Machtkampf in der CSU:Spießer contra Spieler

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Zwei Franken, die es jetzt wissen wollen: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (links) und Finanzminister Markus Söder konkurrieren um die Macht im Freistaat. (Foto: picture alliance / dpa)

Warum Joachim Herrmann jetzt Nachfolger von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer werden könnte - und warum Markus Söder im Duell der Franken die besseren Chancen hat.

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl

Wenn Markus Söder eine Auszeichnung bekommt, verpasst er nie darauf hinzuweisen, wem diese Ehre vor ihm widerfahren ist - in welch edler Ahnenreihe er da nun steht. Söder hat also natürlich nachgeschaut, wer von den Filser-Buam, einem Männerverein der besseren Münchner Gesellschaft, bereits so zum "Ehren-Filser" ernannt wurde: Edmund Stoiber, Ministerpräsident. Helmut Kohl, Bundeskanzler. "Tolle Persönlichkeiten mit tollen Ämtern", ruft Söder in den Wirtshaussaal am Isarufer, in dem die Filser sich in Festtagstracht versammelt haben. "Ich versuche, mich dieser Aufgabe in Zukunft würdig zu erweisen."

Aktuell ist Söder ja Finanzminister im Freistaat, aber am Dienstagabend bei den Filsern springt ihm die Zuversicht fast aus dem Gesicht, demnächst in die Staatskanzlei umziehen zu dürfen. Es soll ja gerade ein Gespräch gegeben haben zwischen Söder und seinem ewigen Rivalen Horst Seehofer, dem er unbedingt als Ministerpräsident nachfolgen will. Es war das zweite Treffen der beiden in wenigen Tagen, über akuten Zoff drang nichts nach außen, was von den Söder-Anhängern und vielleicht ja auch von Söder selbst als gutes Zeichen gewertet wurde: Der Alte hat es eingesehen, er macht dem Jungen endlich Platz.

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Allein: Als Söder da seinen neuen Filser-Hut mit weißer Feder wie eine Krone aufs strahlende Haupt montiert, weiß er wahrscheinlich nichts von einem weiteren Gespräch Seehofers, das kurz zuvor ganz ohne ihn stattgefunden hat. Und von dem ungleichen, unberechenbaren Franken-Duell, das wohl auf ihn wartet.

Am Montag war Seehofers engster Zirkel in der Staatskanzlei zusammengekommen, man darf die Veranstaltung ruhig "Geheimtreffen" nennen: Die vier Gäste Seehofers verließen das Haus sicherheitshalber getrennt. Zuvor hatten Seehofer, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Parteivize Manfred Weber und Wirtschaftsministerin Ilse Aigner mutmaßlich mit Freuden eine Botschaft von Innenminister Joachim Herrmann vernommen: Ich kandidiere. Herrmann, 61, will nach SZ-Informationen Ministerpräsident werden, er ist bereit, Söder die Spitzenkandidatur in einer Kampfabstimmung streitig zu machen. Hat Söder sich zu früh gefreut?

Seine besten Momente hat Joachim Herrmann stets in Krisenlagen

Noch haben sich weder Söder noch Herrmann öffentlich zu ihren Ambitionen erklärt; beide halten sich an das ungeschriebene Gesetz, dass Seehofer erst seinen Abschied verkünden muss. Dass er dies in der Sitzung der Landtagsfraktion am nächsten Montag tut, gilt in der CSU als sicher. Dann wäre die Stunde der Wahrheit gekommen.

Parteifreunde haben Herrmann, dem Juristen mit dem unantastbaren Ruhepuls, oft attestiert, es fehle ihm an brennendem Ehrgeiz. Er hat mit seinen öffentlichen Auftritten nie den Eindruck erweckt, er wolle neben Seehofer und Söder das dritte Alphatier der CSU sein. Selbst die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl begriff er nicht als Chance zur persönlichen Profilierung, sondern als Dienst an der Partei. Das bringt ihm jetzt immerhin den Vorteil, dass die Niederlage Seehofer angelastet wird, während er für seinen Einsatz gelobt wird. Der ausgleichenden Natur Herrmanns kommt dabei zugute, dass er in der CSU zwar wenig glühende Fans hat, aber auch keine erbitterten Gegner.

