Liberale in Bayern:FDP-Mann läuft über

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Bertermann wechselt zu Freien Wählern Der bisherige FDP-Landtagsabgeordnete Otto Bertermann (l) wird am 20.02.2013 als neues Mitglied der Freien Wähler von Hubert Aiwanger, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Bayerischen Landtag in München (Bayern) begrüßt. Ursula Düren/ dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ (Foto: dpa)

Auf den letzten Metern vor der Landtagswahl gerät die FDP in Bayern in immer größere Schwierigkeiten. Jetzt wechselt sogar Fraktionsvize Otto Bertermann zu den Freien Wählern. Angeblich wegen des Kurses der Bundes-FDP. Wahrscheinlicher erscheinen allerdings andere Gründe.

Von Sarah Ehrmann und Dominik Hutter

Die FDP in Bayern gerät im Wahljahr in immer größere Schwierigkeiten. Nachdem die Liberalen im Streit über die Abschaffung der Studiengebühren schon auf den Kurs der CSU einschwenken mussten, was an der Basis als Umfallen wahrgenommen wird, läuft nun auch noch ein Abgeordneter zu den Freien Wählern über: der 67 Jahre alte Otto Bertermann. Seit 2008 saß er für die FDP im Landtag, seit 2009 auch im Münchner Stadtrat. Bertermann war Vize-Fraktionschef der FDP und als Arzt Mitglied des Ausschusses für Umwelt und Gesundheit.

Bei der eilig einberufenen Pressekonferenz am Mittwochnachmittag betonte Bertermann, dass sein Übertritt rein sachliche Gründe habe: "Ich habe meiner Fraktion im Landtag und meiner Fraktion im Stadtrat nicht vorzuwerfen - und meine Entscheidung hängt nicht mit meinem Listenplatz 14 bei der Kandidatur für den Bayerischen Landtag zusammen", sagte Bertermann.

Vielmehr habe die bundespolitische Haltung seiner Partei zu passiver Sterbehilfe und Präimplantationsdiagnostik sich nicht mehr "mit meinen Werten als Arzt und Christ" vereinen lassen. Mit landespolitischen Themen wie den verlängerten Ladenöffnungszeiten und Regelungen an den sogenannten Stillen Tagen hätte er hingegen "schon noch mitgehen können".

In der FDP wird dennoch spekuliert, dass Bertermanns Schlappe bei der Listenaufstellung für die Landtagswahl der eigentliche Grund für seinen Parteiwechsel sei. Richtig sei, räumte Bertermann ein, dass er auf die Nominierung Anfang Januar mit den Worten "jetzt reicht's, jetzt trete ich aus" reagiert habe. Das sei aber "in der Hitze des Gefechts, aus einem emotionalen Gefühl heraus" geschehen. Die Gespräche mit den Freien Wählern hätten schon vor einem Jahr begonnen.

FW-Chef Hubert Aiwanger begrüßte den Parteiwechsel. "Herr Bertermann ist ein profilierter, freidenkender Mensch, der uns nach vorne bringt und mit dem wir eine personelle und inhaltliche Stärkung erfahren." Deutlich wurde allerdings, dass viele Positionen noch gar nicht ausgetauscht sind.

Die Ankündigung Bertermanns, dass er ein "unbequemer, aber geradliniger Politiker" sei, kommentierte Aiwanger gewohnt lakonisch: "Jetzt lassen wir mal die Themen auf uns zukommen, aber ich habe nicht das Gefühl, dass er ein besonders schwerer Fall wäre." Bertermann, der seinen Austritt aus der FDP nach der Pressekonferenz unterzeichnete, soll für die FW im Landtag kandidieren. Möglicherweise für den Wahlkreis Schwabing, deutete Fraktions-Vize Michael Piazolo an.

Mit der FDP, die er am Montag immer noch "meine Partei" nannte, hatte Bertermann nicht gesprochen. FDP-Fraktionschef Thomas Hacker bedauerte den Austritt. "Eine menschliche Enttäuschung" hingegen sei, dass die FDP davon erst aus den Medien erfahren habe. Anzeichen für einen Wechsel habe es nicht gegeben, sagte Hacker, auch sei ihm nicht bewusst, dass die bundespolitischen Themen eine besondere Rolle gespielt hätten. "Wohl aber haben wir gespürt, dass er mit seinem Listenplatz 14 auf der FDP-Oberbayernliste unzufrieden war."

Der Wechsel hat auch Konsequenzen für die FDP im Münchner Rathaus: Sie verliert ihren Status als Fraktion. Die Partei ist künftig nur noch mit vier Mitgliedern im Stadtrat vertreten, denn Bertermann verfügt sowohl über ein Landtags- als auch über ein Stadtratsmandat. Zur Bildung einer Fraktion sind aber mindestens fünf Stadträte nötig.

Die Abstufung, die auch einen Prestigeverlust bedeutet, hat Nachteile für die Partei. So übernimmt die Stadt nur bei Fraktionen die Bezahlung der Büromitarbeiter. Kleinere Gruppierungen müssen sich mit einer Pauschalsumme für Personal und Sachkosten behelfen.

Noch unklar ist, ob der Fahnenwechsel Bertermanns auch Auswirkungen auf die Präsenz der FDP in den Ausschüssen hat, also den Fachgremien des Stadtrats. Dies hängt nach Auskunft von Stadtsprecher Stefan Hauf davon ab, ob die Freien Wähler in der bisherigen Ausschussgemeinschaft verbleiben, die den Kleinparteien die Teilnahme an Ausschusssitzungen ermöglicht. Oder ob sie aus der Gemeinschaft austreten und künftig "auf eigenen Füßen" stehen wollen. Dies ist bei einer Mindestzahl von drei Stadträten möglich - und diese Größenordnung erreichen die Freien Wähler nun. Bislang ist die Partei im Rathaus mit zwei früheren CSU-Mitgliedern vertreten: mit Johann Altmann und Ursula Sabathil.

© SZ vom 21.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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