Man muss ja nicht gleich unterstellen, dass mit Markus Söder (CSU) die Gäule durchgegangen sind. Aber ein wenig scheu hat er die Pferde schon gemacht, als er vor sechs Jahren im Landtag eine hochtrabende Ankündigung abgab: In jeder bayerischen Großstadt werde eine Reiterstaffel der Polizei eingerichtet, insgesamt 200 Polizeipferde würden bald für „Sichtbarkeit und Respekt“ bei Großveranstaltungen sorgen. „Die berittene Polizei ist unsere bayerische Kavallerie“, sagte Söder im April 2018, frisch im Ministerpräsidenten-Sattel.
Zumindest aus Sicht des damaligen Oppositionspolitikers Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte er damit aufs falsche Pferd gesetzt. Der Kavallerie-Plan, kritisierte er, sei nur „ein weiteres Kapitel von Söders Showpolitik“ – und viel zu teuer. Als Aiwangers Partei kurz darauf in die Staatsregierung kam, wollte sie sich nicht vor Söders Wagen spannen lassen. Und so waren im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern plötzlich nur noch 100 Pferde übrig.
Natürlich galoppierten da all die Berufsnörgler aus Opposition und Medien los, um über das Prinzip Söder herzuziehen: mal hü, mal hott. Dabei sagt schon der Volksmund, dass ein erfahrener Landespolitiker nur so hoch springt, wie er muss.
Allerdings hat es selbst mit den 100 Pferden nicht geklappt. Nach Angaben des Innenministeriums gibt es bei der bayerischen Polizei aktuell 65 Tiere, 63 Polizistinnen und Polizisten haben eine Reitausbildung. Die jährlichen Kosten liegen bei etwa einer Million Euro.
Aus Söders Ziel, auch in den Großstädten Augsburg, Regensburg, Ingolstadt und Würzburg eine Reiterstaffel einzurichten, ist ebenfalls nichts geworden. Zu den bereits existierenden Standorten in München und Tuntenhausen bei Rosenheim kam 2019 nur Nürnberg hinzu. Der Ausbau sei „durch die Corona-Pandemie deutlich behindert“ worden, teilt das Ministerium mit.
Im Koalitionsvertrag taucht das Wort „Reiter“ nur noch in „Vorreiter“ und „Spitzenreiter“ auf
Die versprochene Vergrößerung ist auch nach der Pandemie nicht absehbar. Laut einem Sprecher des Innenministeriums liege der Fokus „in den kommenden Jahren insbesondere auf der Qualifizierung und Professionalisierung der berittenen Einheiten“. Und im neuen Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern taucht das Wort „Reiter“ nur noch in Selbstzuschreibungen wie „Vorreiter“ und „Spitzenreiter“ auf. Von einer bayerischen Kavallerie jedenfalls ist keine Rede mehr.
Dabei hätte es gerade einen schönen Anlass gegeben, die Zügel noch mal anzuziehen: Die erste Reiterstaffel der bayerischen Polizei in München feiert 125-jähriges Bestehen. Am Freitag dankten Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Söders Ehefrau Karin Baumüller-Söder der Einheit für „einen wichtigen Beitrag“ zur Sicherheit in Bayern. Gerade auf Festen, in großen Parks oder bei Vermisstensuchen seien die Polizeipferde hilfreich.
Die frühere Turnierreiterin Baumüller-Söder ist Schirmherrin der Kavallerie. Sie habe „das Projekt von Anfang an gut“ gefunden, sagte der Ministerpräsident zu Beginn ihrer Patenschaft vor vier Jahren. Auch Tochter Selina ist erfolgreich im Dressurreiten, sie träumt von einer Olympia-Teilnahme. An fehlender Unterstützung der Familie kann es also nicht liegen, dass Söder nicht mehr den Pferdeflüsterer gibt. Vielleicht hat ihn ja das Beispiel des ehemaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD) abgeschreckt. Dieser hatte der Schweiz im Streit um Steuerflüchtlinge mal mit der Kavallerie gedroht – und einen diplomatischen Eklat verursacht.