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Informationsreisen:Müssen bayerische Abgeordnete in der ganzen Welt herumreisen?

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Von Wolfgang Wittl, München

Nur damit keine Missverständnisse entstehen: Es war eine schöne Woche, die der Wirtschaftsausschuss des bayerischen Landtags erst kürzlich in Mexiko verbracht hat. Schön allerdings im Sinn von interessant, nicht von erholsam, das sei ausdrücklich betont. Manche Tage begannen bereits um sechs Uhr morgens, ohne Frühstück, und endeten erst um zehn Uhr abends, so dicht war das Programm.

Die milliardenschweren Produktionsstätten der Autobauer BMW und Audi, Mittelständler, Firmengründer und Verbandsvertreter - all diese Stationen gehörten zum Reiseplan. Ein konkretes Ergebnis brachten die Abgeordneten auch mit: Die bayerische Repräsentanz in Mexiko müsse unbedingt erhalten bleiben. Sie sei "für eine weitere Vertiefung der Beziehungen sehr erfolgsversprechend", sagte der Ausschussvorsitzende Erwin Huber.

Informationsreisen der bayerischen Parlamentarier haben Tradition, ebenso lange gibt es aber auch die Diskussion, ob es diese Reisen wirklich braucht. Der Bund der Steuerzahler geißelte einzelne Touren in seinem jüngsten Schwarzbuch sogar als "Polittourismus", Zeitungen schrieben früher von "Luxusreisen". Zuletzt tauchte die Frage auf, ob es nötig sei, dass der Verfassungsausschuss sich ausgerechnet in Kuba kundig mache.

Eine Art von Vorwurf, gegen den sich der Landtag hartnäckig wehrt. "Wir können nicht mit ansehen, wie die Welt aus den Fugen gerät und uns nicht darüber informieren", sagte Landtagspräsidentin Barbara Stamm bei ihrer Halbzeitbilanz. Jede Reise muss von den einzelnen Ausschüssen beim Ältestenrat beantragt werden, das Budget ist begrenzt. Für jedes Ausschussmitglied stehen 4400 Euro pro Wahlperiode für Informationsreisen zur Verfügung, das macht insgesamt knapp 800 000 Euro für fünf Jahre.

Der Landtag verstehe sich "als selbstbewusstes Parlament, das die Gelegenheit haben muss, sich auch in der Welt, vor allem in den Partnerregionen Bayerns, ein Bild von der Lage zu machen", sagt ein Sprecher. Denn nicht nur die Staatsregierung müsse sich informieren können, sondern auch die Opposition. Die Frage sei doch, ob sich der Landtag als Regionalparlament betrachte oder als Teil der globalen Politik und Wirtschaft, sagte Huber. Schon aus diesem Anspruch heraus ergebe sich die Notwendigkeit für Verbindungen.

Annette Karl (SPD) und Martin Stümpfig (Grüne) gaben dem CSU-Mann Huber grundsätzlich recht. Sehr lohnend sei die Reise nach Mexiko gewesen, fanden auch sie. Etwa 40 000 Euro hat die Tour über den Atlantik gekostet, der Flug economy und nicht erste Klasse, das Hotel normaler Standard. Das Budget des Wirtschaftsausschusses ist damit erschöpft, das Geld reiche nun nur noch für ein, zwei Ausflüge nach Brüssel.

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SZ vom 01.12.2016
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