Bayerische Regierung:Markus Söder ist zufrieden mit sich selbst

Markus Söder 2018 bei der Vereidigung zum bayerischen Ministerpräsidenten.

Markus Söder bei seiner Vereidigung auf das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten mit Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU).

(Foto: dpa)
  • Vor hundert Tagen wurde Markus Söder als Ministerpräsident Bayerns vereidigt, den Termin nutzt er, um Resümee zu ziehen - weit über die Landesgrenzen hinaus.
  • Die Grundbotschaft: In Bayern läuft es - ganz im Gegensatz zu Berlin.
  • Im Streit mit der CDU müssten schnelle Entscheidungen her, sagt Söder.
  • Die Opposition dagegen stellte Söder ein vernichtendes Zeugnis für seine ersten 100 Regierungstage aus.

Von Wolfgang Wittl

Hundert Tage steht Markus Söder (CSU) nun als Ministerpräsident an der Spitze des Freistaats, und wie könnte er ein erstes Fazit seiner Amtszeit stilgerechter zelebrieren als mit einem Weißwurstfrühstück? Söder hat am Freitag in die Staatskanzlei eingeladen, doch sein Resümee zielt weit über die bayerischen Landesgrenzen hinaus. Im Grunde gehe es ja um 200 Tage, sagt er: 100 Tage in Bayern, 100 Tage große Koalition in Berlin. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, wer in der Bilanz besser wegkommt.

Von den 100 einzelnen Projekten, die er in seiner ersten Regierungserklärung angekündigt hat, seien etwa zwei Drittel bereits in Angriff genommen worden, sagt Söder: "62 sind entweder beschlossen, schon umgesetzt oder die Umsetzung ist auf den Weg gebracht worden." Deshalb sei er mit dem Erreichten und der Arbeitsweise sehr zufrieden. Dies gelte insbesondere auch für den direkten Vergleich mit der Bundesregierung, die ja ähnlich lang im Amt sei. Für seine Regierungsarbeit in Bayern nannte er drei Schwerpunkte: Recht, Ordnung und Identität, sich um die einheimische Bevölkerung kümmern, Zukunftstechnologien fördern.

Söder wurde am 16. März zum Nachfolger von Horst Seehofer gewählt. "In Bayern wird regiert und konsequent entschieden und nichts auf die lange Bank geschoben. Wir sind das Gegenmodell zu Berlin", sagte er. Die Bundesregierung hingegen sei weiterhin zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die große Koalition verharre nach Wochen der Verhandlungen noch immer in einer inneren Diskussion.

Mit Blick auf den erbitterten und festgefahrenen Asylstreit zwischen CDU und CSU betonte Söder erneut, dass es schnell zu Entscheidungen kommen müsse. "Es ist keine einfache Situation, Berlin ist kein Rückenwind für uns, eher ein Mühlstein." Eine Prognose zu den anstehenden EU-Gipfelgesprächen und den sich daraus ergebenden Folgen wollte er nicht abgeben. Man müsse die Ergebnisse abwarten und anschließend bewerten. Die Auseinandersetzung in Berlin über die Flüchtlingspolitik spiele "eine zentrale Rolle für die Glaubwürdigkeit und Entscheidungskraft" auch in Bayern.

"Dieser Ministerpräsident braucht Kontrolle und Mäßigung"

An diesem Sonntag trifft sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Brüssel mit mehreren europäischen Regierungschefs, um über die Zuwanderungsfrage zu beraten. Ende nächster Woche kommen alle EU-Mitgliedsstaaten zusammen. Bis dahin hat die CSU der Kanzlerin eine Frist gesetzt: Sollte Merkel ohne Ergebnisse zurückkehren, will Bundesinnenminister Horst Seehofer an deutschen Grenzen mit der Zurückweisung von Asylbewerbern beginnen, die bereits in anderen EU-Ländern registriert worden sind. Merkel lehnt diese Pläne bislang ab und hat bereits auf ihre Richtlinienkompetenz verwiesen. Die CSU will sich am Sonntag, 1. Juli, umgehend nach dem EU-Gipfel zu einer Vorstandssitzung treffen und das weitere Vorgehen besprechen.

