Unter Bayern:Im Learjet nach Kiew

Mal angenommen, Markus Söder wäre doch Kanzler geworden. Da hätten sie in der Ukraine nicht lange auf einen Besuch warten müssen.

Glosse von Roman Deininger

Berlin, 24. Juni. Bundeskanzler Markus Söder (CSU) ist zuversichtlich, dass er die jüngsten Irritationen im Verhältnis zu seinen Amtskollegen aus Frankreich und Italien noch vor dem G-7-Gipfel auf Schloss Elmau ausräumen kann. Man werde das am Samstag "unter acht Augen" bei einem Mittagessen im Nürnberger Bratwurst-Röslein klären, sagte Söder. "Da geht die Tür zu und dann sind da nur noch ich, der Emmanuel, der Mario und der Fotograf von der Bild-Zeitung." Der französische Präsident Macron und der italienische Premier Draghi hatten Söder vorgeworfen, bei einem gemeinsam geplanten Besuch in Kiew absichtlich mehrere Stunden vor der vereinbarten Zeit eingetroffen zu sein. Söder war deshalb zunächst allein mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aufgetreten und hatte bei einer Zeremonie auf dem Maidan 350 Panzerhaubitzen an die ukrainische Armee übergeben.

Der Bundeskanzler stellte am Freitag noch einmal klar, dass er lediglich im ostpolnischen Przemysl den verabredeten Zug verpasst habe. "Dann musste ich den Learjet nehmen", so Söder. Er bedauere das ausdrücklich: "Ich hatte mich sehr auf die geselligen Stunden mit Manu und Mario gefreut." Anderseits sei es "auch ganz wichtig, zu dokumentieren, dass es nicht nur darum geht, mit dem Schlafwagen nach Kiew zu fahren". Aus dem Elysee-Palast verlautete, man erwarte, dass "die Sticheleien aus Berlin" bis zum Gipfel endlich aufhörten. Schon bei der Pressekonferenz mit Selenskyi in Kiew hatte sich Macron sichtbar angefasst direkt an Söder gewandt: "Markus, lass es. Markus, warum sagst du jetzt wieder das?" Die Szene hat bei Youtube bislang 2,3 Milliarden Aufrufe, davon allein 1,7 Milliarden in Bayern.

Seit Beginn der russischen Invasion hat der Kanzler die Ukraine insgesamt 19 Mal besucht. Er sei damit, sagte Söder, "ehrlicherweise öfter in Kiew gewesen als die Kollegen aus allen anderen EU-Staaten zusammen". Eine zwanzigste Reise in dieser Woche, bei der er Selenskyj über das 250-Milliarden-Paket für die Bundeswehr informieren wollte, musste er kurzfristig absagen, um am feierlichen Wiederanfahren des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld teilzunehmen zu können. Söder bestätigte am Freitag, dass Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) seine Amtsgeschäfte bis auf weiteres von Podgorica aus wahrnehmen werde: "Mit dem achtmonatigen Besuch des Vizekanzlers in Montenegro betonen wir unsere Wertschätzung für alle EU-Beitrittskandidaten am Westbalkan."

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