Mangfalltal:Bauern protestieren gegen Trinkwasserschutzzone

Mangfalltal: Die Proteste gegen das neue Schutzgebiet sind heftig, die Wortwahl durchaus deutlich.

Die Proteste gegen das neue Schutzgebiet sind heftig, die Wortwahl durchaus deutlich.

(Foto: Florian Peljak)
  • München bezieht 80 Prozent des Trinkwassers aus dem Mangfalltal. Damit es klar bleibt, wurden in den 1960er Jahren Schutzzonen eingerichtet.
  • Das Schutzgebiet soll nun ausgeweitet werden.
  • Bauern in dem betroffenden Gebiet fühlen sich bevormundet und wehren sich. Sie befürchten, dass sie Weiden und Felder nicht mehr wie gewohnt bewirtschaften dürfen.

Von Matthias Köpf und Christian Sebald

Wenn es am späten Nachmittag dunkel wird im winterlichen Mangfalltal, dann leuchten die Fenster der weit verstreuten Höfe wie kleine Lichtpunkte im Nieselregen. Wirklich hell scheinen nur die Oberlichte und die offenen Seiten der neuen Laufställe. Am Hof von Alois Fuchs dringt das Licht noch durch kleine Fenster. Sein Vater hat den Stall 1976 gebaut, die Maschinenhalle dahinter 1999, alles kein Problem damals, sagt Fuchs.

Als Biobauer muss der 45-Jährige womöglich auch bald so einen neuen Laufstall bauen. Er befürchtet, dass er das dann nicht mehr darf und die Landwirtschaft auf seinen 17 Hektar aufgeben muss. Darum sitzt Fuchs jetzt auf der Eckbank in seiner Stube, am Tisch mit den anderen Rebellen. Denn wenn dieses neue Wasserschutzgebiet so käme, sagt Alois Fuchs, "dann wären wir alle tot".

Mangfalltal: Alois Fuchs hat Angst um seinen Jahrhunderte alten Hof im Mangfalltal.

Alois Fuchs hat Angst um seinen Jahrhunderte alten Hof im Mangfalltal.

(Foto: Florian Peljak)

Ihr Gegner ist groß und hat seinen Sitz in München, es sind die Stadtwerke, die aus dem Mangfalltal Trinkwasser beziehen. Schon seit Jahren wollen sie das Wasserschutzgebiet rund um ihre Quellen und Fassungen von 850 auf 1590 Hektar fast verdoppeln. Die Handlanger der mächtigen Münchner sitzen im Landratsamt in Miesbach, so sehen das jedenfalls Alois Fuchs, Marion von Kameke vom nahen Biogut Wallenburg und ihre Mitstreiter von der Initiative "Heimatwasser".

Der 2014 ins Amt gewählte grüne Landrat Wolfgang Rzehak hat das über die Jahre fast schon versickerte Verfahren neu in Gang gebracht. Seither ist auch der Widerstand wieder wütend geworden, und professioneller obendrein. Anders als die Aktivitäten des zehn Jahre alten Vereins "Unser Wasser" ist die neue "Heimatwasser"-Kampagne von bezahlten Fachleuten orchestriert - schon wegen der Waffengleichheit, wie Kameke sagt. Im Mangfalltal hängen nun Transparente an Häusern und Holzgestellen. "Stoppt Behördenwillkür" steht darauf. Es ist ein Streit, so derb und prall, wie er wohl nur im bayerischen Oberland spielen kann. M-Wasser, wie die Stadtwerke gerne werben, gegen Heimatwasser.

Info

128 Liter Wasser verbraucht jeder Münchner am Tag. Bei derzeit 1,54 Millionen Münchnern summiert sich das 197 Millionen Liter täglich.

3124 Trinkwasserschutzgebiete gibt es in Bayern. Derzeit laufen 370 Ausweisungsverfahren für neue Schutzgebiete.

4152 Quellen werden in Bayern für die Trinkwasserversorgung genutzt. Die Zahl der Trinkwasserbrunnen beträgt 4432.

Das Mangfalltal ist lebenswichtig für die Trinkwasserversorgung der Landeshauptstadt. Hier, etwa 35 Kilometer südlich von München, kommen vier Grundwasserströme zusammen. Die Quellfassungen der Stadtwerke dort liefern 2800 Liter bestes Trinkwasser pro Sekunde. Das sind knapp 242 Millionen Liter am Tag oder 80 Prozent des Bedarfs der Stadt München. Ohne das Mangfalltal würden die Menschen in der Landeshauptstadt auf dem Trockenen sitzen. Wasser ist neben Energie der Lebensnerv der schnell wachsenden Metropole.

