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Brauchtum:"An Lichtmess fängt der Bauersmann neu mit des Jahres Arbeit an" 

Der 2. Februar zählte einst zu den wichtigsten Tagen im Jahreslauf. Die alte Herrlichkeit ist längst verblasst, aber mancherorts lebt sie auf berührende Weise fort.

In ländlichen Regionen werden bisweilen Traditionen gepflegt, die sich eigentlich überlebt haben, was sie freilich umso interessanter macht. Im niederbayerischen Marktflecken Massing fand am vergangenen Dienstag, wie jedes Jahr vor Mariä Lichtmess, ein Wachsmarkt statt. Ein Ereignis, das umwölkt ist von jener Melancholie, die einst dem Schriftsteller Joseph Roth bei seinen großen Romanen über das Habsburgerreich die Feder geführt hat.

Das am 2. Februar gefeierte Fest Mariä Lichtmess war einst mit Ritualen und Bräuchen bis an den Rand gesättigt. Zudem war es einer der wichtigsten Scharniertage im Jahreslauf, eine Bauernregel nennt den schlichten Grund dafür: "An Lichtmess fängt der Bauersmann - neu mit des Jahres Arbeit an."

Die Dienstboten erhielten an diesem Tag ihren Jahreslohn und hatten ein paar Tage frei. Überdies konnten sie jetzt den Arbeitsplatz wechseln. Der Lichtmessmarkt, wie er in Massing überdauert hat, bot für Verhandlungen beste Chancen. Die Kommunikation verlief dabei stets direkt, die Standlleute pflegen diesen Stil heute noch. "Griasdi Chef", lockt der Wurstverkäufer den Kunden an, "die Rengschburger da, die hab i extra für di aufghoben, des is was für an Feinschmecker, die nimmst ..."

An den Standln werden Bauerngeräuchertes und Zwetschgenbavesen feilgeboten, dazu faustgroße Hühnereier, zwilchene Unterhosen und Wundermittel aller Art. Es ist fast wie Weihnachten, und das stimmt ja auch. Einst dauerte die liturgische Weihnachtszeit bis Lichtmess. Erst seit den 1960er-Jahren endet sie am Sonntag nach dem Dreikönigstag (6. Januar). Tatsächlich war heuer festzustellen, dass es wieder in Mode kommt, den Weihnachtsschmuck bis Lichtmess stehen zu lassen.

Auch das Wachsstöckl gehört zu Lichtmess. Für die Knechte ziemte es sich, jenen Mägden, die ihre Wäsche wuschen, zum Dank ein Wachsstöckl zu schenken. Als die Technisierung der Landwirtschaft einsetzte, ändert sich alles. Josef Bierbichler schildert diese Entwicklung im Roman "Mittelreich": "An Lichtmess 1935 wurden zwei Knechte ausgestellt, sie waren überflüssig geworden."

Die Zeit der Dienstboten ist längst vorbei, die des Wachsstöckls aber noch nicht. Gerade im amourösen Streben schadet es nie, dem herzliebsten Gspusi ein solches zu schenken.

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