Machtkampf:Söder erzwingt die Entscheidung in der CSU

Sitzung Kabinett in Bayern

Am Montag entscheidet die CSU-Landtagsfraktion über den Spitzenkandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten - Söders Stunde ist wohl gekommen.

(Foto: dpa)
  • Am Montagmorgen soll die Entscheidung im CSU-Machtkampf fallen: Die Landtagsfraktion wählt den Spitzenkandidaten für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten.
  • Das Vorgehen der Fraktion ist ein Affront gegen Parteichef Horst Seehofer.
  • Eigentlich wollte der Parteichef am Montag im Parteivorstand verkünden, zu welchem Ergebnis er und sein Beraterteam gekommen sind.

Von Wolfgang Wittl

Die Nachricht vom Showdown in der CSU ist erst ein paar Stunden alt, da tritt Markus Söder in München bei den Filser-Buam auf, einem Verein zum Erhalt des bayerischen Brauchtums. Auf der Weihnachtsfeier strahlt der Christbaum, und der künftige Ehren-Filser und Vielleicht-Spitzenkandidat Söder strahlt auch. Eigentlich war Söder für 18.30 Uhr angekündigt, er kommt aber eine Stunde später. Vielleicht noch wegen der Gespräche im Landtag? Es war die Runde der Bezirkssprecher, der Söder selbst angehört, und des CSU-Fraktionsvorstandes. Sie hat am Abend beschlossen, dass am Montag eine Vorentscheidung über den Spitzenkandidaten getroffen werden soll - und damit Parteichef Horst Seehofers Choreografie durchkreuzt, die vor allem Söder schaden sollte.

Filser-Chef Christian Schottenhamel sagt: Söder werde für sein Lebenswerk geehrt. Söder lacht laut auf und sagt: "Ich bin noch nicht so alt." Dieser Mann, das hat sich auch bis zu den Filser-Buam in die Menterschwaige herumgesprochen, hat noch was vor. Der Montag könnte schon mal die Richtung weisen: "Wir haben ja nächste Woche auch eine Abstimmung in der Fraktion", frotzelt Söder. "Mal schauen, wie die ausgeht." Danach gibt es Hirschrücken im Maronenmantel, Selleriepüree, Rosenkohl und Cranberry. Dessert: Allerhand Süßes von den Zuckerbazis. Ein Abend sehr nach dem Geschmack von Söder, der weiß, dass er in der Fraktion großen Rückhalt hat und den König Schach gesetzt hat.

Die Kluft zwischen Seehofer und der Fraktion hatte sich in den letzten Wochen vertieft. Abgeordnete fühlten sich von Seehofers jüngstem Auftritt im Landtag in die Irre geführt, als er von "legendärer Geschlossenheit" der CSU und "intensivem Kontakt" zu Söder sprach, der sich nur als Austausch von SMS zu Terminabsprachen herausstellte. Einige hörten wohl mehr heraus, als Seehofer wirklich sagte - auch weil Söder das angebliche Friedenssignal sofort mit seiner Antwort verstärkte, er reiche die Hand.

Eigentlich sollten Partei und Fraktion eine Einheit bilden und sich nicht als Gegner gegenüberstehen. Doch wer derzeit die einen über die anderen reden hört, könnte durchaus den Eindruck gewinnen, hier reden Grüne über die FDP nach gescheiterten Sondierungsgesprächen. Rivalitäten zwischen Gremien haben in der CSU zwar Tradition, zwischen Landtagsfraktion und Landesgruppe sind sie sogar legendär.

Die bayerischen Abgeordneten halten die Berliner Kollegen für entrückt und zu weich - zu weit von der Basis entfernt, zu kompromissbereit. Umgekehrt denkt man in Berlin, dass die vermeintlich provinziellen Münchner zu selten über den Rand der Teller in der Landtagsgaststätte hinausblickten. Doch nur selten herrschte eine Kälte wie im Moment zwischen Parteivorstand und Fraktion.

Söder hat seinen Einfluss ausgebaut

Wer die Stimmungen erfassen will, von denen die CSU im Moment durchgeschüttelt wird, sollte sich noch mal an die Gesichter vom vergangenen Donnerstag erinnern: All jene, die mittags mit einem Grinsen aus der Fraktionssitzung schlenderten, gehören zu den Freunden Markus Söders oder zumindest zu denen, die sich eine Zukunft mit Horst Seehofer als Ministerpräsident partout nicht vorstellen wollen. Doch dieselben, die sich mittags noch gefreut hatten, dürften ihre gute Laune nur Stunden später verflucht haben.

Nach der Vorstandssitzung am Donnerstagabend war nämlich nichts mehr so, wie es nach der Fraktionssitzung den Anschein gehabt hatte. Von einer einvernehmlichen Lösung zwischen Seehofer und Söder konnte keine Rede sein. Und wer den Tag Revue passieren ließ, durfte feststellen, dass es ein konkretes Versprechen gar nicht gegeben hatte. Sondern nur Gesten und Worte Seehofers, die als Annäherung an seinen Rivalen Söder interpretiert werden konnten.

Die Gesichter zeigten recht anschaulich, wo die Gefechtslinien im Machtkampf zwischen Horst Seehofer und Markus Söder verlaufen - zwischen Parteivorstand und Fraktion. Seehofer hat seinen größten Rückhalt in der CSU-Führung, Söder unter den Landtagsabgeordneten. Jeder der beiden Kontrahenten versuchte zuletzt, den Schauplatz in seinem Sinne zu steuern. Seehofer und seine engsten Getreuen wollten die Entscheidung der Partei übertragen. Söders Leute pochten auf das Mitspracherecht der Landtagsfraktion - sie scheinen sich nun durchgesetzt zu haben.

Söder hat seinen Einfluss im Laufe der Jahre durch konsequente Pflege ausgebaut: Etwa ein Drittel der 101 Abgeordneten stünden treu hinter dem Finanzminister, heißt es in der CSU. Sie werden wie die Leibgarde im alten Rom als Prätorianer bezeichnet. Ein Drittel lehne Söder ab. Das dritte Drittel versammele sich stets hinter dem Stärksten mit den besten Zukunftsaussichten, also Söder. Allerdings seien diese Abgeordnete auch bereit, schnell wieder die Seite zu wechseln. Ausschlaggebend könnte die Entschlossenheit der Söder-Getreuen sein, mit der es kaum jemand aufzunehmen vermag.

Abgeordnete fühlten sich in die Irre geführt

Nun sieht es so aus, als ob am Montag endlich Markus Söders Stunde kommt. Wobei: Der frühere Generalsekretär Thomas Goppel plädierte jetzt im Münchner Merkur für einen Kompromisskandidaten, der "unbeschädigt" sei, und zwar: Entwicklungsminister Gerd Müller. "Der Herr Söder" dürfe sich ja auf ein Amt konzentrieren. Er, Goppel, habe sich "auch schon oft auf etwas konzentriert, was ich nachher nicht geworden bin", zum Beispiel Ministerpräsident.

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