Die Stadt bezieht schon seit dem 19. Jahrhundert Trinkwasser aus dem Mangfalltal. Seinerzeit war München berüchtigt für schlechtes Wasser, Typhus und Cholera grassierten. Also ließ der Stadtrat nach sauberen Quellen suchen. 1883 ging die erste Leitung vom Mangfalltal nach München in Betrieb. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Versorgung um eben jene Quellen und Fassungen erweitert, um deren Schutz sich der Streit heute dreht.

Die Beamten fürchteten 1964 ein "Monsterverfahren" - und verschoben die Entscheidung

Damit das Wasser sauber bleibt, muss um die Quellen herum ein Schutzgebiet ausgewiesen werden. Doch ausgerechnet das Schutzgebiet im Mangfalltal ist viel zu klein, und zwar im Prinzip schon seit seiner Ausweisung 1964. Die Beamten im Landratsamt Miesbach verzichteten damals auf eine von drei Schutzzonen - weil sie das "Monsterverfahren" scheuten, wie es in der Verordnung von 1964 heißt. Sie behielten sich aber die Erweiterung vor. Genau das soll nun nachgeholt werden - gegen den Widerstand der Bauern: Sie befürchten, dass sie ihre Weiden und Felder bald nicht mehr wie gewohnt bewirtschaften dürfen. Die Auflagen im Trinkwasserschutzgebiet empfinden sie als eine Form der Enteignung - ein Wort, das bei Betroffenen den Blutdruck hochtreibt.

Im Zentrum der Kritik steht der grüne Landrat Wolfgang Rzehak. Auf ihn und seine Beamten zielen die Parolen von der "Behördenwillkür", die auf den Bannern prangen. Dabei handeln Rzehak und seine Mitarbeiter nicht aus eigenem Antrieb. Denn eigentlich ist die Ausweisung von Wasserschutzgebieten Aufgabe der Staatsregierung. Aber diese hat die Sache an die Landräte delegiert: Rzehak handelt gleichsam im Auftrag der Staatsregierung, was nicht heißt, dass er gegen das Schutzgebiet ist. Bei einer Wahlveranstaltung in Gmund soll der grüne Landrat laut dem Lokalblatt Tegernseer Stimme gesagt haben, seine Vorgänger hätten sich nicht getraut, das Thema anzugehen. Mittlerweile sagt Rzehak öffentlich überhaupt nichts mehr zu dieser Angelegenheit.

Wenn es nach den Widerständlern um Fuchs, Kameke und ihren Anwalt Benno Ziegler ginge, dann sollen die Münchner ihr Wasser am liebsten woanders zapfen: Sie bezweifeln ganz generell das sogenannte Altrecht der Stadt, im Mangfalltal Wasser zu fördern. Außerdem verlangen sie, es solle geprüft werden, ob die Stadt beispielsweise in der Schotterebene oder im Hofoldinger Forst Quellen erschließen könne. Das wurde zuletzt auf Forderung der früheren Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) gemacht. Das Ergebnis: Die Grundwasservorkommen in der Münchner Schotterebene seien zu unergiebig, als dass sie für die Stadt ausreichten. Es gebe keine Alternative zum Mangfalltal - und damit auch nicht zum vergrößerten Schutzgebiet.

Im September trafen sich die gegnerischen Lager zu einer Anhörung in Miesbach. Argumente wurden dabei kaum ausgetauscht. Ziegler und andere Anwälte beklagten sich über schlechte Arbeitsbedingungen wie fehlende Tische und stellten Befangenheitsanträge in Serie gegen Rzehak und seine Beamten. Zwischenzeitlich ließ der Versammlungsleiter eine Polizeistreife kommen, um einen Anwalt des Saals zu verweisen. So etwas habe man in vielen, vielen Verfahren zuvor noch nie erlebt, hieß es danach - von beiden Seiten.

Ziegler sieht sich zu Unrecht bezichtigt, er wolle nur das Verfahren sprengen. Er habe auf handfeste Hinweise auf Befangenheit bei Rzehak und den Beamte reagiert. So versichert Fuchs eidesstattlich, dass ihm der Landrat schon Anfang Januar klar gesagt habe, dass er das größere Schutzgebiet werde ausweisen müssen. Zum Arsenal gegen den Landrat zählt eine Landtagspetition, die seit einigen Wochen auf Befassung wartet. Darin fordern Fuchs, Kameke und zwei weitere Unterzeichner, Rzehak samt seinen Beamten "wegen der Besorgnis der Befangenheit von der Mitwirkung am Verfahren zu entbinden".

