Süddeutsche Zeitung

Luxemburg:Steuern sparen mit der GBW

  • GBW-Gewinne wurden offenbar systematisch nach Luxemburg verschoben, wo diese kaum besteuert wurden.
  • Das zeigen Papiere, die die SZ einsehen konnte.
  • Daheim in Bayern klagen derweil viele Bewohner von GBW-Häusern über steigende Mieten, die ihnen das Leben schwer machten.

Von Klaus Ott

Als die staatliche GBW samt ihren rund 30 000 Wohnungen vor gut fünf Jahren privatisiert wurde, da mussten sich die Mieter an neue, seltsam klingende Namen gewöhnen. Firmennamen, die nicht gerade nach Wohnungsbaupolitik zum Wohle der Bevölkerung klangen. Sondern eher nach anonymen Investoren, die sich nicht in die Karten schauen lassen wollten. Eine Pearl AcquiCo Eins und eine Pearl AcquiCo Zwei GmbH & Co. KG hätten die GBW erworben, erfuhren die Mieter. Pearl AcquiCo also, und das ausgerechnet bei der GBW, die als Gemeinnützige Bayerische Wohnungsbaugesellschaft viele Jahrzehnte lang ein sicheres und vertrautes Zuhause für Menschen mit nicht gerade hoch bezahlten Jobs gewesen war.

Jetzt kommt noch ein weiterer seltsam anmutender Begriff ins Spiel, der noch viel weniger zur alten GBW passt. Ein Begriff, der für einen der größten internationalen Steuerskandale steht: Tax Rulings. Das sind Zusagen über Mini-Steuersätze, mit denen Luxemburg jahrelang Unternehmen wie Apple, Ikea und die Deutsche Bank in das Großherzogtum gelockt hat. Dies gilt auch für das vom Augsburger Wohnungsbauunternehmen Patrizia AG geleitete, aus 27 meist unbekannten Teilhabern bestehende Konsortium, das 2013 die GBW von der Bayerischen Landesbank erworben hatte. Die Spur nach Luxemburg ergibt sich aus Steuerunterlagen, welche die SZ einsehen konnte. Die Papiere zeigen, wie GBW-Gewinne offenbar systematisch ins Großherzogtum verschoben und dort kaum besteuert werden. Daheim in Bayern klagen derweil viele Bewohner von GBW-Häusern über steigende Mieten, die ihnen das Leben schwer machten.

Fehlentwicklungen zu Lasten der Mieter hatte der heutige Regierungschef Markus Söder eigentlich verhindern wollen, als die GBW zu seiner Zeit als Finanzminister verkauft worden war; nach einer drohenden Pleite der BayernLB. Jetzt kann Söder nicht mehr viel tun, auch nicht gegen die allem Anschein nach völlig legalen Steuertricks, auf die das Landesamt für Steuern bei einer Prüfung gestoßen war. Das Landesamt hatte 2017 von der Luxemburger Finanzverwaltung erfahren, dass auch im Falle der GBW derlei Tax Rulings existieren. Hunderte solcher Vorabbescheide über Steuersätze nahe null hat das Großherzogtum heimlich ausgestellt, was viele Unternehmen dazu veranlasste, viel Geld nach Luxemburg zu schaffen.

Dieses Steuersparmodell zu Lasten anderer Staaten war vor wenigen Jahren von der SZ und anderen Medien enthüllt worden. Die EU musste einschreiten. Nun zeigt sich: Auch GBW-Investoren profitieren von Tax Rulings. Wenn auch nicht alle Investoren, wie ein Patrizia-Sprecher auf Anfrage erklärte (siehe Text unten). Patrizia-Chef Wolfgang Egger selbst schweigt.

Schweigsame Patrizia

Die in Augsburg ansässige Patrizia AG bezeichnet sich als eine der "ersten Adressen für erfolgreiche Immobilien-Investments in Europa" und redet gerne über ihre Erfolge. Doch über die Steuer-Konstruktion der von einem Konsortium unter Führung der Patrizia übernommenen GBW schweigt sich die Augsburger AG weitgehend aus. Nur so viel: Dass die insgesamt 27 Teilhaber des Konsortiums via Luxemburg Steuern sparten, sei "insoweit nicht zutreffend, als der weit überwiegende Teil der GBW-Investoren ohnehin steuerbefreit ist". Diese Teilhaber zahlten weder in Deutschland noch in Luxemburg Steuern.

Das zielt auf Versorgungswerke für Berufsgruppen, die laut Patrizia keine Abgaben auf ihre Gewinne zahlen müssten. Wie viele Versorgungswerke unter den 27 Investoren sind, sagt die Patrizia aber nicht. Namentlich bekannt sind nur einige wenige Teilhaber, darunter die deutsche Sparkassen-Versicherung und die Württembergische Gemeinde-Versicherung, beides keine Versorgungswerke. Beide äußern sich nicht zum GBW-Steuersparmodell. Wie dieses Modell zum Anspruch der Sparkassen-Versicherung passt, unternehmerischen Erfolg mit sozialer Verantwortung zu verbinden, bleibt ein Geheimnis.