Schon vor diesen Entscheidungswochen waren sich die strategischen Köpfe in der CSU in einem Punkt ziemlich einig: Wenn irgendwer Söder gefährlich werden kann, dann dieser Herrmann.

Seine besten Momente hatte er immer in Krisenlagen, er war der Innenminister, dem die meisten Bayern vertrauten, als im Sommer 2016 die Anschläge in Würzburg und Ansbach und die Morde in München das Land erschütterten. Und ist die CSU nicht gerade in einer epochalen Krise?

Aber klar ist auch: In den Wettstreit mit Söder geht Herrmann nicht als Favorit. Nicht auf dem Parteitag, auf dem Delegierte aus allen Ecken Bayerns zusammenkommen, und schon gar nicht in der Landtagsfraktion, die bereits am Montag ihren Wunschkandidaten küren will. Der emsige Netzwerker Söder hat viele Abgeordnete längst an sich gebunden.

Über Herrmann sagte mal ein Parteifreund, der es gut mit ihm meint: Eine SMS vom Joachim sei so wie Ostern - "gibt's nur einmal im Jahr". Auch imagemäßig könnte der Kontrast zwischen den beiden kaum größer sein: hier Söder, Macher und Spieler, stets unter Strom, ruppig und ungestüm, ein PR-Profi in eigener Sache; dort Herrmann, Sachpolitiker und Spießer, korrekt und gemütlich.

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Söder-Freunde sind immer davon ausgegangen, dass Herrmann sich letztlich nicht traut, seinen Hut in den Ring zu werfen. Tatsächlich hat Herrmann bereits einmal nach der Macht gegriffen, 2008, als nach Günther Becksteins Rücktritt ein Ministerpräsident gesucht wurde. Er scheiterte auch an seiner Zögerlichkeit. In der entscheidenden CSU-Fraktionssitzung wurde er gefragt: Du wirst als Kandidat genannt, stimmt das? Herrmann nickte nur. Teilnehmer wissen nicht mal mehr, ob er Ja sagte.

Jetzt hat er offenbar zu größerer Entschlossenheit gefunden. Geholfen haben soll, dass ihn einige Parteifreunde zur Kandidatur aufgefordert haben. Aus Herrmanns Umfeld hört man: Er habe sich nie aufgedrängt, weil Bayern doch gut regiert werde. Und er habe sich auch nicht von Seehofer als Söder-Verhinderer einspannen lassen. Wenn Seehofer nun zur Seite trete, sei einfach sein Moment gekommen.

Aber selbst Unterstützer sehen die Sache realistisch: Der Pfad zum Sieg ist schmal für Herrmann. Als Erlanger kann er dem Nürnberger Söder Stimmen aus Franken abnehmen. Bekennende Söder-Gegner werden ihm dankbar zulaufen. Und dass er einst selbst Chef der Landtagsfraktion war, wird sicher nicht schaden. Dennoch geht es für Herrmann in der Fraktion wohl vor allem darum, ein achtbares Ergebnis einzufahren. Mit einer "ehrenvollen Niederlage", die auch noch 30 zu 70 Prozent sein könnte, sagen seine Freunde, könne er sich auf dem Parteitag durchaus zur Wahl stellen. Und da sei die Sache offen. Für die Delegierten sei das Votum der Fraktion ja nicht mehr als eine Empfehlung.

Eines jedenfalls ändert sich, und zwar für Söder. Bisher war er der Jäger. In den nächsten Tagen muss er sich an eine neue Rolle gewöhnen: Jetzt ist er der Gejagte.

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Text: Roman Deininger und Wolfgang Wittl; Illustrationen: Katharina Bitzl

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