Machtkampf in Bayern:Söders Aufstieg wäre der Abstieg der CSU

CSU lobt Merkels Selbstkritik

Söder hat keine Erfahrung in der Bundespolitik.

(Foto: dpa)

Drei Wochen nach der Bundestagswahl mit den historisch schlechten 38,8 Prozent in Bayern lässt sich feststellen: Die CSU ist bei ihrer Operation Untergang gut vorangekommen.

Kommentar von Sebastian Beck

Im katholischen Bayern gibt es den schönen Brauch, nach der Errettung aus höchster Not eine Votivtafel für die Kirche zu spenden. Darauf befindet sich meist eine symbolische Darstellung des Malheurs - Jagdunfall, Bänderriss, Feuersbrunst - samt einer Danksagung: "Maria hat geholfen!" Für den Fall, dass doch noch ein Wunder geschieht, könnte sich Horst Seehofer schon mal Gedanken machen, was er auf die Tafel pinselt: Die Horrorzahl 38,8 oder ein Porträt von Markus Söder oder beides zusammen. Jedenfalls braucht Seehofer schon Beistand von ganz oben, um den CSU-Parteitag im November als Vorsitzender und Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2018 zu überstehen.

Ein Zyniker könnte auch sagen: Drei Wochen nach der Bundestagswahl mit den historisch schlechten 38,8 Prozent in Bayern ist die CSU bei ihrer Operation Untergang gut vorangekommen. Die Niederlage hat mit einem Schlag alle Träumereien Seehofers zunichte gemacht: Joachim Herrmann als Bundesinnenminister und künftiger Parteichef, Söder als ewiger Talkshowgast, und Seehofer selbst als lichtumkränzter CSU-Retter, der eine Büste in der Walhalla verdient hätte - aus all dem wird nun nichts.

Stattdessen vergeht kein Tag, ohne dass ein Mitglied aus Söders Fanblock öffentlich auf den Chef zielt. In Albert Füracker und Georg Eisenreich sind sogar zwei Kabinettsmitglieder unter jenen, die einen Wechsel an der Spitze fordern - eine Illoyalität, für die man normalerweise seinen Job verliert. Wenn es nach ihnen geht, soll ihr Spezl Söder Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2018 werden, Seehofer darf allenfalls noch als Parteichef ein bisschen weiterwursteln.

Bundesweit kommt die CSU auf nur 6,2 Prozent der Stimmen

Das könnte auf dem Parteitag Mitte November in Nürnberg zur grotesken Situation führen, dass die CSU ihren einzigen Spitzenpolitiker, der noch Einfluss in Berlin hat, teilweise entmachtet und so irreparabel beschädigt - und das mitten in Koalitionsverhandlungen. Schon jetzt nörgeln Söders Hintersassen am Unionskompromiss zur Flüchtlingspolitik herum, weil darin wieder mal das CSU-Lieblingswort Obergrenze fehlt.

Was sie damit aber eigentlich sagen wollen: Schaut her, der Horst reißt in Berlin doch nicht so viel, wie er immer behauptet. Vor allem die Landtagsfraktion ist voll solcher Kleinstrategen, die mit breiter Brust durch ihre Wahlkreise stolzieren. Sie vergessen dabei schon mal, dass die CSU bundesweit auf nur 6,2 Prozent der Stimmen kommt und damit die kleinste aller Parteien im Bundestag ist. Angesichts der Kräfteverhältnisse kann auch ein geschickter Verhandler wie Seehofer den CSU-Bayernplan nicht einfach so in den Koalitionsvertrag diktieren.

