Lichtenberg:Fall Peggy könnte nach 17 Jahren aufgeklärt werden

  • Der 41-jährige Manuel S. stand in der Vergangenheit schon mehrmals im Fokus der Ermittler. Nun wurde gegen ihn Haftbefehl wegen Mordes erlassen.
  • S. sitzt in Untersuchungshaft. Bereits im September hatte er zugegeben, die Leiche des Mädchens 2001 verscharrt zu haben.
  • 17 Jahre nach dem Verschwinden der damals neun Jahre alten Peggy aus dem oberfränkischen Lichtenberg könnte der Fall nun vor seiner Aufklärung stehen.

Von Olaf Przybilla, Lichtenberg

Im September hat der 41 Jahre alte Manuel S. zugegeben, im Mai 2001 die Leiche von Peggy verscharrt zu haben. Die Polizei ermittelte wegen Mordverdachts, ließ den Verdächtigen aus dem oberfränkischen Marktleuthen aber wieder auf freien Fuß. Womöglich, um weitere Spuren zu sichern und Hinweisen aus der Bevölkerung nachzugehen. Nun ist der 41-Jährige festgenommen worden. Am Dienstag wurde er dem Haftrichter vorgeführt. 17 Jahre nach dem Verschwinden der damals neun Jahre alten Peggy aus dem oberfränkischen Lichtenberg könnte der Fall nun vor seiner Aufklärung stehen.

Die Ermittler haben Angaben von S., etwa den von ihm geschilderten Geschehensablauf, mit vorliegenden Fakten verglichen. Diese seien "nicht in Einklang zu bringen", teilten sie mit. Vielmehr stehe der Mann nun unter dringendem Tatverdacht, selbst als "Täter oder Mittäter" an Peggys Tötung beteiligt gewesen zu sein. Womöglich habe S. mit der Tötung "eine zuvor begangene Straftat verdecken" wollen. S. selbst sagte nichts zu den neuen Vorwürfen, ließ sie durch seinen Anwalt aber bestreiten. Ein Ermittlungsrichter erließ am Dienstagnachmittag Haftbefehl wegen des Verdachts auf Mord.

Bei seinem Geständnis, zumindest am Verschwinden von Peggys Leiche beteiligt gewesen zu sein, hatte der 41-Jährige bereits bei seiner Vernehmung im September kaum noch andere Möglichkeiten gehabt. Zu verdächtig waren die Spuren im Umfeld von Peggys Leichnam, die darauf hindeuteten, dass er daran mitgewirkt haben muss, das Mädchen im Mai 2001 nach Thüringen zu bringen und im Wald zu verscharren. Sein Wohnhaus im Landkreis Wunsiedel und sein Elternhaus in der oberfränkischen Kleinstadt Lichtenberg waren durchkämmt worden. Dort erhärtete sich der Verdacht der Soko "Peggy". Nach etlichen Stunden Vernehmung legte S. ein Geständnis ab. Er gab zu, Peggy in seinem Audi von Lichtenberg nach Thüringen geschafft zu haben. Dorthin also, wo 2016 Teile ihres Skeletts gefunden worden waren.

Am Skelett von Peggy hatten Forensiker mikroskopisch kleine Pollen gefunden, Bestandteile von Torf. Der damals 24-Jährige hatte am Tag der Tat im Garten gearbeitet, das wussten die Ermittler noch aus dem Jahr 2001. Auch wurden am Fundort von Peggy Mikropartikel sichergestellt, Farbreste, wie sie in Renovierungsmüll vorkommen. Dass S. renoviert hatte zu Hause, war ebenfalls aus alten Akten bekannt. Auch Videoaufzeichnungen aus einer Sparkassenfiliale erschütterten das Alibi des Mannes. Tatsächlich soll S., entgegen seiner Angaben zuvor, am Nachmittag des 7. Mai 2001 mit seinem goldfarbenen Audi in Lichtenberg unterwegs gewesen sein.

