zu: Der Protestmarsch der Asylsuchenden, die am Wochenende unbehelligt durch den Landkreis Dachau zogen, ist am Montag aufgelöst worden. Gleich nach Karlsfeld, an der Grenze zur Landeshauptstadt, warteten schon 150 Münchner Polizisten. Auf der Brücke über die A 99, An der Schredderwiese, kesselten USK-Beamte die Demonstranten um 17 Uhr ein. Die Vermittlungsversuche des Dachauer Pfarrers Björn Mensing, der sich dem Protestzug nach München angeschlossen hatte, scheiterten.

Die etwa 35 Flüchtlinge hakten sich auf dem Boden ineinander und wurden von USK-Beamten gewaltsam einzeln herausgezerrt. Dabei wurden Asylsuchende auf den Boden geworfen und mit Knien festgehalten, bevor sie in Handschellen abgeführt wurden. Auch Arme wurden verdreht, ein junger Mann blutete am Ohr. Der Polizeieinsatz dauerte bis weit nach 19 Uhr. Beamte sicherten auf beiden Seiten den Zugang zur Brücke.

Anders als in Freising am Sonntag vermieden die Beamten jede Eskalation. Dort wurden nach Angaben der Polizei bei einem Einsatz des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord sieben Flüchtlinge und ein Polizist leicht verletzt. Die Organisation "Refugee Struggle for Freedom" sprach von einem brutalen Vorgehen.

Der Einsatzleiter auf dem Gebiet der Landeshauptstadt, Leitender Polizeidirektor Rudolf Scharf, gestand Björn Mensing 15 Minuten Zeit zu, um zu vermitteln. Der Pfarrer der Evangelischen Versöhnungskirche an der KZ-Gedenkstätte wollte die Demonstranten dazu bewegen, ihre Ausweispapiere kontrollieren zu lassen. Die Polizei überprüfte, welche der Teilnehmer gegen die Residenzpflicht verstoßen hat. Sie ist einzigartig in der Europäischen Union, auch in Deutschland besteht sie nur noch in den Bundesländern Bayern und Sachsen. Demnach dürfen Flüchtlinge sich nur in einem begrenzten Umfeld, einem Regierungsbezirk oder einem Landkreis frei bewegen.

Weder bei der Polizei noch bei den Demonstranten stießen die Argumente Mensings für eine friedliche Lösung auf Gehör. Die Abschaffung der diskriminierenden Residenzpflicht sei doch längst überfällig, sagte Mensing. Der Einsatzleiter verwies auf geltendes Recht, erklärte aber: "Es tut mir in der Seele weh." Der Polizei-Sprecher Wolfgang Wenger beteuerte, man wolle, dass die Kontrolle so ruhig wie möglich über die Bühne gehe.

Rose Kraus, Vorsitzende des Arbeitskreises Asyl, bildete mit anderen Unterstützern aus Dachau eine Menschenkette vor den Asylsuchenden, um die Beamten abzuhalten. Die 77-Jährige war von den gewaltsamen Szenen und dem Anblick der martialisch ausgerüsteten Polizei schockiert. Als sie einem schreienden Mädchen, das von zwei USK-Beamten überwältigt wurde, zur Hilfe eilte, drängten sie andere Polizisten ab. Noch weitere Dachauer hatten sich dem Protestmarsch angeschlossen, darunter auch der Stadtrat Horst Ullmann (SPD), Mitglieder des Arbeitskreises Asyl wie Anna Binder, Katharina Seibold, Leiterin des Jugendzentrums Dachau Ost und die Jugendpflegerin Christiane Wörthmann. Sie mussten hilflos zuschauen, wie die Flüchtlinge abgeführt wurden. "Das ist grausam, wenn Menschen, die Schutz suchen, so angegriffen werden", sagte Rose Kraus.

Die Gruppe war vor einer Woche in Würzburg gestartet und am Sonntag in Dachau angekommen. Sie wollte sich im Stadtbezirk Feldmoching mit der zweiten vereinen, die von Bayreuth aus über Freising marschierte. Für Dienstag ist eine Kundgebung an der Münchner Freiheit geplant: Die Asylsuchenden aus dem Iran, Irak, Äthiopien, Algerien und Afghanistan fordern ein Bleiberecht und vor allem die Aufhebung der Residenzpflicht.

Die Demonstranten hatten die Nacht auf Montag im Jugendzentrum "Freiraum" verbracht. Den Namen Dachau, der weltweit für die Verbrechen des Nationalsozialismus steht, vermuteten einige als Grund für die Zurückhaltung der Polizei auf dem Stadtgebiet. Schlagzeilen über Einsätze gegen friedliche Menschen am Lernort Dachau kämen nicht gerade gelegen.

Die Gruppe rechnete mit der Polizei, sobald sie die Landkreisgrenze überschreiten würde. So kam es auch, aber überraschend schnell. Nur ein paar Minuten Fußmarsch weiter wartete die Polizei. Die Zahl der Flüchtlinge, die in München ankommen werden, wurde so verringert: Neun Asylsuchende durften ihren Weg fortsetzen, sieben wurden zur Feststellung der Personalien mitgenommen.

© SZ vom 03.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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