Machtkampf in der CSU:Söder gegen Herrmann - Duell der Franken

Machtkampf in der CSU: Das Amt komme zum Mann, besagt eine politische Weisheit; verschwiegen wird in dem Satz, dass der Mann, wenn das Amt in Reichweite ist, schon auch zugreifen muss. Söder hat das vor - bei Herrmann ist sich noch nicht jeder sicher. Collage: SZ

Das Amt komme zum Mann, besagt eine politische Weisheit; verschwiegen wird in dem Satz, dass der Mann, wenn das Amt in Reichweite ist, schon auch zugreifen muss. Söder hat das vor - bei Herrmann ist sich noch nicht jeder sicher. Collage: SZ

(Foto: dpa)

Wem würden Sie ein Auto abkaufen? Am Montag fällt die Vorentscheidung im Machtkampf der CSU. Bei der Wahl zwischen Markus Söder und Joachim Herrmann geht es auch um Vertrauen.

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl

Markus Söder sieht man oft an, wie es ihm geht, er redet mit dem Körper, er kann die Füße nicht still halten vor Nervosität, er pumpt sich auf vor Kraft. Joachim Herrmann redet mit dem Körper noch weniger als mit dem Mund. Wenn er nervös sein sollte in diesen schicksalhaften Tagen oder irgendwie anders innerlich bewegt, dann weiß er das meisterhaft zu verbergen.

Donnerstagmorgen in der Autobahnmeisterei Nürnberg-Fischbach. Innen- und Verkehrsminister Herrmann referiert in aller Seelenruhe über Neuerungen im Winterdienst, über bestimmte Salze für bestimmte Fahrbahnbeläge: "Einfach rausfahren und streuen - das ist Schnee von gestern." Im Publikum der Pressekonferenz sitzen mehrheitlich Journalisten, die sich für Wundersalze maximal ein bisschen, für Herrmanns Karrierepläne aber sehr interessieren.

Nachdem er in großer Ausführlichkeit beschrieben hat, wie Autofahrer gesetzestreu und gefahrlos Streufahrzeuge überholen können, kommt Herrmann der Frage aller Fragen nicht mehr aus: Werden Sie sich am Montagfrüh in der CSU-Fraktion um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2018 bewerben? Werden Sie antreten gegen Söder, der bei jedem Buchmacher klarer Favorit ist?

Herrmann antwortet, als ginge es immer noch um Streusalzpreise (erfreulich günstig übrigens): Aus Respekt vor Ministerpräsident Horst Seehofer äußere er sich erst, wenn sich dieser zu seiner Zukunft erklärt habe. "Sonst noch Glatteisfragen?" Es gäbe eine Menge, aber die Journalisten in der Autobahnmeisterei Nürnberg-Fischbach sehen geschlagen ein, dass sie diesen Herrmann nicht ins Schleudern bringen.

Das Amt komme zum Mann, besagt eine politische Weisheit; verschwiegen wird in dem Satz, dass der Mann, wenn das Amt in Reichweite ist, schon auch zugreifen muss. Und dass es dann dennoch passieren kann, dass ihm das Amt noch unter den Fingern weggezogen wird. Ist Joachim Herrmann bereit, dieses Risiko einzugehen? Im Gegensatz zu Söder ist er nicht gerade für Ehrgeiz und Entschlossenheit bekannt. Söders Leute prophezeien deshalb selbst jetzt, wo Herrmanns Kandidatur ziemlich konkret im Raum steht, weiterhin beharrlich: "Der traut sich nicht."

Es ist ja in den vergangenen Tagen auch viel passiert, was sich eine friedliche Natur wie Herrmann gewiss lieber gespart hätte. Die Söder-Getreuen schimpften ausgerechnet ihn einen Kriegstreiber, der in Geheimtreffen mit Seehofer gegen den armen Söder intrigiere. Manche in der CSU scheinen garantieren zu wollen, dass auch der beinahe letzte Spitzenmann der Partei, der in der Öffentlichkeit als rundum integer und sympathisch gilt, das Feld als Wrack verlässt.

