Markus Söder im Interview:"Ich bin nicht mehr grün hinter den Ohren"

"Bioland Bayern" ist die Vision von Umweltminister Söder. Auch für FDP-Minister Rösler hat er ein paar Tipps parat.

Birgit Kruse und Hans-Jürgen Jakobs

sueddeutsche.de: Herr Söder, als Umwelt- und Gesundheitsminister führen Sie das größte Ressort in Bayern. Sind Sie auch der Minister mit der größten Durchschlagskraft?

Markus Söder im Interview: Bayerns Umweltminister Markus Söder: "Die ökologische Stärke Bayerns wird auf Dauer auch seine ökonomische sein."

Bayerns Umweltminister Markus Söder: "Die ökologische Stärke Bayerns wird auf Dauer auch seine ökonomische sein."

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Markus Söder: Wir sind auf jeden Fall das lebensnäheste Ministerium. Denn wir beschäftigen uns mit allen wichtigen Bereichen des menschlichen und natürlichen Lebens.

sueddeutsche.de: Hört sich ja sehr romantisch an. Was haben Sie in dieser neuen Rolle seit einem Jahr erreicht?

Söder: Bei der grünen Gentechnik war unser politischer Kurs erfolgreich. Es wurde nicht nur der staatliche Versuchsanbau eingestellt, sondern auf unsere Initiative hin auch der Anbau von Genmais Mon 810 verboten. Im Koalitionsvertrag konnten wir jetzt erreichen, dass die Länder die Abstandsflächen für den kommerziellen Anbau selbst regeln können. Damit wird in Bayern ein kommerzieller Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen weitgehend ausgeschlossen sein.

sueddeutsche.de: Weniger Erfolg hatten Sie mit Ihren Vorhaben, die CSU-Pläne zum Ausbau der Donau zu kippen. Auf dem Parteitag in Nürnberg haben sich nur zwölf Anhänger gefunden, die mit Ihnen gegen das Staustufenmodell gestimmt haben.

Söder: In der Tat - die CSU hat auf ihrem Parteitag einen klaren Beschluss gefasst. Ich bleibe aber bei meiner Auffassung. Wir haben ein halbes Jahr über Einschätzungen diskutiert. Jetzt wird es Zeit, dass die Fakten klar dargelegt werden. Dazu ist das Gutachten erforderlich. Es wird in circa zwei bis drei Jahren die Ergebnisse liefern. Dann wird endgültig entschieden.

sueddeutsche.de: Dann verstehen Sie sich als der grünste Minister im schwarz-gelben Kabinett?

Söder: Grün hinter den Ohren bin ich hoffentlich nicht mehr. Aber im Ernst: Für die Bayern sind Natur und Umwelt wichtig. Die Menschen in Bayern wollen, dass sich ihr Land zum Bioland weiterentwickelt. Sie legen Wert auf gesunde Lebensmittel. Das ist besonders wichtig für die kleinstrukturierte bayerische Landwirtschaft. Wir wollen in der Lebensmittelproduktion der Feinkostladen Deutschlands werden. Die anderen können dann gerne den Discounter geben.

sueddeutsche.de: Mit Landwirtschaft allein wird es aber nicht getan sein.

Söder: Das ist aber der zentrale Punkt. Außerdem braucht es mehr natürliche Lebensräume in Bayern. Am wichtigsten sind dabei die Alpen. Diese Region ist der ökologisch sensibelste Bereich. Daher wollen wir eine große Alpenstrategie entwickeln - nicht nur für Bayern.

sueddeutsche.de: Wie soll die Alpenstrategie aussehen?

Söder: Besonders wichtig ist dabei, dass die Alpen-Anrainerstaaten eine gemeinsame Klimapolitik betreiben. Es braucht ein Grünbuch auf europäischer Ebene - und eine Leitlinie für den Artenschutz in den Alpen. Wenn der Klimawandel so kommt wie von Wissenschaftlern vorhergesagt, ist der Schnee-Enzian noch mehr gefährdet. Ein Grad wärmer bedeutet auch eine massive Veränderung des Wasserhaushaltes. Der Süden Bayerns wird immer mehr mit Hochwasser zu kämpfen haben, während es im Norden immer trockener wird. Auch die Vegetationszonen verschieben sich um 200 bis 300 Kilometer nordwärts. Die Fichte, die kühlere Lagen bevorzugt, wird es dann so nicht mehr in fränkischen Wäldern geben. Deswegen müssen wir Anpassungsmaßnahmen beim Waldumbau ergreifen.

sueddeutsche: Ist damit schon die Zukunftsfähigkeit des Freistaats gesichert?

Söder: Die ökologische Stärke Bayerns wird auf Dauer auch seine ökonomische sein. Ob es um Tourismus oder Energietechnologien geht - Umwelttechnologie wird ein Exportschlager für Deutschland. Bayern kann dabei die Nummer eins in Deutschland werden.

"Der Klimawandel wird auch Bayern verändern"

sueddeutsche.de: Was erwarten Sie sich vom Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember? Die Aussichten sind ja bei vielen Politikern eher in Moll gehalten.

Markus Söder im Interview: "Der Klimawandel kommt. Entweder wir bereiten uns darauf vor oder wir werden davon überrollt."

"Der Klimawandel kommt. Entweder wir bereiten uns darauf vor oder wir werden davon überrollt."

(Foto: Foto: dpa)

Söder: Ich befürchte, es kommt zu wenig dabei heraus. Die Verantwortung dafür liegt aber sicherlich nicht bei den Mitteleuropäern. Es reicht eben nicht nur, Ziele in Aussicht zu stellen. Man muss sie auch umsetzen, zum Beispiel den Emissionshandel über Europa hinaus international etablieren. Wenn Kopenhagen scheitert, holt uns die Realität bitter ein - auch die Länder, die jetzt zögern. Der Klimawandel kommt. Entweder wir bereiten uns darauf vor oder wir werden davon überrollt. Die Folgen des Klimawandels bedeuten vor allem in der Dritten Welt nichts anderes als Armut und am Ende bewaffnete Konflikte.

sueddeutsche.de: Wie wollen Sie die CO2-Emissionen in Bayern senken?

Söder: Der Klimawandel wird auch Bayern verändern. Und das schon in den nächsten zehn Jahren. Deswegen müssen wir heute handeln. Wir haben eine breitgefächerte Strategie. Ein zentrales Projekt ist dabei die Elektromobilität. Hier ist die Verbindung zwischen Ökonomie und Ökologie evident. Wir wollen die Technologie weiterentwickeln und Bayern als erstes Land mit einer mobilen Elektro-Infrastruktur ausrüsten - das heißt, mit vielen E-Tankstellen über das ganze Land verteilt. Die neuen Forschungsprojekte des Energiecampus Nürnberg bereiten dies vor.

sueddeutsche.de: Das klingt, als sei der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger Ihr großes Vorbild.

Söder: Man kann über ihn sagen, was man will. Aber bei dem Thema Elektromobilität ist er stark.

sueddeutsche.de: Auf der CSU-Ministerklausur wurde jüngst die Verlagerung des Landesamtes für Statistik von München in Ihre fränkische Heimat nach Fürth beschlossen. Das muss Sie ja riesig freuen?

Söder: Das ganze Strukturprogramm ist wichtig. Der Freistaat hat immer eingegriffen, wenn eine Region in Bayern besondere Unterstützung gebraucht hat. Behördenverlagerungen sind ein Element der Strukturpolitik. In München arbeiten rund 67.000 Mitarbeiter des Freistaates Bayern im öffentlichen Dienst. Für viele Beamte - gerade des mittleren Dienstes - ist dies wegen der hohen Lebenshaltungskosten wenig attraktiv. Bei der Verlagerung des Landesamtes für Statistik kommt hinzu: Für die Volkszählung im Jahr 2011 kann das Landesamt bis zu 200 befristete Stellen vergeben - es handelt sich um Tätigkeiten, die auch für viele Frauen interessant sind, die bisher bei Quelle gearbeitet haben.

sueddeutsche.de: Weniger klar ist die Zukunft der Gesundheitspolitik in Deutschland. Weder im Koalitionsvertrag noch zwischen den Regierungsparteien ist man sich wirklich einig. Auch die Klausur in Meseberg war wenig erhellend. Sind die Linien wenigstens für Sie klar?

Söder: Man muss sich von der virtuellen Debatte um die Kopfpauschale lösen, wie sie die FDP im Wahlkampf gefordert hat. Wir haben im Koalitionsvertrag 99 Prozent wichtige Sachen beschlossen, die dringend angegangen werden müssen. Bundesgesundheitsminister Rösler sollte sich jetzt diesen wichtigen Dingen widmen.

sueddeutsche.de: Die da wären?

Söder: Die Regionalisierung voranbringen, damit die Finanzverteilung in Deutschland gerechter wird - und nicht einseitig zu Lasten der südlichen Länder ausfällt. Die Reform der Ärztehonorare muss so umgestaltet werden, dass die Verteilung der Gelder solidarisch und gerecht wird. Außerdem muss nicht automatisch jeder Preis für ein innovatives Medikament bezahlt werden, den die Pharmakonzerne fordern.

"Der Fonds wird Geschichte werden"

Markus Söder im Interview: Markus Söder: "Wir brauchen neue Ideen für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum."

Markus Söder: "Wir brauchen neue Ideen für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum."

(Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Aber im Koalitionsvertrag ist auch die Rede von "einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen". Darunter könnte man durchaus die "Kopfpauschale" verstehen.

Söder: Kommt die Pauschale in reinster Form, werden die Grundfesten des Solidarprinzips erschüttert. Wir wollen mehr Wettbewerb, mehr Regionalität und Beitragsautonomie für die Krankenkassen.

sueddeutsche.de: Also eine definitive Ablehnung des FDP-Modells.

Söder: Die Kopfpauschale, wie es sich die Liberalen vorstellen, ist nicht finanzierbar. Der Sozialausgleich dafür würde zwischen 20 Milliarden und 40 Milliarden Euro kosten. Das kann kein deutscher Regierungshaushalt darstellen. Wir wollen stattdessen eine Abkehr vom Zentralismus sowie von Bürokratie und Staatsmedizin. Die Kopfpauschale hilft bei diesen Problemen nicht.

sueddeutsche.de: Was ist mit dem Gesundheitsfonds? Den lehnen Sie doch auch ab.

Söder: Er wird in seiner bisherigen Form auf keinen Fall bleiben. Dieser Fonds war ein Kompromiss mit Ulla Schmidt. Und deren Politik will wirklich niemand mehr weiterverfolgen. Der Fonds wird Geschichte werden.

sueddeutsche.de: Aber ist eine Politik, die Arbeitgebersätze für die Krankenkassen einzufrieren und die Kosten nur noch auf den Arbeitnehmer abzuwälzen, denn sozialer als die Politik von Ulla Schmidt?

Söder: Steigende Lohnnebenkosten führen auf Dauer zum Verlust von Arbeitsplätzen und Beitragsgeldern in der gesetzlichen Krankenversicherung. Daher braucht es ein ausgewogenes System zwischen Eigenverantwortung und Solidarität. Das System ist gerecht. Bei einer Entkoppelung der Arbeitgeberbeiträge muss allerdings auf Folgendes geachtet werden: Die Finanzierungsbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern dürfen nicht zu weit auseinanderdriften.

sueddeutsche.de: Im Bund wird sich eine Kommission mit den Fragen zur Gesundheitspolitik befassen. Auch in Bayern ist eine solche geplant. Was kann sie denn leisten?

Söder: Im Bund steht offenbar noch nichts fest - wobei ich glaube, dass wir in der Gesundheit mehr Einigung haben, als es den Eindruck macht. Wir müssen uns nur an den Koalitionsvertrag halten. Wir brauchen jetzt einen echten Richtungswechsel in der Gesundheitspolitik. Dabei geht es nicht nur um Geld. Ich halte es für dringend notwendig, dass die Länder in die Kommission integriert sind. Denn das Gesundheitssystem ist nun einmal föderal. Also sollen die Betroffenen sich auch einbringen können.

Auf der bayerischen Ebene wollen wir dazu die Vorarbeit leisten. Wir müssen vor allem darauf achten, dass die hohe Qualität der medizinischen Versorgung in den ländlichen Räumen Bayerns erhalten bleibt.

sueddeutsche.de: Was sind Ihre Rezepte?

Söder: Wir brauchen neue Ideen für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum. Dazu gehören Stipendien für junge Ärzte mit der Auflage, sich für einen bestimmten Zeitraum in der Region niederzulassen. Auch die Städtebauförderung steht auf dem Prüfstand. Wenn ein Landkreis für Berufseinsteiger Praxisräume zur Verfügung stellen will, sollte dies auch mit Mitteln des Städtebaus gefördert werden.

sueddeutsche.de: Der Einfluss der Lobby auf die Gesundheitspolitik ist groß. Wie soll er zurückgedrängt werden?

Söder: In der Gesundheitspolitik gibt es viele Experten. Um nicht zum Spielball von vielfältigen Interessen zu werden, muss jeder seinen eigenen Kompass entwickeln. Für mich ist das Arzt-Patienten-Verhältnis die Grundlage der medizinischen Versorgung.

sueddeutsche.de: Und Herr Rösler hat diesen Kompass schon?

Söder: Das kommt sicher. Auf jeden Fall hat die FDP bei den Ärzten viele Erwartungen geweckt. Insofern ist es auch sehr charmant, dass sie jetzt die Chance hat, diese Erwartungen zu erfüllen.

sueddeutsche.de: Die Auffassungen der Koalitionspartner sind nach wie vor unterschiedlich. Wie weit würden Sie gehen, um die bayerischen Interessen im Bund durchzusetzen?

Söder: Wir tragen den Koalitionsvertrag wie eine Bibel vor uns her. Was wir beschlossen haben, muss umgesetzt werden. Mit uns muss man rechnen.

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