Noch immer sind große Teile des Manchinger Keltenschatzes verschwunden, und es ist möglich, dass die 1999 ausgegrabenen Münzen – der größte keltische Goldfund des 20. Jahrhunderts – nie wieder auftauchen. Gerade einmal neun Minuten dauerte der spektakuläre Einbruch in der Nacht auf den 22. November 2022, bei dem Diebe den 3,74 Kilogramm schweren Schatz aus dem Kelten-Römer-Museum im oberbayerischen Manching gestohlen haben. Ein filmreifer Coup. Nun hat die Staatsanwaltschaft Ingolstadt wegen des Verdachts auf schweren Bandendiebstahl Anklage gegen vier Männer erhoben, die seit Juli 2023 in Untersuchungshaft sitzen. Der Prozess könnte Anfang 2025 starten.
Die vier Männer aus Schwerin und Berlin sollen zwischen 2014 und 2022 in wechselnder Besetzung 30 Mal in Verbrauchermärkte, Schnellrestaurants, Zulassungsstellen und Tankstellen eingebrochen sein, um dort Geldautomaten und Tresore zu knacken. Das Manchinger Museum war demnach die erste Kultureinrichtung, in das die Gruppe eindrang. Das aufsehenerregende Verbrechen wurde ihr schließlich zum Verhängnis: Am 18. Juli 2023 wurden die Männer von Spezialkräften der Polizei gefasst, als sie Päckchen mit zusammengeschmolzenen Goldklumpen übergeben wollten. Seitdem steht fest, dass ein Teil der Keltenmünzen für immer verloren ist. Vom Rest fehlt weiterhin jede Spur. Die Verdächtigen schweigen bislang.
Das Vorgehen soll laut den Ermittlern stets einem einheitlichen Muster gefolgt sein: Zuerst sollen sie den lokalen Verteiler der Telekom sabotiert haben, um die Alarmanlagen der Gebäude lahmzulegen. „Sie gingen hierbei geplant und mit hohem Fachwissen vor“, teilt die Staatsanwaltschaft mit – einer der Männer ist Fernmeldetechniker. Dann drangen sie gewaltsam in das Zielobjekt ein, zerstörten Sicherheitselektronik und flexten Tresore und Geldautomaten mit einem Winkelschleifer auf. Den Ermittlern zufolge haben die Männer dabei immer dunkle Overalls und schwarze Sturmhauben getragen und Brachialwerkzeuge wie Brecheisen bei sich gehabt.
Dass die Bande all die Jahre nicht auffiel, liegt laut der Ingolstädter Staatsanwaltschaft an der „sehr professionellen Vorgehensweise, welche kaum nachverfolgbare Spuren zurückließ“ und daran, dass die Taten in mehreren Bundesländern sowie in Österreich stattgefunden haben. Erst der aufsehenerregende Einbruch ins Manchinger Museum brachte die Ermittler auf die Spur der vier Männer im Alter zwischen 43 und 51 Jahren.
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Wie die Ermittlungsbehörde am Dienstag mitteilte, soll es bereits vor dem Golddiebstahl im November 2022 einen Einbruchsversuch gegeben haben. Demnach hätten mindestens zwei der Beschuldigten am 5. Oktober 2021 versucht, ins Manchinger Museum einzudringen und bereits einen Telekom-Verteilerkasten am Museum sabotiert. „Da dies damals nicht den gewünschten Ausfall der Alarmanlage zur Folge hatte, hatten die Angeschuldigten damals eine weitere Tatausführung abgebrochen“, heißt es bei der Staatsanwaltschaft.
Ein Jahr später hatten die Täter laut den Ermittlungen mehr Erfolg: Sie kappten in der Tatnacht um 0.31 Uhr sämtliche Glasfaserkabel in einem Telekom-Verteilerhaus und schnitten dabei 13 000 Haushalte in der Umgebung von der Telefon- und Internetverbindung ab. Als nach einer Stunde kein Alarm ausgelöst wurde, sollen laut Anklage zwei Beschuldigte eine Seitentür des Museums aufgebrochen haben, während die anderen beiden draußen Wache hielten. In der Ausstellung zerstörten sie schließlich die Vitrine des Goldschatzes und stahlen die fast 500 Münzen aus dem 1. Jahrhundert vor Christus. Nach neun Minuten war alles vorbei. Der Einbruch fiel erst Stunden später auf, als das Museum am nächsten Morgen öffnen sollte. Für Manching und die bayerische Kulturbranche war der Diebstahl ein Schock. Von einem „Anschlag auf unser kulturelles Gedächtnis“ sprach Kunstminister Markus Blume (CSU). In der Folge rückte auch die veraltete Sicherheitstechnik des Museums in den Blick: Die Kameras hatten den Einbruch nicht aufgezeichnet.