Er hat nun die Wahl zwischen schlecht und ganz schlecht: Noch ist er so stark, dass er auf dem Parteitag den Vorsitz samt Spitzenkandidatur 2018 weiter für sich reklamieren könnte. Sein Wahlergebnis würde aber so bescheiden ausfallen, dass es als weiterer Beleg für seinen Abstieg herhalten müsste. Die zweite Variante: Seehofer könnte Söder tatsächlich den Vortritt als Spitzenkandidat lassen, aber CSU-Vorsitzender bleiben. Abgesehen davon, dass die Trennung von Parteivorsitz und Amt des Ministerpräsidenten in der CSU seit 40 Jahren nicht mehr funktioniert hat: Die schauspielerische Leistung wäre schon oscarreif, wenn es den Intimfeinden Söder und Seehofer gelänge, den Wählern eine Art Team vorzugaukeln.

Seltsamerweise fragt niemand, ob Söder überhaupt geeignet für das Amt des Ministerpräsidenten ist

Söder selbst hält sich noch bedeckt, weil er trotz seiner Sprücheklopferei nicht so mutig ist, dass er offen gegen Seehofer antritt. Er setzt lieber auf Zermürbungstaktik. Dafür spannt er all jene ein, die sich eine Karriere in seinem Windschatten erhoffen oder mit Seehofer - wie die chronisch erfolglose Münchner CSU - eine Rechnung offen haben. Seltsamerweise fragt niemand, ob Söder überhaupt der geeignete Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten ist.

Anders als Seehofer, der 2008 der desolaten CSU wieder Selbstvertrauen zurückgab, hat Söder keine bundespolitische Erfahrung. Er bekleidet seit 2011 das einfachste Regierungsamt Deutschlands: Als bayerischer Finanzminister darf er Überschüsse verwalten und Förderbescheide überreichen, wobei er gerne so tut, als hätten die Empfänger das Geld ihm persönlich zu verdanken. Auf diese Weise hat er sich im ganzen Land ein Netz aus Gefolgsleuten geschaffen.

Bei seinen Auftritten gibt er sich stets smart und locker. Doch Beamte, die mit ihm zu tun haben, berichten auch von einem ganz anderen, jähzornigen Söder, der nur ein einziges Ziel kennt: den Ausbau seiner Macht. In diesem Sinne ist für ihn Politik immer schon Mittel zum Zweck gewesen. Seit seinen Zeiten als Vorsitzender der Jungen Union erweckt er den Eindruck, als ob er Themen vor allem zur Profilierung gebrauche. Als Söder 2008 Umweltminister wurde, schlug er sich zur Überraschung aller auf die Seite der Gegner eines Donauausbaus.

Noch ein anderer könnte Seehofer beerben, doch der ist nicht brutal genug

Knapp zehn Jahre später befürwortete er als Heimatminister den Bau eines Skilifts am streng geschützten Riedberger Horn. Dafür nimmt er sogar einen Verstoß gegen internationales Recht in Kauf. Man darf Söder unterstellen, dass ihm die Huchen in der Donau im Grunde genauso egal sind wie die Birkhühner im Allgäu. Für ihn zählt, dass er dort steht, wo er die Mehrheit vermutet.

Falls Seehofer aufgibt, kann Söder sich 2018 selbst im schlimmsten Fall zum Chef einer Koalitionsregierung wählen lassen. Dann würde in Bayern ein Politiker an der Spitze stehen, der die Menschen so polarisiert wie kein anderer seit Franz Josef Strauß. Gemäß seiner Machtlogik müsste er sich als Nächstes den Parteivorsitz unter den Nagel reißen. Söders Aufstieg wäre der Abstieg der CSU zur Provinzpartei.

Doch wer könnte Seehofer sonst beerben? In dem Europapolitiker Manfred Weber hätte die Partei jemanden, der weltläufig und moderat in der Wortwahl ist, eine Art Anti-Söder. Er aber gilt unter Journalisten und in Parteizirkeln als einer, der nicht brutal genug sei. Als ob Brutalität und Machthunger die alleinigen politischen Tugenden wären. So bekommt die CSU wohl doch den vermeintlich starken Mann, den sie sich wünscht - und bei der Landtagswahl ein Ergebnis, das ähnlich ausfallen könnte wie das vor drei Wochen.

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