Söder lobte am Freitag den großen Zusammenhalt in der CSU. "Wir sind so einig und geschlossen, wie wir es seit Jahren nicht waren." Partei und Staatsregierung arbeiteten "aus einem Guss", seine Zusammenarbeit mit Parteichef Seehofer sei so gut wie seit Jahren nicht. Auch über sein Kabinett äußerte sich Söder sehr zufrieden: Es herrsche ein guter Teamgeist, alle Minister und Staatssekretäre zeigten außerordentliche Leistungsbereitschaft. "Aber das erwarte ich auch". Den Satz seines Wirtschaftsministers Franz Pschierer, der gesagt haben soll, "Merkel muss weg", kommentierte Söder mit den Worten: "Das war keine Auftragsarbeit."

Von den neuesten Umfragen gibt Söder sich unbeeindruckt

Die Landtagswahl am 14. Oktober wird nach Söders Ansicht erst in den letzten Tagen entschieden. "Ich halte alles für möglich - alles", sagte er am Freitag. Wie schnell das Pendel umschlagen könne, habe man vor einem Jahr bei der Bundestagwahl gesehen. "Entscheidend ist, dass man langen Atem hat und gute Nerven. Und das hat man nur, wenn man von seiner Arbeit überzeugt ist." Er habe in 100 Tagen bereits 300 Termine absolviert und 40 000 Kilometer zurückgelegt. "Physischer Einsatz und massive Präsenz in der Bevölkerung" seien für ihn wesentliche Bestandteile im Wahlkampf.

Obwohl die CSU in Umfragen derzeit nur knapp über 40 Prozent liegt - das wäre ein historischer Tiefstand bei einer Landtagswahl - habe er keine Angst, sagte Söder: "Wenn man vor einem Fußballspiel primär die Frage diskutiert, was passiert, wenn es verloren geht, dann wird es verloren." Ein Großteil der Bürger sei "noch nicht ganz schlüssig sind, ob wir zu dem stehen, was wir sagen". Deswegen sei es wichtig, die Zuwanderungsdebatte jetzt zu führen und auch zu entscheiden, anstatt sie wie vor der Bundestagswahl wieder zu vertagen. "Der Zeitgeist ist nicht links: Weder in Deutschland, noch in Europa", sagte Söder: "Volksparteien können nur bestehen, wenn sie entscheidungsfähiger werden, und nicht in alten Riten denken."

Die Opposition stellte Söder ein vernichtendes Zeugnis für seine ersten 100 Regierungstage aus: "Außer Hochglanzfotos und vielen Sprechblasen steht nicht viel Handfestes drin in Markus Söders Bilanz. Ich sehe den Fehlstart eines Ministerpräsidenten, der in der Geschichte Bayerns seinesgleichen sucht", sagte Uli Grötsch, der Generalsekretär der Bayern-SPD. Sorge bereite ihm vor allem Söders Rechtsruck. "Dieser Ministerpräsident braucht Kontrolle und Mäßigung", forderte Grötsch. Aus Angst vor dem Verlust der absoluten Mehrheit fahre Söder "einen immer nationalistischeren Kurs wie die Anti-Europäer in Italien, Polen, Ungarn und Österreich". Die Landtagswahl werde daher zur Richtungsentscheidung über Europa.

Auch Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, kritisierte Söder scharf. In den ersten 100 Tagen habe sich bestätigt: "Söder neigt mehr zu Show und Größenwahn als zu gesundem Menschenverstand. Bayerisches Weltraumprogramm und Kavallerie sind ihm wichtiger als kostenfreie Kinderbetreuung. Man kann ihn nicht alleine regieren lassen."

Die Landtagsgrünen werfen Söder vor, er habe den Freistaat schon jetzt tief gespalten. "Markus Söder ist kein Zusammenbringer, sondern ein Ausgrenzer", sagte Fraktionschef Ludwig Hartmann. Söder spiele Menschen gegeneinander aus - "Einheimische gegen Zugereiste, Konservative gegen Progressive, Hartz-IV-Empfänger gegen Flüchtlinge." Wegen seiner Aussichten bei der Landtagswahl treibe Söder die CSU im Bund bewusst in den Koalitionsbruch, europapolitisch fahre Söder einen "Crashkurs", sagte Fraktionschefin Katharina Schulze: "Wer geschichtsvergessen das Ende des Multilateralismus ausruft, gefährdet unsere stabile Nachkriegsordnung. Das ist ein Bärendienst an Bayern und Deutschland."

(Mit Material von dpa.)

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