Machtkampf in der CSU:Huber führt den Aufstand gegen Seehofer an

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In der Auseinandersetzung um die dritte Startbahn legt sich CSU-Chef Horst Seehofer mit seinen Partei-Kollegen an. (Foto: dpa)
  • Der Streit über den Münchner Flughafen hat sich in der CSU zu einer Grundsatzfrage entwickelt.
  • Eine Kraftprobe zwischen Fraktion und Parteichef erscheint unausweichlich - angeführt werden die Seehofer-Gegner vom früheren CSU-Chef Erwin Huber.

Von Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl, München

Es müssen informative Stunden gewesen sein am vergangenen Mittwoch, als die CSU-Landtagsfraktion in ein Münchner Restaurant mit feiner französischer Küche eingeladen war. Die Veranstaltung firmierte als sogenannter parlamentarischer Abend, Gastgeber waren die Flughafengesellschaft München (FMG) und die Lufthansa, wie Teilnehmer berichten. Worüber bei Kalb und Fisch geredet wurde, ist angesichts der heftigen Diskussion über die Notwendigkeit einer dritten Start- und Landebahn zu erahnen. Interessante Gespräche habe man geführt, erinnert sich einer der Abgeordneten. Und dann kam da plötzlich dieser ältere kleine Herr mit einem Stück Papier um die Ecke.

Der Zettel, auf den die CSU-Abgeordneten ihren Namen setzen sollen, ist das derzeit bestgehütete Geheimnis in der Fraktion. Keiner der Initiatoren will diesen Antrag herausrücken, der Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer schon jetzt zu schaffen macht. Gefordert wird, die Entscheidung über den Ausbau des Flughafens müsse rasch fallen - und im Sinne der Befürworter einer dritten Startbahn. Seehofer wusste am Donnerstag nichts von alldem, er wurde völlig überrumpelt. Er sei überrascht und höre zum ersten Mal davon. "Wir machen alles plangemäß", sagte er noch. Ob er damit recht behält, wird spannend zu beobachten sein.

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Der Streit über den Flughafen hat sich in der CSU längst zu einer Grundsatzfrage entwickelt, eine Kraftprobe zwischen Fraktion und Parteichef erscheint unausweichlich. 66 der 101 Fraktionsmitglieder haben diesen Antrag bereits unterzeichnet. Zieht man die Kabinettsmitglieder und Fraktionschef Thomas Kreuzer ab, die nicht kompromittiert werden sollen, sind es sogar 66 von 83 - eine Quote also von 80 Prozent, obwohl Seehofer sich auserbeten hatte, den Entscheidungsprozess offen zu halten. Die Fraktion probt den Aufstand.

Seehofers größter Gegenspieler in diesem Duell ist kein Geringerer als sein Vorgänger an der Parteispitze: Erwin Huber. Der 69-Jährige ist gefragt wie lange nicht, dennoch schlägt er bislang alle Interviewwünsche aus. Nur soviel sagt er: Dass es ihm allein um die Sache gehe. Und dass er nicht wolle, dass dieses Thema zu einem Zweikampf oder Rachefeldzug stilisiert werde, dafür sei es zu wichtig.

Tatsächlich soll die Idee für den Antrag bereits nach Seehofers Gesprächen mit Startbahn-Gegnern entstanden sein, Huber ist zudem nicht der einzige CSU-Wirtschaftspolitiker, der Unterschriften sammelt. Von ihm ist jedoch das Bonmot überliefert, er werde noch auf dem Sterbebett die Hand heben, wenn er Seehofer damit als Parteichef verhindern könne. Tatsächlich haben sich die beiden inzwischen arrangiert, hin und wieder stecken sie sogar die Köpfe zusammen. Freunde werden sie freilich nicht mehr.

