Süddeutsche Zeitung

Mitten in Lichtenberg:Die ungewöhnlichste Stadt der Republik

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Ein ZDF-Sechsteiler, ein unterirdischer Konzertsaal, die längste Fußgängerhängebrücke der Welt - eine 1000-Seelen-Ortschaft in Oberfranken ist ständig in den Schlagzeilen. Jetzt schon wieder.

Glosse von Olaf Przybilla, Lichtenberg

In Garmisch-Partenkirchen müssen sie kurz mal weghören, aber ja doch, Lichtenberg in Oberfranken ist kein Marktflecken (wie Garmisch-Partenkirchen), sondern eine richtige Stadt. Auch wenn es etwa siebenundzwanzigmal mehr Garmisch-Partenkirchener als Lichtenberger gibt - und die eine, die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen, wächst und wächst und wächst; während die andere, die Stadt Lichtenberg, sich entschieden hat, diese Form moderner Wachstumsgetriebenheit nicht mehr mitzumachen.

Im Gegenteil, seit dem Jahr 2000 hat sich Lichtenberg um etwa 180 Einwohner reduziert. Und nur mal so als Gedankenspiel: Würde diese Entwicklung hier (Garmisch) wie dort (Lichtenberg) so weitergehen, so könnte noch in diesem Jahrhundert ein Stadtbewohner aus einem 500-Seelen-Örtchen mit einem Marktbewohner einer 30 000-Einwohner-Gemeinde Bekanntschaft machen - dass jemand "aus der Stadt" (also nicht "vom Land") ist, bekäme da einen ganz eigenen Zungenschlag.

Aber so weit sind wir noch nicht. Vorerst liefern sich Rothenfels am Main und eben Lichtenberg einen Kampf um den Titel "kleinste Stadt Bayerns". Wobei es nur eine Frage der Zeit zu sein scheint, wann Lichtenberg auch diesen Superlativ einheimsen darf. Einen anderen - das sei hier mal als These eingebracht - darf es sich längst ans Revers heften: Im 21. Jahrhundert dürfte es keine deutsche Kommune um die 1000 Einwohner geben, die so verschiedenartig schlagzeilenträchtig ist wie eben Lichtenberg.

Über welchen Ort dieser Größe hat das ZDF einen Sechsteiler gedreht? Welche Kleinstadt kann von sich behaupten, Gästen einen unterirdischen Konzertsaal anbieten zu können? Und wo ist die wohl längste Fußgängerhängebrücke der Welt geplant? Eben, in Lichtenberg, Oberfranken.

Und es geht offenbar immer so weiter: 2020 wurde der Lichtenberger Kristan von Waldenfels zum jüngsten Bürgermeister der Republik gewählt - und hat nun im zarten Alter von 22 auch noch dem CSU-Landtagsvize, Alexander König, den Platz als Direktkandidat in einer parteiinternen Kampfkandidatur abgenommen. König ist seit 24 Jahren Abgeordneter, hätte gerne weiter gemacht.

(Ehrenamtlicher) Bürgermeister von Lichtenberg will der Student Waldenfels übrigens selbst dann bleiben, wenn er Abgeordneter werden sollte. Auch das verspräche dann wieder eine kleinere Schlagzeile. Spektakuläres Lichtenberg.

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