Und trotzdem soll Herrmann planen, seinen Hut in den Ring zu werfen. Natürlich, er ist gebeten und auch gedrängt worden von Seehofer und dessen Führungszirkel. Seehofer weiß, dass Herrmann in seinem Lager der einzige Kandidat ist, der gegen den ungeliebten Finanzminister Söder eine Chance hat. Doch Menschen, die ihn gut kennen, sagen, dass sich Herrmann nicht einfach so drängen lasse. Er wolle das jetzt schon selbst. Er sei immer loyal gewesen zu Seehofer, aber wenn dieser nun zur Seite trete, wenn die Vakanz da sei - dann sei sein Moment gekommen.

Die wohl einzige Gemeinsamkeit: beide kommen aus Franken

Söder gegen Herrmann, das heißt Franke gegen Franke, und damit sind die Gemeinsamkeiten der beiden auch schon fast vollständig aufgezählt. Der Eine laut, der Andere leise. Der Eine gern mal schrill, der Andere stets solide. Für Söder spricht in diesem Duell seine große Bekanntheit, seine zur Schau getragene Stärke. Für Herrmann spricht, dass Bekanntheit und Stärke nicht immer die entscheidenden Währungen sind in der Politik. Da ist auch noch die Währung des Vertrauens.

Herrmann-Freunde stellen eine Gegenfrage, wenn man wissen will, woher sie bitteschön ihre Zuversicht nehmen: Söder oder Herrmann, wem würden Sie denn eher einen Gebrauchtwagen abkaufen?

Wenn die Landtagsfraktion am Montag um 8.30 Uhr über den Spitzenkandidaten für 2018 abstimmt, muss der Gebrauchtwagenverkäufer Herrmann trotzdem mit einer Niederlage rechnen. In der Fraktion hat Söder seine meisten Anhänger, ein besser bestelltes Feld für seine Wahl wird er in der CSU nicht finden. Hier ackere er ja seit Jahren, sagt ein Fraktionsmitglied, nun müsse Söder die Ernte auch einfahren. Und weil er seine Kontrahenten wie Unkraut "niedergeschmutzelt oder niedergemetzelt" habe, "müsste er eigentlich 90 Prozent bekommen". Auch Söders Gegner verstehen sich also darauf, die Messlatte möglichst hoch zu legen. Umso leichter fiele es dem ehrenvoll Unterlegenen, darunter durchzuschlüpfen.

Die Abstimmung in der Landtagsfraktion ist ja nur die erste Etappe der Auseinandersetzung - die Abgeordneten empfehlen ihren Favoriten, mehr nicht. Die tatsächliche Entscheidung über die Spitzenkandidatur fällt der CSU-Parteitag am 15. und 16. Dezember in Nürnberg.

Welches Ergebnis würde es dem Verlierer der Fraktionswahl erlauben, sich in Nürnberg den Delegierten zu stellen? Fraktionschef Thomas Kreuzer hat gesagt, das Abgeordneten-Votum sei nicht bindend für die Partei, sondern nur ein Vorschlag. Intern soll das allerdings anders geklungen haben: Wer von der Fraktion nicht gewählt werde, sagte Kreuzer laut Sitzungsteilnehmern, der müsse nicht glauben, dass er beim Parteitag Chancen habe.

Wenn Herrmann in der Fraktion auf 35 Prozent käme, dann wäre das schon sehr gut, finden seine Unterstützer. Dann wäre das die Grundlage, "durchzuziehen bis zum Parteitag". Bei allem Respekt für die Fraktion: Deren Empfehlung reiche nicht für die Kür des Spitzenkandidaten. Denn die Abgeordneten würden in ihrer Zustimmung zu Söder vor allem von persönlichen Interessen geleitet, von handfesten Karrieregedanken. Anders der Parteitag, der Bauch der CSU: dieser berücksichtige viel stärker, wer den Wählern am besten als Ministerpräsident vermittelbar sei.

