Unter Bayern:Du bist, was du isst

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Ministerpräsident Markus Söder zelebriert gerne seine Vorliebe für deftige Fleischgerichte. Immerhin hat er in Bayern noch keine Pflicht zum Verzehr von Rostbratwürsten eingeführt. (Foto: dpa)

Die bayerische Staatsregierung zeigt eine auffallende Schwäche für Unfug und Schein-Debatten.

Glosse von Franz Kotteder

Eine geheime Zusatzklausel des Koalitionsvertrags zwischen CSU und Freien Wählern scheint zu besagen, dass es sich die Staatsregierung zum Ziel gesetzt hat, ihr Volk mit allerlei Unfug zu behelligen. Das funktioniert, wie man allerorten sieht, überraschend gut und stößt breite gesellschaftliche Debatten an. An der Münchner Hochschule für Philosophie macht man sich angeblich gerade Gedanken darüber, ob man sich an das Genderverbot gebunden fühlen soll. Das hat Charme, denn diese Uni befindet sich in der Trägerschaft der Societas Jesu. Jesuitinnen im engeren Sinne gibt es nicht, aber das macht noch nicht den Witz der Sache aus, sondern eher, dass der Jesuitenorden als Teil der katholischen Kirche die ganze Sache offenbar viel entspannter sieht als die bayerische Staatsregierung.

Zum Thema der Cannabislegalisierung haben sich die bayerischen Kirchenfürsten noch nicht geäußert. Im Unterschied zur Staatsregierung, die Rauschzustände billigt bis gutheißt, sofern sie durch Alkohol in seinen verschiedenen Erscheinungsformen (Bier, Wein, Schnaps) erzeugt werden. Zu Zeiten von Franz Josef Strauß führte das sogar zu exzessiven Selbstversuchen der Amtsinhaber, davon sind die heutigen Würdenträger weit entfernt. Ministerpräsident Markus Söder hält zwar gerne volle Masskrüge in Kameras, trinkt sie aber niemals aus. So kennt man unsere bayerischen Pharisäer: Wein predigen, aber heimlich Wasser saufen!

Gerade ist im Gourmetmagazin Falstaff ein Doppelinterview mit Söder und dem ehemaligen TV-Entertainer Thomas Gottschalk erschienen. Auf dem Tisch zwischen den beiden stehen fünf Thermoskannen, zahlreiche Flaschen Cola light und Mineralwasser, aber keine einzige Halbe Bier. Ob die beiden da der „ideologischen Bevormundung“, die Söder wortreich beklagt, gar selber erlegen sind? Doch halt, die bezieht sich ja auf die Forderung nach Bio-Hendl auf dem Oktoberfest, ein Beleg der CSU für die ökologische Gesinnungsfolter seit den Tagen der Hochzeit des Kronprinzen Ludwig mit der Prinzessin Therese im Jahre 1810. Folgerichtig werden dem tageweise sich vegetarisch ernährenden Gottschalk dann fürs Foto Rostbratwürstl aufgetischt. Wäre ja noch schöner. Und während man schon befürchtet, jetzt komme in ganz Bayern die „Drei im Weckla“-Pflicht, gibt Söder Entwarnung: „Jeder soll essen dürfen, was er möchte.“ Wir sind noch mal davongekommen.

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