Lindau:Obstbauern fürchten den Frost

Ein weiterer Kälteeinbruch könnte die Ernte am Bodensee gefährden

Von Stefan Mayr, Lindau

Anfang April hatte noch großer Optimismus bei den bayerischen Obstbauern geherrscht. "Wenn es so weitergeht, können wir uns auf schöne Äpfel freuen", sagte der Geschäftsführer des Bayerischen Erwerbsobstbau-Verbandes, Theo Däxl, als die ersten Obstbäume blühten. Zwar habe vor nicht allzu langer Zeit die Blüte in der Regel erst um den 1. Mai herum eingesetzt, aber das seien eben die Auswirkungen des Klimawandels, ergänzte Martin Nüberlin, der Vorsitzende der Erzeugergemeinschaft Lindauer Obstbauern. Seit ein paar Tagen klingen die Herren der Apfel-, Birn- und Zwetschgenbäume erheblich unentspannter. "Am Wochenende gab es noch keine großen Probleme", sagt Nüberlin, "aber vor dem Donnerstag haben wir die Hosen voll."

Grund für seine "Nervosität": Am Donnerstag wird der nächste Kälteeinbruch erwartet, er könnte noch kräftiger ausfallen als jener vom Sonntag. Das könnte die Ernte vieler Obstbauern schlimmstenfalls zerstören. "Viele Apfelbäume stehen zurzeit mitten in der Blüte", sagt Martin Nüberlin, "sie sind jetzt am empfindlichsten." Bei Minusgraden könnten die Blüten Schaden nehmen. Für einige Betriebe wäre der Ernteausfall ein herber Schlag, sagt Nüberlin. Denn seit zwei Jahren litten die Obstbauern ohnehin unter dem eingeführten Mindestlohn. Landwirte müssen ihren Mitarbeitern derzeit noch acht Euro pro Stunde bezahlen. "Das trifft vor allem die Anbauer von Spargel, Erdbeeren und Äpfeln hart", sagt Nüberlin. Denn diese drei Fruchtarten könne man nicht automatisiert ernten, sondern müsse sie per Hand pflücken oder stechen. "Wir zahlen unseren Leuten ja gerne acht Euro", sagt Nüberlin, "aber wenn ein slowenischer Obstbauer seinen Helfern nur 2,30 Euro zahlt und die Äpfel bei uns am Großmarkt verkauft, dann haben unsere Äpfel keine Chance mehr." Zusätzlich zum Mindestlohn komme noch der Einfuhrstopp von EU-Früchten nach Russland. Seitdem dieser verhängt wurde, rollen vor allem polnische Äpfel auf den deutschen Markt. "Zu Niedrigstpreisen", sagt Nüberlin. "Die letzten zwei Jahre waren schon unterirdisch schlecht." Wenn jetzt noch ein Ernteausfall dazu käme? "Das mag ich mir gar nicht vorstellen", sagt der 63-jährige Lindauer.

Allerdings hat die Kälte auch ihre positive Seite, wie Nüberlin einräumt. "Mit dem Feuerbrand müssen wir uns heuer gar nicht beschäftigen." Diese bakterielle Pflanzenkrankheit breitet sich bei hohen Temperaturen aus und zwang in vergangenen Jahren manchen Bauern dazu, ganze Anlagen zu roden. Diese Gefahr droht heuer immerhin nicht.

Die Region am Bodensee gilt als zweitgrößtes Obstanbaugebiet Deutschlands. Es profitiert von der Nähe zum Bodensee, der bei kaltem Wetter als Wärmespeicher dient und für mildere Temperaturen sorgt. "Wettertechnisch waren wir in den letzten Jahren verwöhnt", berichtet Martin Nüberlin. Weil es wärmer war als zuvor, bauten manche Landwirte ihr Obst auch in Lagen an, die sie zuvor als "Frostlöcher" gemieden hatten. "Vielleicht müssen wir heuer lernen", sagt Nüberlin, "dass doch nicht jede Fläche für Obstanbau geeignet ist."

Karin Wudler, Obstbauberaterin vom Landwirtschaftsamt Lindau-Kempten, fuhr am Montag durch die Anbaugebiete und begutachtete Blüten. Sie gibt Entwarnung. Die tiefste Temperatur habe in Wasserburg bei minus 0,2 Grad gelegen. "Das schädigt noch keine Blüte", sagt sie. Aber anhaltende Kälte könnte durchaus Verfärbungen hervorrufen, die das Obst unverkäuflich machen. "Horrormeldungen" will sie deshalb aber nicht verkünden. "Der Bauer hat ja noch eine Auswahl und kann schadhafte Früchte rausschneiden." Ein Totalverlust droht nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: