Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) kündigt „einen spektakulären Höhepunkt“ an, und gleich darauf ist die frisch sanierte Venusgrotte bei Schloss Linderhof in ein fahlblaues Licht getaucht. Die Beleuchtung in der Grotte war schon zu Zeiten von König Ludwig II. elektrisch, damals mit sogenannten Bogenlampen, vor die sich farbige Scheiben schieben ließen. Seit ein paar Wochen wird die richtige Lichtstimmung mit insgesamt 272 LED-Lampen hergestellt, doch in diesem Moment kommt das fahle Blau in der Grotte von mindestens zwei Dutzend Mobiltelefonen. Ein Teil der Ehrengäste hält die Handys hoch, um zu fotografieren, wie sich der künstliche Wasserfall zu Musik aus Wagners Tannhäuser etwa eine Minute lang in den ebenfalls künstlichen See ergießt.
Nach diesem in der Tat spektakulären Höhepunkt und planmäßigen Ende aller Grottenführungen folgt an diesem Mittwoch noch die Rede von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), wegen dessen Terminplan die offizielle Wiedereröffnung nach zehnjähriger Bauzeit kurzfristig um zweieinhalb Wochen verschoben worden war. Söder spricht von der romantischen Sehnsucht des Märchenkönigs, der eines der ersten Elektrizitätswerke der Welt und das allererste Bayerns für die Kunst habe installieren lassen und nicht für die Wirtschaft.
Söders für einen Moment ebenfalls ein wenig sehnsüchtig wirkender Blick richtet sich nebenbei auf den Muschelkahn, in dem sich Ludwig II. einst durch die nach Tannhäuser-Motiven gestaltete Grotte rudern ließ. Ob es entsprechende Anfragen aus der Staatskanzlei gegeben habe, mag in Linderhof jedenfalls niemand direkt verneinen. Aber der Muschelkahn ist leider schon seit rund 100 Jahren nur noch eine Replik und ruht trotz der blattförmigen Ruder unbeweglich auf einem Metallgestell am Grund des flachen Sees. Platz nimmt darin auch an diesem Tag niemand.

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„Ich freue mich ganz besonders, weil ich damals die Restaurierung dieses einzigartigen Sehnsuchtsorts Bayerns vorangebracht habe“, sagt Söder, der als Finanz- und Heimatminister unmittelbar für das Immobilienerbe des Märchenkönigs zuständig war, ehe er 2018 Ministerpräsident wurde. Geld hat der Kini seinen Bayern und ihren Finanzministern nicht wirklich hinterlassen, aber seine damals durchaus ruinösen Bauprojekte dürften sich inzwischen als Touristenmagneten und Marketinginstrumente mehr als bezahlt gemacht haben.
Allein in Linderhof seien schon rund 15 000 zahlende Gäste gewesen, seit die Grotte am 11. April wieder für Besucher zugänglich wurde, berichtet der jetzige Finanzminister Füracker. Linderhof war Ludwigs einziges Schloss, das bei seinem bis heute rätselumrankten Tod anno 1886 zumindest einigermaßen vollendet war. Die damalige Staatsregierung machte es schnell öffentlich zugänglich, um dem Volk die Verschwendungssucht des entmündigten Königs vor Augen zu führen. Doch der Effekt war schon damals ein anderer.
Seither waren laut Füracker jedenfalls 44 Millionen Gäste da – anfangs für einen Eintritt, der heute 26 Euro pro Person entspräche, also das Doppelte des aktuellen Eintrittspreises für einen Erwachsenen. Das Wasserfall-Spektakel und der ebenfalls elektrisch erzeugte Welleneffekt im Grottensee waren damals nicht inbegriffen, sondern kosteten erheblich extra.
Für die zehn Jahre dauernde Sanierung der 1876 und 1877 gebauten Grotte hat der Landtag ebenfalls erhebliche Summen drauflegen müssen. Anfangs waren den Parlamentariern voraussichtliche Kosten von 25 Millionen Euro genannt worden. Am Ende waren es knapp 60 Millionen, welche die Schlösser- und Seenverwaltung und das staatliche Bauamt Weilheim verbauen ließen in diesem rund 90 Meter langen und 14 Meter hohen Gebilde aus Kalkbruchstein, Stahl, gusseisernen Stützen, Draht, Leinwand und Gips.

Auf immer neue Überraschungen und auf immer neue Probleme stießen die Planer, Handwerker und Restaurateure in den ersten Jahren. Mehr als 1500 einzelne Verträge und Auftragsvergaben sind nach Angaben des Finanzministeriums für die Sanierung nötig gewesen, mehr als 750 Beteiligte hätten zusammen rund eine halbe Million Arbeitsstunden in die Grotte gesteckt, davon mehr als 83 000 Stunden allein in den Drahtputz.
Dafür glitzern die laut Finanzministerium genau 465 künstlichen Stalagmiten sowie die 137 großen und die zwischen 30 000 und 40 000 kleinen Stalaktiten inzwischen nur noch so, als ob Wasser über sie liefe. Zuvor hatte es in der Grotte tatsächlich von der Decke getropft. Sollte die Venusgrotte nicht dem Einsturz preisgegeben werden, war eine Sanierung schlicht unausweichlich geworden, ganz unabhängig von den Kosten und dem damaligen Finanzminister.
Ein Fingertippen auf dem Laptop setzt den Wasserfall in Gang
Für den heutigen Ministerpräsidenten wird der Wasserfall sogar ein zweites Mal in Gang gesetzt, dafür reicht inzwischen ein Fingertippen auf dem Tablet des diensthabenden Grottenführers. Noch einmal ein Motiv für die Kameras der Profis und die Handys der Ehrengäste also, dazu ein prüfender Griff an den Gips.
Die Bausubstanz ist bereit für die rund 350 000 Besucherinnen und Besucher, die zuletzt pro Jahr hierhergekommen sind, obwohl Ludwig das alles einst ganz für sich allein hatte bauen lassen. Womöglich könnten es bald noch ein bisschen mehr Besucher werden, denn demnächst soll Linderhof mitsamt der Grotte und zusammen mit den beiden anderen märchenköniglichen Schlössern Neuschwanstein und Herrenchiemsee sowie dem Königshaus hoch droben am Schachen zum Welterbe werden. Der Antrag aus Bayern liegt längst bei der Unesco in Paris, die voraussichtlich im Juli darüber befinden wird.