Huber weiß nicht nur viele, sondern mächtige Parteifreunde hinter sich. In der CSU gilt es als offenes Geheimnis, dass sich auch Fraktionschef Kreuzer und die Mehrzahl der Kabinettsmitglieder für eine dritte Startbahn aussprechen, darunter Finanzminister Markus Söder sowie Seehofers Stellvertreter als Ministerpräsident, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und Innenminister Joachim Herrmann.

Auch Seehofer selbst galt lange Zeit als Befürworter. Mittlerweile spricht einiges dafür, dass er seine Meinung geändert hat. Im September hatte er einen Dialogprozess gestartet und sich jeweils mehrere Stunden mit Anwohnern, Umweltschützern, Wirtschaftsvertretern und Landtagsfraktionen getroffen. Nach den Gesprächen mehren sich die Anzeichen, dass er den Argumenten der Startbahn-Gegner einiges abgewinnen kann - und er die Argumente der Startbahn-Anhänger für zu dünn hält: "Allgemeine Aussagen wie: ,Es geht um den Fortschritt', reichen nicht", sagte Seehofer der SZ. Und dass er nicht nach Lobby-Interessen entscheiden werde. Bis Dezember hat die Wirtschaft noch Zeit, um nachzubessern. Dann will Seehofer mitteilen, wie er sich entschieden hat.

Was sich für Außenstehende wie ein Abwägungsprozess anhört, dass nicht einfach über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden werden soll, klingt in den Ohren der CSU-Landtagsabgeordneten wie eine ungeheure Provokation. Seit etwa zehn Jahren werde bereits über die dritte Startbahn gesprochen, sie sei planfestgestellt und zweimal gerichtlich bestätigt worden. Alles sei längst rechtskräftig und zugunsten der Startbahn ausgegangen. "Und trotzdem fängt der Ministerpräsident nach all den Jahren noch mal einen Dialogprozess an", schimpft ein einflussreiches Fraktionsmitglied: "Das heißt doch nichts anderes als: ,Ich entscheide und sonst niemand' - eine Anmaßung sondergleichen." Eigentlich müsse die Fraktion aufstehen und sagen: "Moment mal, haben wir denn auch ein Wort mitzureden?"

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Für viele CSU-Abgeordnete, gerade jüngere, steht die Partei im Moment vor einer Entscheidung pro oder contra eigene Zukunftsfähigkeit. Die Frage laute doch, was man an großen Infrastrukturprojekten überhaupt noch durchsetzen könne. Für diese Abgeordneten begann das Dilemma mit dem Transrapid, einem milliardenschweren Lieblingsprojekt des früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, das sein Nachfolger Günther Beckstein (am damaligen Parteichef Huber vorbei) schnell versenkte. Es folgte der Streit um den Ausbau der Donau, den Seehofer gegen den heftigen Widerstand des Wirtschaftsflügels zugunsten der Umweltschützer beendete. Wenn die CSU jetzt auch beim dritten Projekt kapituliere, sei ihr nicht mehr zu helfen, klagt ein Vorstandsmitglied.

Für Seehofer, der fast rund um die Uhr mit der Flüchtlingskrise beschäftigt ist und dafür die Reihen hinter sich geschlossen wissen will, kommt die Auseinandersetzung zur Unzeit. Als sich kürzlich andeutete, dass ein paar CSU-Mitglieder erwägen, auf dem Parteitag über die dritte Startbahn offiziell abstimmen zu lassen, machte er deutlich, dass er strikt gegen so ein Verfahren ist. Auch Befürworter der Startbahn halten es taktisch für unklug, den Parteichef öffentlich derart unter Druck zu setzen.

Manch einem geht sogar Hubers Antrag zu weit, weil er die Fronten unnötig verhärte. Seehofer machte am Freitag deutlich, was er von den Vorgängen in der Fraktion hält: Tricksereien seien unter seiner Führung auszuschließen. Die Stadt etwa mit einer Milliardensumme zu locken, um ihre Anteile abzukaufen und so den Bau durchzusetzen, könne sich jeder "abschminken". Einen Wortbruch werde es mit ihm nicht geben: "Ich führe die neue CSU."

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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