Auch das Fahrzeug machten Ermittler ausfindig. Einen Mord allerdings hatte der Mann vor drei Monaten nicht eingeräumt, sondern strafrechtlich lediglich eine Strafvereitelung. Diese wäre, nach Einschätzung vieler Juristen, mit hoher Wahrscheinlichkeit verjährt. Der frühere Lichtenberger, der als Biobauer und Bestatter arbeitet und heute im Fichtelgebirge lebt, gab lediglich an, das leblose Mädchen von einem anderen Mann in Lichtenberg übernommen zu haben. In einem Bushäuschen. Auch erklärte er den Ermittlern, er habe noch versucht, das leblose Mädchen zu beatmen. Als dies nicht gelang, habe er Peggy in eine rote Decke gewickelt, in den Kofferraum seines Audis gelegt und in ein Waldstück in Thüringen gebracht. Dorthin, wo das Skelett 15 Jahre nach dem Mord an Peggy von einem Pilzsammler entdeckt wurde. Ihre sterblichen Überreste sind nach Angaben von Bayreuths Leitendem Oberstaatsanwalt Herbert Potzel weiterhin nicht freigegeben, laufender Ermittlungen wegen.

Manuel S. war bereits 2001 in den Fokus der Ermittler geraten. Er war damals in einer Lichtenberger Seilerei als Fabrikarbeiter beschäftigt und firmierte in der Akte Peggy als die Spur 1305. Nach Peggys Verschwinden war er zunächst als Zeuge befragt, bald aber schon als Beschuldigter geführt worden. Der damals 24-Jährige stand im Verdacht, Peggy an einem Fluss unter einer Brücke abgelegt, sie geknebelt und mit Steinen beschwert zu haben. Das sollte er, so der Verdacht, bei einem Vatertagsausflug selbst geschildert haben. Das Verfahren wurde 2002 trotzdem eingestellt, ein Jahr nach Peggys Verschwinden. Die Ermittler kamen damals zu der Bewertung, dass die Männer, die an besagtem Ausflug teilnahmen, unter Alkoholeinfluss gestanden hätten. Und die Aussage, die S. belastete, nicht zu verwerten sei.

Es gab aber noch weitere Verdachtsmomente. So hatte S. den Ermittlern gesagt, er sei am Tattag beim Finanzamt gewesen. Für den Nachmittag, also zu jenem Zeitpunkt, für den ein Alibi vonnöten war, schlossen die Ermittler das aus. Da war diese Behörde geschlossen. Was S. in den relevanten Stunden des Tages, an seinem Geburtstag übrigens, stattdessen gemacht hatte - das wurde in den Akten nie klar.

In jenen findet sich auch die Aussage eines Mannes, der in dem Fall bisher die größte Rolle gespielt hat. Es geht um Ulvi K., jenen geistig beeinträchtigten Mann, der 2004 wegen Mordes an Peggy verurteilt worden war, zehn Jahre später aber freigesprochen wurde. Ulvi K. und Manuel S. waren als Jugendliche Freunde. Beide beschrieben den Ermittlern, dass sie zu dieser Zeit miteinander sexuelle Erfahrungen gemacht hätten. Ulvi K. gab bei den Ermittlungen überdies an, dass er als 23-Jähriger mit Peggy sexuellen Kontakt gehabt habe, er dies Manuel S. stolz berichtet habe und dieser daraufhin gesagt haben soll: Das wolle er auch mal. Auf Vorhalt der Ermittler bestritt S., dies gesagt zu haben. Auch ob die Angaben von Ulvi K. damals so gestimmt haben, zogen und ziehen viele aus seinem Unterstützerkreis in Zweifel.

Wen S. als jenen Mann genannt hat, von dem er angeblich die Leiche in einem Bushäuschen übernommen haben will, haben Ermittler nie erklärt. Beteiligte im Fall Peggy gehen aber davon aus, dass er wohl Ulvi K. genannt hat. Womöglich, um den heute in einem Heim lebenden Mann erneut zum Sündenbock zu machen, wie viele in Lichtenberg vermuten. Denn Manuel S. und Ulvi K. waren nur als Jugendliche befreundet, danach mied man sich gegenseitig. So wäre es wenig nachvollziehbar gewesen, dass der eine mit seinem Auto an einem Bushäuschen anhält, um dort einen leblosen Körper vom anderen zu übernehmen, diesen wegzufahren, zu verscharren - und anschließend 17 Jahre lang zu schweigen.

Eine Zeugenaussage der Mutter von S. hatte im Verfahren gegen Ulvi K. sogar eine erhebliche Rolle zu seinen Ungunsten gespielt. So hatte sie etwa ein Jahr nach ihrer ersten Vernehmung nachgeschoben, Ulvi K. zu einer für die Tat relevanten Zeit auf einer Bank in Lichtenberg gesehen zu haben.

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