Süddeutsche Zeitung

Marode Kliniken in Bayern:Dringend therapiebedürftig

Lesezeit: 3 min

Jede zweite Klinik in Bayern schreibt rote Zahlen. Bislang wurde ziemlich erfolglos an den Symptomen herumgedoktert. Bund und Länder wollen jetzt einen wesentlich tieferen Schnitt machen.

Von Dietrich Mittler, München

Bayerns Krankenhäuser geraten finanziell immer mehr in die Schieflage. Die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) stellte am Donnerstag ihre neueste Umfrage vor. Demnach müssen 52 Prozent der Kliniken - also mehr als jedes zweite Haus - für das Jahr 2013 ein Defizit ausweisen. "In dieser Deutlichkeit habe ich das nicht erwartet", sagte BKG-Geschäftsführer Siegfried Hasenbein in München.

Als die vorherige Bundesregierung im Sommer 2013 noch eilends ein Hilfspaket für Deutschlands Krankenhäuser schnürte, habe er zwar bereits gesagt: "Das lindert unsere Schmerzen, heilt aber die Krankheit nicht." Doch dass der Abwärtssog nun so gravierend ausfalle, das sei in der Tat "besorgniserregend", sagte Hasenbein.

Er warnt eindringlich vor den Folgen dieser Entwicklung für die Patientenversorgung: "Wenn in Folge von Sparmaßnahmen die Belastung des Personals erhöht wird, wächst ja auch die Gefahr von Fehlern", sagte Hasenbein. Zumindest aber bleibe weniger Zeit für die Patienten.

Seit vier Jahren bereits gehe es bei einer wachsenden Anzahl von Krankenhäusern finanziell bergab, heißt es seitens der Krankenhausgesellschaft, die alle zwölf Monate für den "Bayerischen Krankenhaustrend" die Manager der Kliniken befragt. Die in den letzten Jahren erhobenen Zahlen lassen keinen Zweifel daran aufkommen, vor welchen Problemen Bayerns Krankenhäuser gerade stehen: Während im Jahr 2010 lediglich rund 20 Prozent der Kliniken ein negatives Ergebnis zu verzeichnen hatten, hat sich dieser Anteil im Jahr 2013 mit 52 Prozent mehr als verdoppelt.

Auch in Baden-Württemberg klagen Kliniken über Defizite

Bayern bildet hier, bundesweit gesehen, jedoch keine Ausnahme. Im nicht minder prosperierenden Baden-Württemberg klagen die Kliniken ebenfalls über Defizite, und erst recht in den weniger reichen Bundesländern. Bei den Krankenkassen hingegen stoßen die Hilferufe der Krankenhäuser auf wenig Verständnis.

"Es ist endlich an der Zeit, die verkrusteten Strukturen zu modernisieren", propagiert etwa Florian Lanz, der Sprecher des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung. Sein Statement aus Berlin, das auch Bayerns Kassen als Argumentationshilfe dient, ist deutlich: "Von einer Unterfinanzierung der Kliniken durch die Krankenkassen, wie sie Krankenhausvertreter gerne darstellen, kann keine Rede sein."

Jahr für Jahr, so rechnet Lanz vor, seien die Zahlungen der gesetzlichen Krankenkassen an die Krankenhäuser um Milliarden gestiegen. Allein im Jahr 2013 haben die Kassen bundesweit etwas mehr als 64 Milliarden für den Betrieb der Krankenhäuser bezahlt. Im laufenden Jahr werden es voraussichtlich 70 Milliarden sein. Das sind Worte, die bei der Bayerischen Krankenhausgesellschaft nur bedingt Applaus auslösen.

"Es ist ja nicht so, dass unsere Krankenhäuser nun plötzlich nicht mehr wirtschaften können", wehrt sich Hasenbein gegen den Pauschalvorwurf, die Kliniken täten zu wenig, um Defizite zu vermeiden oder abzubauen. Der Fehler, so betont er, liege in der Tat im Vergütungssystem für Krankenhausleistungen.

"Die externe Kostenentwicklung, die Krankenhäuser nicht beeinflussen können - also Preissteigerungen, höhere Personal- und Sachkosten -, die werden einfach nicht ausreichend finanziert", sagt Hasenbein. Und da helfe es nichts, an den kleinen Stellschrauben zu drehen, so wie die frühere Bundesregierung es getan habe.

Krankenhäuser dürfen nicht nachlassen, ihre Strukturen zu verbessern

"Es kann ja nicht so weitergehen, dass die Krankenhäuser alle zwei, drei Jahre um ein Soforthilfepaket betteln müssen", sagt Hasenbein. Hier sei eindeutig die neue Bundesregierung gefordert, die systematische Unterfinanzierung der Häuser auszuräumen. Natürlich dürften auch die Krankenhäuser nicht nachlassen, ihre Strukturen zu verbessern - mitunter durch schmerzhafte Schnitte.

Der neue Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat erst kürzlich eine Überkapazität bei Krankenhausbetten beklagt und einen weiteren Abbau verlangt. "Wir sind auch bereit, über einen Kapazitätsabbau zu reden", sagte der BKG-Geschäftsführer. Aber das sei nur ein kleiner Beitrag zur Lösung des Problems.

Befürchtungen, dass in Folge der anhaltenden Entwicklung zahlreiche kleine Häuser auf dem Land schließen müssen, versuchte Hasenbein im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung zu entkräften: "Das ist sicherlich nur die Ultima Ratio, das äußerste Mittel." Da werde vorher noch "an anderen Schrauben gedreht", etwa durch Kooperationen mit anderen Häusern. "Auf diesem Weg sind wir aber ohnehin schon sehr weit gegangen", sagt Hasenbein.

Bei der Staatsregierung stößt die BKG mit ihren Kassandra-Rufen durchaus auf offene Ohren. Erst kürzlich hat Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) die Bundesregierung zu einer nachhaltigen Verbesserung der Krankenhausvergütungen aufgefordert: "Unsere Krankenhäuser müssen finanziell eine gesicherte Zukunft haben. Das gilt insbesondere für die laufenden Betriebskosten", sagte sie in Richtung Berlin.

Die "auseinanderklaffende Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben" müsse geschlossen werden. Huml weiß allerdings auch, wo die Grenzen sind. Bundesgesundheitsminister Gröhe hatte bei einem Treffen mit den Fachministern der Länder eine Finanzierung der etwa 2000 deutschen Kliniken aus Steuergeld des Bundes unmissverständlich abgelehnt.

Gröhe hatte jedoch auf den Koalitionsvertrag verwiesen. Darin hatte der Bund den Ländern mehr Geld zugesagt, wenn im Gegenzug die Qualität in den Häusern gesteigert werde. Ohnehin soll am 26. Mai eine Bund-Länder-Kommission ihre Arbeit an einem Konzept für eine grundlegende Krankenhausreform aufnehmen.

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Quelle:
SZ vom 25.04.2014
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