Beschäftigung von Mitarbeitern:Anklage gegen Verantwortliche der Luisenburg-Festspiele erhoben

Beschäftigung von Mitarbeitern: Der ehemalige Festspiel-Intendant Michael Lerchenberg (links) und der Bürgermeister von Wunsiedel, Karl-Willi Beck (CSU).

Der ehemalige Festspiel-Intendant Michael Lerchenberg (links) und der Bürgermeister von Wunsiedel, Karl-Willi Beck (CSU).

(Foto: Robert Haas/dpa)
  • Die Staatsanwaltschaft Hof hat Anklage gegen den früheren Intendanten Michael Lerchenberg und Wunsiedels Bürgermeister Karl-Willi Beck (CSU) erhoben.
  • Sie sollen verantwortlich sein, in 111 Fällen den Krankenkassen Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten zu haben.
  • Lerchenberg sagt, er sei "perplex und sprachlos", will sich wegen des Verfahrens aber nicht weiter äußern.

Von Olaf Przybilla, Wunsiedel

14 Jahre lang war Michael Lerchenberg, der ehemalige Stoiber-Darsteller auf dem Nockherberg, Intendant der Luisenburg-Festspiele in Wunsiedel. Seine Verdienste um die Kulturszene in der oberfränkischen Kleinstadt sind oft gewürdigt worden; Lerchenberg konnte imposante Besucherzahlen vorweisen. Am Ende seiner Amtszeit aber fielen Schatten auf das Engagement des Oberbayern in Oberfranken: Der Intendant und Schauspieler wurde von Wunsiedler Stadträten heftig kritisiert, unter anderem, weil diese eine theatralische Abrechnung mit der Stadt in Lerchenbergs letzter Inszenierung auf der Freilichtbühne fürchteten. Nach der Spielzeit 2017 beendete er seine Amtszeit vorzeitig.

Nun droht sich der Blick auf seine Intendanz noch einmal zu verdunkeln. Die Staatsanwaltschaft Hof hat Anklage gegen Lerchenberg erhoben. Er und der Bürgermeister von Wunsiedel, Karl-Willi Beck (CSU), stehen im Verdacht, dafür verantwortlich zu sein, dass Krankenkassen in 111 Fällen Beiträge von Festspiel-Mitarbeitern zur Sozialversicherung vorenthalten wurden. Die Ankläger gehen von einem Gesamtschaden von 292 000 Euro aus.

Es geht also um möglichen Sozialversicherungsbetrug, keine Petitesse. Das Strafgesetzbuch sieht fürs "Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt" einen breiten Strafrahmen vor. Sollte das Landgericht Hof die Anklage gegen den Bürgermeister und den früheren Intendanten zulassen, so könnte beiden eine Geldstrafe, aber auch eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren drohen.

Lerchenberg mag sich im SZ-Gespräch aufgrund des schwebenden Verfahrens nicht zu Details der Vorwürfe äußern. Er sei aber "perplex und sprachlos", das könne er sagen. Es gehe bei den Vorwürfen um ein "hoch spannendes juristisches Thema", das so einfach, wie es nun von der Staatsanwaltschaft dargestellt werde, "eben nicht ist", sagt der 64-Jährige.

Aus Sicht der Ankläger soll Lerchenberg als Intendant in den Jahren von 2008 bis 2015 mit Beschäftigen der Festspiele, darunter auch städtischen Mitarbeitern, Werkverträge als Selbständige abgeschlossen haben, ohne dass dafür entsprechende Voraussetzungen vorgelegen haben. Auf diese Weise sollen Sozialversicherungsabgaben umgangen worden sein. Tatsächlich sollen die Leute so massiv in den Ablauf der Festspiele integriert gewesen sein, dass solche Beiträge auf jeden Fall angefallen wären. Die Beschäftigten waren auf der Luisenburg für Beleuchtung, die Tonanlage, für Kostüme oder Maske zuständig.

Die Staatsanwaltschaft geht von 18 Mitarbeitern aus, die auf diese Weise als abhängig Beschäftigte für die Festspiele tätig gewesen sind. Zudem sollen fünf Arbeitnehmer zwar als geringfügig Beschäftigte zur Sozialversicherung angemeldet gewesen sein, diese hätten tatsächlich aber weit mehr Arbeitsstunden geleistet. Zum Teil habe die Theater-Arbeit jener Mitarbeiter sogar einer Vollzeitbeschäftigung entsprochen.

Michael Lerchenberg schloss Fehler in einem früheren Interview nicht aus

Auf entsprechende Ermittlungen angesprochen, hatte Lerchenberg im Oktober 2017 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung eingeräumt, es würden "sicher Nachforderungen von den Sozialkassen auf die Stadt Wunsiedel zukommen". Warum es überhaupt zu Ermittlungen kommen konnte, hatte der damals schon ausgeschiedene Intendant so begründet: "Beschäftigungsverträge an einem Theater sind hochkomplex, nicht umsonst gibt es ein eigenes Bühnenvertragsrecht und Spezialisten dafür." Es gebe große Auseinandersetzungen mit den Sozialkassen über die Bewertung von Verträgen.

Aber auch dies hatte Lerchenberg bereits angedeutet: Er wolle "nicht ausschließen, dass da Fehler gemacht wurden". Nach Angaben seines Anwalts Karl Degenhard wird es nun um die Frage gehen, ob an Lerchenbergs damalige Stellung "Verantwortlichkeiten zu knüpfen sind". Also um die Frage, ob er überhaupt eine Funktion bei den Festspielen wahrgenommen hat, die die nun erhobenen Vorwürfe rechtfertigen.

Die Stadt Wunsiedel führt die Luisenburg-Festspiele als selbständigen Eigenbetrieb. Dem Bürgermeister Karl-Willi Beck werde insofern vorgeworfen, "über diese Praxis informiert gewesen zu sein", sagt der Sprecher der Anklagebehörde, Rainer Laib. Er habe Lerchenberg handeln lassen, ohne seiner Pflicht als Bürgermeister zum Einschreiten nachzukommen. Beck habe selbst für ordnungsgemäße Meldungen zu den Sozialversicherungen sorgen können. Beck war 2004 berühmt geworden, als er sich spontan mit anderen Demonstranten auf eine Straße Wunsiedels setzte, um gegen einen Marsch von mehreren tausend Neonazis zu demonstrieren. Das war widerrechtlich, aber aus dem Bauch heraus, und dafür wurde Beck gefeiert. Seither aber nahm die Skepsis an seiner Amtsführung zu. Immer wieder sieht er sich dem Vorwurf ausgesetzt, er schere sich nur wenig um Anordnungen aller Art.

Seit vor vier Jahren Kontrolleure des Kommunalen Prüfungsverbands ein Gutachten vorlegten, geriet er massiv in die Kritik. Die klamme Stadt habe "eine Vielzahl von Ausgaben" geleistet, die nicht "mit gesetzlichen Vorgaben der haushaltslosen Zeit in Einklang" zu bringen seien, urteilten die Kontrolleure. Allein im Büro Becks seien 20 000 Euro pro Jahr einzusparen, wenn er weniger Empfänge geben und Geschenke verteilen würde. Hat es der Bürgermeister nun mit dem Sparen übertrieben? Beck wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.

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