Zwar dürfen Rzehak und seine Beamten sehr zuversichtlich sein, dass die Petition nicht angenommen wird. Das sagen zumindest Insider. Aber in dem ganzen Krawall verschwindet im Hintergrund, dass das Landratsamt schon vor dem Verfahren viel erreicht hat für alle, die von dem neuen Schutzgebiet betroffen sein könnten. So will die Stadt Miesbach ein Gewerbegebiet in das Schutzgebiet hinein erweitern. Die Fachbehörden drängen darauf, dass sie ihre Planungen zurücknimmt. Das Landratsamt hat durchgesetzt, dass die Stadt zumindest auf den bereits erworbenen Flächen Unternehmen ansiedeln darf.

Auch für die Landwirte hat das Landratsamt Verbesserungen erreicht. Bauern, die im engeren Bereich des Schutzgebietes einen neuen Stall bauen wollen, dürfen dies nur mit einer Ausnahmegenehmigung tun. Es gibt eine feste Zusage der Fachbehörden, dass diese Ausnahmen in der Regel erteilt werden. Für Fuchs und Kameke sind solche Ausnahmeregelungen indes reine Gnadenakte und jederzeit widerrufbar. Sie selbst würden so von Vertragspartnern auf Augenhöhe zu Bittstellern degradiert. Die müsse man nicht ernst nehmen, so wie sie auch bei den Anhörung in Miesbach nicht ernst genommen worden seien. "Wir haben uns einfach verarscht gefühlt", sagt Marion von Kameke.

Überhaupt die Bauern. Sie stellen sich gerne als die Opfer des neuen Schutzgebiets dar, weil es ihnen das Wirtschaften erschwere und Entwicklungsmöglichkeiten raube. Dabei müssen jedem Bauern alle Nachteile, die er durch ein solches Schutzgebiet hat, ersetzt werden. Die Stadtwerke haben überdies ein eigenes Biobauern-Programm im Umfeld des Schutzgebietes eingerichtet. Insider rechnen vor, sein Volumen belaufe sich aktuell auf 1,2 Millionen Euro im Jahr, 170 Biobauern nähmen daran teil, im Schnitt erhalte also jeder von den Stadtwerken 7060 Euro zusätzlich dafür, dass er biologisch wirtschafte. In dem geplanten Wasserschutzgebiet selbst liegen ungefähr 35 Biobauernhöfe. Allenfalls fünf dürften auf einem Teil ihrer Weiden keine Gülle oder Mist mehr ausbringen, sondern nur noch organische Bio-Dünger. Ist das schon eine Enteignung?

Die Regelungen gelten auch für Fuchs und Kameke, die beide auch am Biobauern-Programm der Stadtwerke teilnehmen. Der Hof von Fuchs würde künftig komplett im Wasserschutzgebiet liegen, die Flächen von Gut Wallenburg zu großen Teilen. Vor allem aber haben die Landwirte in dem neuen Schutzgebiet Weideland, auf das sie dann keine Rinder mehr treiben dürften. Das Ersatzland, das ihnen angeboten wurde, ist für sie keine Option. Es liegt ihnen zu weit ab von ihren Höfen. "Es geht um einen funktionierenden Hof, den ich auch weitervererben möchte", sagt Alois Fuchs, der drei Kinder hat.

Seit dem 17. Jahrhundert existiert sein Hof, da denkt ein Bauer eher in Generationen. Auch Kameke geht es um "einen funktionieren Betrieb", wie sie sagt. Wallenburg ist seit bald 100 Jahren im Familienbesitz. Der Landrat also schweigt. Nachdem der Freie-Wähler-Politiker Thorsten Glauber im Herbst neuer Umweltminister geworden ist, hat Rzehak das Verfahren ausgesetzt. Er will von Glauber erst eine klare Aussage, dass er ebenso fest zu dem Schutzgebiet steht wie seine Vorgänger im Kabinett. Fuchs will sich aber nicht darauf verlassen, dass die Sache wieder irgendwie einschläft. Die Wasserschlacht könnte bald vor Gericht ausgetragen werden.

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