Die rund 1000 Delegierten dürften sich geschmeichelt fühlen, wenn ihnen die finale Legitimation zukommt. Berechenbar ist die CSU-Basis nicht. Söder hat zwar seit JU-Tagen ein stabiles Netz geknüpft, das ihn nun in die Staatskanzlei tragen soll. Doch die Zeiten, als die Delegierten auf Befehl ihrer Kreisvorsitzenden abstimmten, sind auch in der CSU vorbei.

Die Grenzen der Lager verlaufen fließend

Die Freunde des Innenministers sagen: "Bei Parteitagen hat Herrmann immer die besseren Wahlergebnisse als Söder gehabt." Sie sind überzeugt: Allein ein breiter Parteitagsbeschluss vermag die CSU zu befrieden. Die Söder-Fans pochen auf das Vorrecht der Fraktion. Sie denken: Eine weitere Abstimmung am Parteitag, ein Medienspektakel sondergleichen, würde die Gräben in der CSU nur noch tiefer ziehen.

Und sie unken über einen möglichen "zweiten Beckstein" - einen guten Innenminister, für den das Amt des Regierungschefs allerdings eine Nummer zu groß sei.

Wer wen wählt, diese Grenzen verlaufen in der Fraktion fließend: Es gibt Oberbayern, die verehren Söder wie Teenager einen Rockstar, obwohl ihre Bezirkschefin Ilse Aigner ganz andere Töne vorgibt. Und es gibt Abgeordnete aus Söders fränkischem Umfeld, die würden jeden wählen, nur ihn nicht: Söder. In der Fraktion kursiert eine Liste, die ist streng kategorisiert: in "Söder" und "Nicht-Söder".

Wer einen Eindruck von den Gefühlen bekommen will, mit denen Herrmann und Söder in der Partei betrachtet werden, sollte sich an die Landesversammlung der Jungen Union Anfang November erinnern. Gefühle spielen in der CSU eine besonders große Rolle, und nirgendwo werden sie authentischer zur Schau gestellt als bei der JU. Es war Delegiertenabend in Erlangen, Markus Söder schwebte überraschend ein, viele Jungunionisten begrüßten ihn ekstatisch. Manche aber blieben auch demonstrativ sitzen, ihnen missfiel die Choreografie, die sie von Söder maßgeblich mitgestaltet wähnten.

Joachim Herrmann war bei der JU ein paar Stunden vorher zu Gast, da standen alle auf. 38,8 Prozent hatte er bei der Bundestagswahl geholt, im Grunde ein Desaster. Doch JU-Chef Hans Reichhart sagte: "Du warst nicht nur unser Spitzenkandidat, sondern unser Kandidat der Herzen. Wir waren stolz darauf, für dich Wahlkampf zu machen. Es war uns eine Ehre." Es gab tosenden Applaus. Die Botschaft: Söder wird geliebt, aber er wird auch abgelehnt. Herrmann wird von allen geachtet. Söder und Herrmann, die fränkischen Nachbarn, das sind ja zwei, die sich verstehen: Die Familien feiern Geburtstag gemeinsam, man trifft sich auch sonst mal privat - so erzählen das jedenfalls Söders Leute.

Von Herrmann sind solche Harmoniegeschichten über Söder nicht zu hören. Und das liege keineswegs nur daran, sagen Vertraute, dass er sein Privatleben grundsätzlich für sich behält. Steigt am Montag der Franken-Showdown? Oder bekommt Herrmann noch kalte Füße, weil seine Pläne für eine Kandidatur vorzeitig öffentlich wurden? Wer zehn Jahre Innenminister ist, habe keine Angst, sagen seine Unterstützer. Herrmann verstehe sich als Kind der Fraktion; dass er sich hier zur Wahl stelle und nicht nur am Parteitag, wäre für ihn selbstverständlich. Die Fraktion sei ja auch das Spielfeld, um das es für einen Ministerpräsidenten gehe.

Söder und Herrmann sind gemeinsam in diese Fraktion eingezogen, 1994 war das. Herrmann wurde 2003 sogar ihr Chef. Inzwischen liegen die Vorteile dort klar auf Söders Seite. Er ist der Favorit am Montag. Er hat die weit besseren Chancen, zu gewinnen. Aber er hat auch mehr, viel mehr zu verlieren.

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