Süddeutsche Zeitung

Listenaufstellung für Bundestagswahl:AfD Bayern rückt weiter nach rechts

Die AfD lässt ihren Landeschef Petr Bystron durchfallen und kürt den bislang unbekannten Martin Hebner zum Spitzenkandidaten. Auch bei Platz drei setzt sich der rechte Flügel durch. Jetzt steckt die Partei in einer Führungskrise.

Von Johann Osel

Der bayerischen AfD droht ein Rechtsruck, nach dem Parteitag vom Sonntag schlittert der Landesverband in eine Führungskrise. Bei der Listenaufstellung für die Bundestagswahl in Greding verlor der Landesvorsitzende Petr Bystron den Kampf um Platz eins überraschend gegen einen spontan angetretenen Kandidaten. Martin Hebner, Schriftführer im Landesvorstand, gewann die Abstimmung um die Spitzenkandidatur deutlich. Bystron findet sich nun nicht unter den ersten drei Kandidaten. Hebner ist öffentlich bislang kaum bekannt, aber intern gut vernetzt. Eine Rolle beim Debakel für Bystron spielten offenbar Flügelkämpfe. Bystron hatte sich zuletzt demonstrativ hinter die gemäßigtere Parteiführung von Frauke Petry gestellt.

Kurz vor dem Parteitag hatte Bystron im Gespräch mit der SZ die Basisdemokratie in der AfD gelobt - jedes Mitglied dürfe die Liste wählen, Spontanbewerbungen seien möglich. Das wurde ihm zum Verhängnis. Die Teilnehmerzahl in Greding war geringer als gedacht; anscheinend reisten viele Mitglieder nicht an im Glauben, dass die Top-Plätze ohnehin feststünden. Manche AfDler meinen auch, dass es sich um ein "minutiöses Manöver" handelte - die, die rebellieren wollten, kamen samt Truppen.

Der Landesvorstand hatte sich jüngst hinter den Beschluss des Bundesvorstands gestellt, den als Wortführer des rechtsnationalen Flügels geltenden Thüringen-Chef Björn Höcke auszuschließen. Höcke hatte im Januar mit seiner Dresdner Rede polarisiert, die ihm den Vorwurf von Geschichtsklitterung bescherte. "Die AfD will sich als zukunftsorientierte Partei den aktuellen Problemen stellen und keine rückwärtsgewandten Debatten führen", hieß es in einer Erklärung der Bayern-AfD, die auch auf Bystron zurückgeht. Daran aber stieß sich wohl ein Teil der Mitglieder, und das war nun - zumindest indirekt - Thema bei der Listenwahl in Greding. Hebner ist bisher nicht durch streitbare Thesen in dieser Richtung aufgefallen, gilt als Flügel-Sympathisant, aber sachorientiert. Gleichwohl war er bei einem Parteitag im Februar an einem Eil-Antrag gegen die Anti-Höcke-Erklärung beteiligt. "Mir geht es um die Kommunikation in der Partei, darum, dass nicht über die Köpfe der Mitglieder hinweg entschieden wird", sagte er, angesprochen auf die Flügel, am Montag. Auch viele Mitglieder, die nichts mit dem Flügel zu tun haben, wählten ihn. Zwar sei Hebner "Typ Buchhalter", sagt einer von denen, aber bei der Rede habe er "Feuer gezeigt". Die Rede Bystrons nennen viele Mitglieder, auch in sozialen Netzwerken, lustlos und müde.

Auf den zweiten Platz wurde der Wirtschaftspublizist Peter Boehringer gewählt. Gegen den Euro-Kritiker, der in der Partei hoch angesehen ist, wollte Bystron nicht antreten. Auf Platz drei landete, ebenfalls unerwartet, Corinna Miazga, Chefin der AfD Straubing-Regen. Diese postet auf Facebook oft direkt Beiträge von Höcke. Die 33-Jährige nannte sich in ihrer Rede eine Arbeitsfunktionärin, "in die Kamera zu lächeln, ist für mich keine Arbeit". Sie erinnerte an den Antrag ihrer Niederbayern-AfD beim Bundesparteitag: Bau und Betrieb von Moscheen seien zu verbieten. Bereits vor Gründung der AfD, so Miazga, habe sie als Kopf einer Nachbarschaftsinitiative ein Asylbewerberheim verhindert. Platz drei gehört nun also dem rechten Flügel.

Offenbar ahnte Bystron, was auf ihn zukommen könnte. Mitte März sprach er in Maisach bei Fürstenfeldbruck, wo der Höcke-Vertraute und Bundes-Vize Alexander Gauland zu Gast war. Darin zitierte Bystron ein linkes Internetportal, das auf die vielen Flügel-Aktivisten bei dem Termin verwies - und sagte demonstrativ: "Ich fühle mich in dieser Gesellschaft sehr wohl." Man stehe zusammen gegen das "linksgrün-versiffte" System, "wir sind rechts und das ist gut so". Wohl ein Versuch des Friedens. Beobachter in der Partei, die bereits die erste Rechts-Wendung der AfD und den Abschied der liberalen Lucke-Anhänger 2015 kritisch begleitet hatten, sehen ein Déjà-vu. Die Bayern-AfD zeige "ihr wahres Gesicht", "völkisch Denkende haben das Regiment übernommen": Das Projekt einer "liberal-konservativen Alternative zu den Konsensparteien" sei perdu. Andere meinen, dass man sich des einzigen Zugpferdes beraubt habe, da bisher nur Bystron medial präsent sei. Neulich wurde der Landeschef mit seiner Interpretation der bayerischen Kriminalstatistik zitiert.

Nach derzeitigen Umfragen kommen acht bis zehn bayerische AfDler in den Bundestag. Am Sonntag ging es nur ums Spitzen-Trio. Bystron sagte, er nehme "die Watschn" an; gerade spreche er mit den Mitgliedern, wenn es die Mehrheit wünsche, werde er beim kommenden Parteitagen für einen anderen Platz kandidieren. Gleichwohl melden darauf bereits Parteifreunde Anspruch an, die sich mit Sachthemen positionierten - wie der Mittelstandspolitiker Peter Felser aus Kempten. Zudem könnten Flügel-Vertreter jetzt zur Offensive angespornt sein, etwa in den rechtslastigeren fränkischen Bezirken. Der Verband Kulmbach-Lichtenfels hatte jüngst laut Mainpost Bystrons tschechische Herkunft thematisiert, als Ausländer könne dieser "nicht deutsch denken". Chef des Kreisverbands und Mitglied des Landesvorstands ist der Höcke-Anhänger Georg Hock. Nach dem Debakel für Bystron schrieb er auf Facebook: "Die bayerische Basis ist heute endlich aufgewacht."

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SZ vom 28.03.2017
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