Ebenso wie die genaue Zusammensetzung des Konsortiums. Die meisten Teilhaber wollen öffentlich unbekannt bleiben und haben der Patrizia nicht erlaubt, ihre Namen zu nennen. Nur der Haushaltsausschuss des Landtags weiß Bescheid, unterliegt aber ebenfalls der Geheimhaltung. Und noch etwas sagt die Patrizia nicht: Wie hoch die Gewinne sind, die bislang an die Investoren ausgeschüttet worden sind. Da es der GBW recht gut geht, dürfte das nicht gerade wenig sein. ok

Nachdem das Landesamt für Steuern von den Tax Rulings erfahren hatte, ersuchte es die Patrizia AG um Vorlage der Papiere und bekam diese am 26. Februar 2018 zugeschickt. Darüber wiederum informierte ein Fachprüfer für Auslandsbeziehungen des Landesamtes in einer Mail vom 19. März 2018, die aufschlussreiche Passagen enthält, einen seiner Kollegen. Das geschah unter Hinweis auf den anstehenden Untersuchungsausschuss zum Verkauf der GBW. Den hatte die Landtagsopposition durchgesetzt, um herauszufinden, wie es zum Verkauf der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft gekommen und wie es danach weiter gegangen war.

Doch nicht einmal der Untersuchungsausschuss hatte das Rätsel lösen können, was mit den GBW-Gewinnen geschieht. Sämtliche vom Fiskus dort vorgelegten Unterlagen fielen unter das Steuergeheimnis. Nichts davon durfte an die Öffentlichkeit dringen. So ist nicht einmal bekannt, was dem Ausschuss überhaupt vorlag. Ob das etwa auch für den Investorenvertrag vom 21. März 2013 für den Kauf der GBW galt. Der Vertrag sah einen "luxemburgischen spezialisierten Investmentfonds" vor. Den Teilhabern des Konsortiums wurde zugesichert, dass sie ihre Gewinne nicht veröffentlichen müssten. Alles Geheimsache. Ebenso wie ein Tax Ruling von Anfang 2014 über die "steuerliche Behandlung der Investitionsstruktur betreffend den Kauf der GBW-Anteile".

Andere Tax Rulings waren vom Großherzogtum bereits im Mai 2013 ausgestellt worden; sie betrafen das Projekt Oscar. So heißen einige Firmen aus einem Geflecht rund um die Pearl Eins und Zwei, einem Geflecht, das offenbar als Steuersparmodell diente. Mit Erfolg, wie Vermerke der Finanzämter Augsburg und München von 2014 bis 2018 zeigen. Das Besteuerungsrecht stehe Luxemburg zu, heißt es in einer dieser Notizen. Auch das Landesamt kam am Ende zu keinem anderen Ergebnis. Derzeit sei "weiter nichts veranlasst", steht in der Mail vom 19. März 2018. Ein ernüchterndes Ergebnis. Für den Fiskus ebenso wie für die Mieter der GBW. Die haben keine Chance, ihre Steuerzahlungen via Luxemburg nach unten zu drücken.

Für Ministerpräsident Söder ist das alles ebenfalls nicht schön, auch wegen einer Vorgeschichte vom Oktober 2016. Damals war das GBW-Konsortium wegen Luxemburger Verbindungen, über die zuerst der Bayerische Rundfunk (BR) und anschließend Zeitungen berichteten, schon einmal ins Gerede gekommen. Die geheimen Tax Rulings und deren Folgen waren da noch gar nicht bekannt gewesen. Trotzdem sorgten die Medienberichte für große Aufregung. Auch bei Söder, der noch als Finanzminister agierte. In einer Vorlage für einen mündlichen Vortrag von Söder im Kabinett hieß es, das Finanzministerium betrachte die Patrizia und die GBW nach wie vor als bayerische Unternehmen. Wie BMW, Siemens oder Audi. In der CSU-Landtagsfraktion schimpfte Söder kurz darauf über den BR, der den Fall GBW als "Wirtschaftskrimi" bezeichnet hatte. Ein CSU-Abgeordneter soll den BR sogar der "Schafscheiße" bezichtigt haben.

Beim Landesamt für Steuern liest sich das in der Mail vom 19. März 2018 ganz anders. Der Verfasser, der Fachprüfer für Auslandsbeziehungen, schrieb auf, es lägen keine Erkenntnisse vor, "die den in der Presse veröffentlichten Informationen widersprechen". Damit konnten nur die Berichte des BR und anderer Medien vom Oktober 2016 über Luxemburger Verbindungen der GBW gemeint gewesen sein.

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Quelle:
SZ vom 15.09.2018/haeg/baso
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